AB/237

 

 

ANFRAGEBEANTWORTUNG

 

 

Gemäß Art.52 Abs 1 B-VG und §90 erster Satz des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 ist der Nationalrat befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. §90 zweiter Satz des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 präzisiert die „Gegenständer der Vollziehung“ also die Gegenstände des Fragerechtes unter Verwendung des Wortlautes des §2 Abs.3 des Bundesministeriengesetzes 1973. Demgemäß sind darunter zu verstehen: Regierungsakte, Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten.

 

Für den Umfang der Pflicht zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ist daher vor allem von Bedeutung, ob die Frage einen Gegenstand der Vollziehung betrifft.

 

Das in Art. 52 Abs 1 B-VG niedergelegte Fragerecht und die ihm korrespondierende Informationspflicht sollen die Volksvertretung in die Lage versetzen, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Regierungsgeschäfte den von der Volksvertretung beschlossenen Gesetzen gemäß, desgleichen aber, ob sie darüber hinaus auch den politischen Intentionen der Volksvertretung entsprechend geführt werden. Sie finden daher ihre Grenze in den Ingerenzmöglichkeiten, über die die Bundesregierung und ihre einzelene Mitglieder in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich verfügen.

 

Eine parlamentarische Anfrage im Zusammenhang mit einem im Eigentum des Bundes stehenden Unternehmen ist damit soweit vom Interpellationsrecht gemäß Art.52 Abs.1 B-VG ( Vollziehung des Bundes) erfaßt, als in den Organen dieser Unternehmen Verwaltungsorgane tätig werden. Konsequenterweise unterliegen daher auch nur die Handlungen von Verwaltungsorganen in den Organen von Unternehmen der parlamentarischen Interpellation.

 

Nicht vom Interpellationsrecht umfaßt sind jedoch Handlungen die von geschäftsführenden Unternehmensorganen selbst gesetzt werden.

 

Ihre Fragen mit Ausnahme der Frage 2a , die ich mit NEIN beantworte, und der Frage 7, die nachstehend beantwortet wird, beziehen sich aber ausschließlich auf Handlungen von Unternehmensorganen und wären daher auch von diesen zu beantworten.

 

Ich habe aber Ihre Frage an die ÖBB weitergeleitet.

Die entsprechende Stellungnahme darf ich Ihnen in der Beilage zur Kenntnis bringen, erlaube mir jedoch, zu den an mich gerichteten Fragen folgendes anzumerken:

 

Die Gewährung der Freifahrt für alle Frauen anläßlich des Internationalen Frauentages am 8. März 1996 war eine kommerzielle Entscheidung der ÖBB in ihrem eigenen Verantwortungsbereich, wofür die ÖBB von der öffentlichen Hand keine Abgeltung erhielt.

 

Eine Entscheidung über werbestrategisch motivierte Maßnahmen wie im vorliegenden Fall bleibt ausschließlich den selbständigen Unternehmen der ÖBB überlassen und kann keiner Einflußnahme durch den Eigentümer unterliegen.

 

Grundsätzlich unterliegen die Tarife der ÖBB nicht dem Weisungsrecht des Verkehrsministers, vielmehr haben die ÖBB die Tarife nach kommerziellen Gesichtspunkten zu kalkulieren und nach Veröffentlichung im Amtsblatt für Verkehr anzuwenden. Aufgrund des Vertrages über gemeinwirtschaftliche Leistungen werden jedoch verschiedene Ermäßigungen gewährt, für welche die ÖBB Abgeltungen der öffentlichen Hand erhalten.

 

Für die Durchführung von Werbemaßnahmen - etwa auch im Tarifbereich_ ist seitens der ÖBB keine Genehmigung des Verkehrsressorts einzuholen und auch nicht seitens des Verkehrsressorts einzufordern.

 

Wien,22.April 1996

Der Bundesminister

 

Stellungnahme der ÖBB zur parlament. Anfrage Nr 221/J-NR/1996

 

Die ÖBB gewährten anläßlich des internationalen Frauentages am 8. März 1996 allen Frauen Freifahrt in der 2 . Wagenklasse.

 

Diese Marketing- und Werbeaktion der ÖBB hatte die Prämisse, die Zielgrupüpe Frau und in weiterer Folge die Familie anzusprechen, um die Bahn als kostengünstiges, modernes und sicheres Verkehrsmittel vorzustellen bzw. in Erinnerung zu rufen.

 

Insbesondere ist auch noch anzumerken, daß die Zielgruppe der Frau nach einer Umfrage des Österreichischen Gallup Institutes

-sich schlechter über Bahnangebote informiert fühlt als Männer

-die ÖBB-Leistungen schlechter beurteilt als Männer

-und die Bahn als weniger sympatisch empfindet,

sodaß seitens der ÖBB dringender Handlungsbedarf zur Korrektur gegeben war.

 

Zu Frage 1:

Wie hoch sind die Kosten für die allen Frauen gewährten bei den ÖBB am 8. März d.J.?

 

Die Marketingaktion Frauenfreifahrt am 8. März d. J. verursachte den ÖBB keine zusätzlichen Kosten.

 

Zu Frage 2

Werden diese Kosten vom Bund im Rahmen seiner Leistungen an die ÖBB getragen?

a)Wenn ja, aufgrund welcher gesetzlichen Verpflichtung?

b)Wenn nein, wer trägt sonst die gesamten Kosten dieser Aktion?

 

Durch die Trennung der ÖBB in die Bereiche Infrastruktur und Absatz und die damit verbundene EU-konforme strenge Abgrenzung zwischen diesen beiden Bereichen ist das Segment Absatz als wirtschaftlich alleinverantwortlich anzusehen und erhält keinen Bundeszuschuß. Daß die ÖBB in diesem Bereich sehr erfolgreich agieren, beweist nicht zuletzt ein Betriebserfolg von 1,5 Milliarden S und ein positives Ergebnis gewöhnlicher Geschäftstätigkeit (EGT) für 1994 und 1995

 

Wie bereits erwähnt, entstanden der ÖBB keine zusätzlichen Kosten.

 

Der kalkulatorische Einnahmeausfall wurde in dem der Aktion zugrundeliegenden Marketingkonzept mit maximal 1,5 Millionen S berechnet und wird als Zielgruppenwerbung dea Werbebudget des Geschäftsbereiches belasten und somit vom Geschäftsbereich auch selbst erwirtschaftet werden müssen.

 

Zu Frage 3

Ist beabsichtigt, derartige Aktionen, nähmlich Freifahrten bei den ÖBB für bestimmte Personengruppen, in Zukunft öfters durchzuführen?

a)Wenn ja, an welche Personengruppen wird dabei gedacht?

b)Wenn nein, warum kommen nur Frauen in den Genuß einer derartigen Aktion?

 

Zielgruppenwerbung ist ein essentieller Bestandteil der Werbestrategie des Personenverkehrs und wird nach den Vorgaben des Marketingkonzeptes schwerpunktmäßig zur Anwendung gebracht. Der Werbeanreiz muß dabei nicht immer in der Gewährung von Freifahrten bestehen. Als potentielle Personengruppen bieten sich insbesondere Pendler, Autofahrer, Familien, Jugendliche sowie Geschäftsreisende an.

 

Zu den Fragen 4,5 und 6

Warum wird gerade Teilnehmerinnen an einer Demonstration gegen das geplante Sparpaket der Koalitionsregierung Freifahrt bei den ÖBB gewährt?

 

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß dies zum Beispiel auch bei anderen Großdemonstrationen ( wie z.B. von Bauern) dementsprechend gehandhabt wird?

Wenn nein, warum nicht’?

 

Erachten Sie angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation der ÖBB derartige Aktionen für gerechtfertigt bzw. betriebswirtschaftlich sinnvoll?

 

Anläßlich des internationalen Frauentages haben die ÖBB allen Frauen ,ohne Einschränkung und ohne Zweckbindung, Freifahrt gewährt.

Die ÖBB haben sich weder bei dieser Aktion, noch werden sie sich bei zukünftigen Aktivitäten von politischen Motiven leiten lassen. Es sind rein betriebswirtschaftliche Überlegungen, die die Handlungsweise bestimmen. Dieses Dogma wird dazu führen, daß Entscheidungen über Marketingfragen auch hinkünftig ausschließlich unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Erfolgsaussichten getroffen werden.

 

Zu Frage 7

Werden Sie die betreffende Aktion zum Anlaß nehmen, um im Rahmen Ihrer Weisungskompetenz an die ÖBB die Erstellung von betriebswirtschaftlich kalkulierten Tarifen in der Personenbeförderung durch die ÖBB einzufordern?

Wenn nein, warum nicht?

 

Das Tarifsystem der ÖBB basiert auf betriebswirtschaftlichen Parametern und marktwirtschaftlichen Variablen. Tarife sind gemäß diesen Vorgaben fortwährend zu verändern und anzupassen. Es ist diese eine operative Tätigkeit der jeweiligen Geschäftsbereiche der ÖBB mit unmittelbarer Auswirkung auf das Finanzergebnis.

 

Ein Eingreifen in das operative Tagesgeschäft ist von Gesetzes wegen grundsätzlich nicht vorgesehen und erscheint auch im Hinblick auf das erfolgreiche Agieren der ÖBB im Absatzbereich überflüssig.

Anweisungen im Einzelfall sind gemäß Bundesbahngesetz 1992 nur in Fällen höherer Gewlt zu treffen.