2370/AB XX.GP

 

Zur beiliegenden Anfrage führe ich folgendes aus:

Zu den Fragen 1 und4:

Die Sozialversicherungsträger haben in dem ihnen zugewiesenen Bereich die Sozialversiche-

rung aufgrund der für sie geltenden Rechtsvorschriften in Eigenverantwortung zu vollziehen.

Ein Ermessensspielraum ist ihnen nur insoweit eingeräumt, als dies die Rechtsordnung vor-

sieht. Mangels einer entsprechenden rechtlichen Anordnung oder Ermächtigung ist es den So-

zialversicherungsträgern somit verwehrt, Sozialversicherungsbeiträge nachzusehen oder eine

Beitragsschuld herabzusetzen, Lediglich für Verzugszinsen hat der Gesetzgeber eine solche

Möglichkeit eröffnet. Aus der Regelung des § 65 Abs. 1 ASVG, wonach für die Behandlung

der Beiträge im Ausgleichs- und Konkursverfahren die jeweils geltenden Vorschriften der

Konkurs- und der Ausgleichsordnung maßgebend sind, ergibt sich für die Sozialversicherungs-

träger zwar auch die Zulässigkeit, in einem gerichtlichen Ausgleichsverfahren nach Interessen-

abwägung der Ausgleichsquote zuzustimmen, dabei ist aber zu beachten, daß hinsichtlich des

von der Ausgleichsquote nicht erfaßten Teiles der Beitragsschuld nicht von einem (rechtlich

unzulässigen) "Verzicht auf Beiträge", sondern von der "Uneinbringlichkeit von Beiträgen"

auszugehen ist.

Es muß aber jedenfalls den Sozialversicherungsträgern überlassen bleiben, die Frage der Ein-

bringlichkeit von Beiträgen zu beurteilen. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat dazu grund-

sätzlich mitgeteilt, daß die Anzahl der erfolgreichen Ausgleiche relativ gering sei. Die meisten

Ausgleichsverfahren münden in Anschlußkonkursverfahren, Im Regelfall verfüge die Sozial-

versicherung auch nicht über die Sperrminorität, Dies sei nur bei jenen Beitragsschuldnern der

Fall, die vor Einleitung des Insolvenzverfahrens die Sozialversicherung bei der Bezahlung be-

nachteiligt behandelt und vorwiegend Zahlungen an die sonstigen Gläubiger geleistet haben,

Aber selbst in jenen Fällen, in denen das Stimmrecht der Gebietskrankenkasse von Bedeutung

ist, könne fast immer eine Lösung gefunden werden. Bei den in der Praxis häufig vorkommen-

den Gesellschaften mit beschränkter Haftung lägen oft Haftungen der Geschäftsführer gemäß

§ 67 Abs, 10 ASVG oder aufgrund von Bürgschaften vor, Werden von diesen Personen Zah-

lungen geleistet, reduziere sich der Rückstand und damit auch das Ausmaß des Stimmrechtes.

In ähnlicher Weise hat sich auch der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-

träger geäußert. Seine Stellungnahme liegt in Kopie bei.

Die Wiener Gebietskrankenkasse erklärt daher weder zu gerichtlichen noch zu außergerichtli-

chen Ausgleichen ihre Zustimmung, Die Kasse verweist in diesem Zusammenhang auf die

Ausführungen in der Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz, ZIK 4/95, S 97 ff, Auch

eine Kopie dieses Artikels ist der Anfragebeantwortung angeschlossen.

Zu den Fragen 2 und 3:

Dazu hat die Wiener Gebietskrankenkasse im wesentlichen berichtet, daß ihr in den letzten

Monaten nur ein Insolvenzverfahren bekannt geworden sei, in dem in der Tagsatzung über eine

100%ige Quote gesprochen wurde. Die Kasse nimmt daher an, daß es sich bei dem von den

anfragenden Abgeordneten erwähnten Verfahren um diesen Zwangsausgleich handelt. In der

beim Handelsgericht stattgefundenen Tagsatzung habe der Masseverwalter eine Quote von

100% zur Diskussion gestellt, Aus rechtlichen Gründen wäre es natürlich möglich - sofern die

Voraussetzungen für eine Zinsnachsicht vorliegen - einem derartigen Vorschlag zuzustimmen,

Im konkreten Fall war aber nach Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse diese Quote nicht

finanzierbar. Es sei daher in einer weiteren Verhandlung von der Mehrheit der Gläubiger ein

Zwangsausgleich mit einer Quote von 75% angenommen worden.

Zu den Fragen 5 bis 7:

Wie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mitteilt, ist es ihm nicht

möglich, diese Fragen konkret zu beantworten, da es weder im Hauptverband noch bei den

Sozialversicherungsträgern Statistiken zu den aufgeworfenen Fragen gibt, Auch dem Bundes-

ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales stehen derartige Unterlagen nicht zu Verfü-

gung,

Zu Frage 8:

Zu dieser Frage gilt dasselbe wie bezüglich der Fragen 5 bis 7,

Grundsätzlich ist in rechtlicher Hinsicht festzuhalten, daß auch dann, wenn - wie hier unterstellt

- eine Gebietskrankenkasse gegen einen Ausgleich stimmt, damit noch nicht gesagt ist, daß

deshalb die im Ausgleich geforderten Mehrheiten (Kopfmehrheit - Mehrheit der zustimmenden

Gläubiger; Quotenmehrheit - 3/4 der angemeldeten Forderungen) nicht erreicht werden.

Denn auch in dem Fall, in dem es mangels dieser erforderlichen Mehrheiten zur Eröffnung ei-

nes Anschlußkonkurses kommt, ist durchaus noch der Abschluß eines Zwangsausgleiches

möglich, in dem es dann auch zu einer Fortführung des Unternehmens kommen kann, Aber

auch , wenn es zu keinem Zwangsausgleich kommt, ist es durchaus vorstellbar, daß das Unter-

nehmen von einem Dritten erworben wird und die Arbeitsplätze im kompletten oder zumindest

in einem eingeschränkten Umfang sehr wohl weiter bestehen bleiben.

In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis des Hauptverbandes beachtlich, daß den Ar-

beitsplätzen, die allenfalls durch die kritische Haltung der Sozialversicherungsträger verloren-

gehen, jene Arbeitsplätze gegenüberzustellen wären, die - bedingt durch das Weiterschleppen

insolventer Betriebe und deren spätere endgültige Auflösung - durch Folgeinsolvenzen bei

Lieferanten etc. vernichtet werden.

Der Vollständigkeit halber wird noch daraufhingewiesen, daß nunmehr Regierungsvorlagen

(734 bzw. 737 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

betreffend ein Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 bzw, Änderungen insbesondere des Insol-

venz-Entgeltsicherungsgesetzes) dem Parlament zur entsprechenden Behandlung zugeleitet

wurden, in denen das Instrumentarium zur Erhaltung von sanierungsfähigen Unternehmen noch

weiter ausgebaut wird.

Zu den Fragen 9 bis 11 :

Die Ausführungen sowohl des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger

als auch der Wiener Gebietskrankenkasse zeigen, daß der Einfluß der Sozialversicherungsträ-

ger auf die Abwicklung eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens denkbar gering ist. Der

Hauptverband hat darüber hinaus in seiner Stellungnahme eine Reihe von Argumenten ange-

führt, die die Beibehaltung der derzeit geltenden Rechtslage angezeigt erscheinen lassen.

Ich bin der Meinung, daß die derzeit geltende Regelung sinnvoll ist und schon aus präventiven

Gründen an ihr festgehalten werden sollte, Es ist nämlich anzunehmen, daß bei einer Zulässig-

keit des Verzichtes auf Beitragsforderungen der Schuldner in wesentlich geringerern Umfang

motiviert wäre, die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung rechtzeitig und vollständig

einzuzahlen, Es würden viel mehr Schuldner viel öfter als derzeit versuchen, eine Herabsetzung

der Beitragsforderungen von Sozialversicherungsträgern im Verhandlungswege zu erlangen,

sodaß nicht nur geringere Gesamteinnahmen an Beiträgen zu befürchten wären, sondern zu-

sätzlich noch ein erhöhter Verwaltungsaufwand für die diesbezüglichen Verhandlungen, Be-

rücksichtigt man überdies den Umstand, daß die Sozialversicherungsträger ihre Leistung im

wesentlichen mit den Beiträgen der Versicherten und ihrer Dienstgeber finanzieren, so ist klar,

daß durch eine solche Entwicklung den Sozialversicherungsträgern wegen geringerer Bei-

tragseinnahmen auch weniger Mittel für die Durchführung ihrer Aufgaben zur Verfügung stün-

den, was dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Gesamtkonzept der Finanzierung der Sozia)-

versicherung sowie den Interessen der Allgemeinheit der Beitragszahler und Leistungsempfän-

ger evident zuwiderliefe,

Es sollte daher zugunsten der Wirtschaftlichkeit des gesamten Sozialversicherungssystems eine

scheinbare oder tatsächliche Unwirtschaftlichkeit in wenigen Einzelfällen in Kauf genommen

werden, sodaß ich einer Änderung der diesbezüglichen Rechtslage grundsätzlich ablehnend

gegenüberstehe.

 

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