2432/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und Freunde ha-

ben am 10. Juni 1997 unter der Nr. 25641J an mich eine schriftliche parlamen-

tarische Anfrage betreffend Fluchthilfe für Staatsterroristen gerichtet, die fol-

genden Wortlaut hat:

1. Welche konkreten Aktenvermerke in dieser Causa liegen im Bundeskanz-

leramt in welchem konkreten Wortlaut auf?

2. Ist es richtig, daß bereits im August 1989 im Bundeskanzleramt ein Dos-

sier über die Kurdenmörder von Wien, über die Organisation des irani-

schen Staatsterrorismus und die Operationsfelder von Österreich aus

einlangte?

3. Wenn ja, wie lautete der Wortlaut und wann und an wen wurde es weiter

übermittelt?

4. Kam es zur Überprüfung der Angaben dieses Dossiers? Wenn nein, war-

um nicht? Wenn ja, wann und von wem?

5. Wurde das Bundeskanzleramt über iranischen Druck in der Causa Kur-

denmorde informiert? Wenn ja, wann und von wem? Welche Aktenver-

merke mit welchem Wortlaut liegen dazu vor?

6. Kam es zu direkten Interventionen des Iran im Bundeskanzleramt? Wenn

ja, wann und von wem bei wem? Welche Aktenvermerke mit welchem

konkreten Wortlaut liegen dazu vor?

7. Kam es in dieser Causa zu konkreten Kontakten mit anderen Ressorts?

Wenn ja, wann und mit wem? Welche Aktenvermerke mit welchem kon-

kreten Wortlaut liegen dazu vor?

8. Wie lauten die entsprechenden Ministerratsprotokolle des Jahres 1989

die sich mit den Kurdenmorden von Wien befaßten, im Wortlaut?

9. Wie lauten die entsprechenden Protokolle der Vorbesprechungen der Mi-

nisterratssitzungen des Jahres 1989, die sich mit den Kurdenmorden von

Wien befaßten, im Wortlaut?

10. Wurden vom Innenressort diese Ministerratsprotokolle bzw. die Protokolle

der Vorbesprechung zur Erstellung des Regierungsberichtes in der Kur-

denaffäre im April/Mai 1997 beantragt? Wurden sie zur Gänze über-

mittelt? Wenn nein, warum nicht?

11. Kam es in der Causa Kurdenmorde und deren Aufklärung seitens des

Bundeskanzleramtes 1989 zu Kontakten mit anderen Ländern? Wenn ja,

wie lauten die Aktenvermerke im Wortlaut?

12. Wann kam es in dieser Causa zu welchen Kontaktaufnahmen mit welchen

Ressorts der Bundesregierung? Wie lauten die entsprechenden Akten-

vermerke im Wortlaut?“

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Soweit festgestellt werden konnte, liegen im Bundeskanzleramt keine Aktenver-

merke in dieser Causa vor.

ZudenFragen 2 bis 4:

Dem Bundeskanzleramt ist am 16. August 1989 eine ,,lnformationsschrift des

Pressebüros der Volksmodjahedin Iran-Köln“ (Wortlaut siehe Beilage) - auf die-

se wird offenbar in der Anfrage Bezug genommen - zugegangen. Das Bundes-

kanzleramt hat diese Informationsschrift, die offensichtlich an mehrere Insti-

tutionen verschickt worden ist, dem Bundesministerium für Inneres sowie dem

Bundesministerium für Justiz übermittelt.

Zu Frage 5:

Nein. Hinsichtlich der Ministerratsprotokolle verweise ich auf meine Antwort zu

den Fragen 8 und 9.

Zu Frage 6

Soweit festgestellt werden konnte, können Interventionen des Iran im Bundes—

kanzleramt ausgeschlossen werden.

ZudenFragen8und9:

In der Ministerratssitzung vom 25. Juli 1989 bzw. der diesbezüglichen Vorbe-

sprechung gab der damalige Bundesminister für Inneres, Dr. LÖSCHNAK, eine

Sachverhaltsdarstellung:

Insgesamt hätten an dem Treffen 6 Personen teilgenommen. Die Personen

1 bis 4 seien iranische Verhandlungsführer, Person 5 sei ein Bewachungsmann

und Person 6 ein iranischer Geheimdienstoffizier gewesen. Die Personen

5 und 6 dürften dem Terrorkommando behilflich gewesen sein. Nach Vermu-

tung des INNENMINISTERIUMS dürfte Person 4 zufällig verletzt worden sein. Die

Attentäter dürften mit einem Motorrad oder einem Kraftfahrzeug geflüchtet sein,

die Tatwaffen wären am Naschmarkt weggeworfen worden. Bei den Ermittlun-

gen hätten sich große Schwierigkeiten mit der iranischen Botschaft ergeben. In

diesem Zusammenhang führte Bundesminister LÖSCHNAK (etwas später) aus,

daß sich die Botschaft geweigert habe, Fotos zur Verfügung zu stellen, was auf

eine Involvierung derselben hindeute. Die Person Nr.6 sei nach der Tat mit

einem Taxi in die Nähe der iranischen Botschaft gefahren sei, ob sie hineinge-

gangen sei oder nicht, lasse sich nicht ermitteln. Person 5 sei mit Sicherheit in

der iranischen Botschaft aufgenommen worden. Person 4 sei nach der Entlas-

sung aus dem Spital in die iranische Botschaft gefahren und dann mit einer

Linienmaschine in den Iran geflohen. Bundesminister LÖSCHNAK berichtete

weiters, daß das Innenministerium versucht habe, einen Haftbefehl gegen die

Person Nr.5 zu erhalten, was aber mißglückt sei, weshalb die Recherchen ins

Stocken geraten seien; er sprach in diesem Zusammenhang von einem „toten

Punkt“ der Ermittlungen.

Im Anschluß daran stellte Bundesminister Dr. LICHAL die Frage, wie es mög-

lich gewesen sei, daß der Verletzte nach seiner Entlassung aus dem Spital in

den Iran fliegen konnte. Bundesminister Dr. LÖSCHNAK bemerkte dazu, daß

die „Nr.4“ vom Innenministerium als Zeuge geführt worden sei. Bundesminister

Dr. FOREGGER ergänzte, daß die „Nr.4“ vernommen und nicht als verdächtig

erkannt worden sei.

In der Ministerratssitzung am 22. August 1989 gab Bundesminister Dr. FOREG-

GER einen Rückblick auf die Geschehnisse:

Während einer Besprechung zwischen kurdischen Führern und iranischen Ab-

gesandten seien 3 kurdische Führer von unbekannten Tätern ermordet sowie

ein weiterer Teilnehmer verletzt worden. Dieser Teilnehmer sei wegen seiner

Verletzung, weiters aufgrund des Umstandes, daß er für die Verständigung der

Polizei gesorgt habe, sowie aufgrund eines negativen Schußhandtests als Op-

fer und nicht als Täter angesehen worden. Dieser Person sei daher nach ein-

gehender gerichtlicher Vernehmung kein Hindernis gegen eine Ausreise in den

Weg gelegt worden. Ein fünfter Teilnehmer habe bald nach dem Ereignis Zu-

flucht in der iranischen Botschaft genommen. Gegen die Zusicherung ungehin-

derter Rückkehr habe die iranische Seite seine Teilnahme an einem Lokalau-

genschein und seine Vernehmung ermöglicht. Gegen die betreffende Person,

die sich derzeit noch in der iranischen Botschaft aufhalte, sei im Hinblick auf

den Verdacht, sie habe dem verletzten Teilnehmer nicht alsbald Hilfe geleistet,

ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingeleitet und ein diesbezüg-

licher Haftbefehl ausgestellt worden. Die staatsanwaltschaftlichen Behörden

seien nunmehr der Meinung, daß der Verdacht einer unterlassenen Hilfelei-

stung nicht weiter aufrecht erhalten werden könne und würden die Rückzie-

hung des Haftbefehls vorschlagen. Nach dem Vorschlag der staatsanwalt-

schaftlichen Behörden sei jedoch gegen den sechsten Teilnehmer der Haftbe-

fehl wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung aufrechtzuerhalten.

Das Bundesministerium für Justiz werde diesen Vorschlag mit großer Aufmerk-

samkeit und Gewissenhaftigkeit prüfen und insbesondere auch in Erwägung

ziehen, ob gegen die iranischen Teilnehmer an der Besprechung irgendwelche

Indizien für eine Teilnahme an der Täterseite bestünden. Der sechste Teilneh-

mer sei dem Zugriff der Justiz von Anfang an entzogen gewesen. Das Bun-

desministerium für Justiz werde vor der Entscheidung über die Aufhebung des

Haftbefehls jedenfalls Kontakt mit den Sicherheitsbehörden (Bundes-

ministerium für Inneres) halten und auch das Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten auf dem laufenden halten.

Klubobmann Dr. FISCHER äußerte Bedenken gegen die Aufhebung der Haft-

befehle.

In der Ministerratssitzung am 28. November 1989 berichtete Bundesminister

Dr. FOREGG ER, daß es aufgrund eines nunmehr vorliegenden Gutachtens

naheliegend erscheine, daß die bisherigen Überlegungen nicht zuträfen und ein

nicht unerheblicher Verdacht gegen drei Teilnehmer an der Besprechung vor-

liege. Ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft werde derzeit geprüft, alle

drei Täter seien allerdings nicht mehr da.

ZudenFragen7.11und12:

Soweit aus heutiger Sicht nachvollziehbar ist, kam es in dieser Causa zu kei-

nen kontakten mit anderen Ressorts oder anderen Ländern.

ZuFrage10:

Auf Beamtenebene wurde um Übermittlung der Ministerratsprotokolle telefo-

nisch gebeten. Dies wurde im Hinblick darauf, daß es sich dabei nicht um „Pro-

tokolle“ im eigentlichen Sinn, sondern um die Mitschriften eines Mitarbeiters

des Bundeskanzleramtes aus der Vorbesprechung zum Ministerrat handelt,

abgelehnt. Bemerkt wird1 daß diese Mitschriften aber zwischenzeitlich der

Staatsanwaltschaft Wien auf ihr konkretes Ersuchen übermittelt worden sind.