2449/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Kiermaier, Mag. Kaufmann und Genossen haben

am 5. Juni 1997 unter der Nr. 2543/J an mich eine schriftliche parlamentarische An-

frage betreffend die Problematik der gesetzlichen Bevorzugung von Landwirten bei

der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

„1. Ist es richtig, daß es für die Landwirtschaft weitreichende Ausnahmen bei den

hygienerechtlichen Bestimmungen gibt? Stimmt es, daß die Fleischverarbei-

tungsbetriebshygieneverordnung, die Geflügelfleischhygieneverordnung, die

Frischfleischhygieneverordnung und die Kaninchenfleischhygieneverordnung

Ausnahmen bei baulichen und hygienischen Bestimmungen für Bauern vorse-

hen und über die den kleineren gewerblichen Betrieben zugestandenen Er-

leichterungen hinausgehen?

2. Warum gelten auf dem Bauernmarkt und im Lebensmitteleinzelhandel bei iden-

ten Tätigkeiten unterschiedliche Hygienestandards, wie z.B. bei der Herstellung

von Wurstwaren oder beim Verkauf von Käse?

3. Ist es weiters richtig, daß, während des Fleischuntersuchungsgesetzes gewerb-

liche Betriebe ständig durch die Veterinärbehörde kontrolliert werden, es dies-

bezügliche Ausnahmen für Hausschlachtungen gibt?

4. Wie läßt es sich begründen, daß das Qualitätsklassengesetz und die diesbe-

zügliche Verordnung keinerlei Bestimmungen und Qualitätskontrollen für Land-

wirte vorsehen?

5. Stimmt es auch, daß die EU-Richtlinien zwar Erleichterungen für kleinere Be-

triebe vorsehen, aber keine Differenzierungen zwischen Bauern und Gewerbe-

treibenden kennen?

6. Finden Sie es ferner aus konsumentenschutzrechtlicher Sicht richtig, daß die

Landwirtschaft völlig von der Preisauszeichnungspflicht ausgenommen ist?

7. Wie lassen sich die genannten Ausnahmen generell aus konsumentenschutz-

rechtlicher Sicht begründen?“

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Bei der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der Lebensmit-

tel- und Fleischvermarktung, haben auch Landwirte die entsprechenden Hygienevor-

schriften zu beachten. Es sind dies im wesentlichen die Milchhygieneverordnung, die

bis dato noch nicht kundgemachte Lebensmittelhygieneverordnung und die Bestim-

mungen des Fleischuntersuchungsgesetzes samt Verordnungen.

Die Milchhygieneverordnung ist auf Milch (einschließlich Rohmilch) und Milchpro-

dukte anzuwenden. In § 10 sowie in Anhang D sind besondere (Hygiene)Vorschrif-

ten für den Erzeugerbetrieb (Direktvermarktung) vorgesehen.

Diese besonderen Vorschriften sind deshalb erforderlich, da es einem Direktver-

markter nicht möglich ist, die umfangreichen und sehr detaillierten Bestimmungen für

Be- und Verarbeitungsbetriebe (z.B. Molkereien) einzuhalten (auch Einzelhandels-

betriebe unterliegen der Milchhygieneverordnung nicht in vollem Umfang).

Die allgemeine Lebensmittelhygienerichtlinie 931431EWG wird durch die Lebensmit-

telhygieneverordnung in die österreichische Rechtsordnung umgesetzt; hiefür ist das

Einvernehmen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft erforderlich, das

bisher noch nicht vorliegt.

Diese von mir vorgelegte Verordnung sieht nach dem Grundsatz „Hygiene ist unteil-

bar" keine unterschiedliche Regelung für Bauernmärkte-Direktvermarkter und Einzel-

handelsbetriebe vor.

Mit der Fleischuntersuchungsrechts-Änderungsverordnung 1996 wurden die ur-

sprünglich nur für landwirtschaftliche Betriebe bestehenden Ausnahmen auf alle

Kleinverkaufsstellen (und damit auch auf Fleischer-Gewerbebetriebe) erstreckt.

Die Geflügelfleisch-Hygieneverordnung und die Kaninchenfleisch-Verordnung sehen

in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen EU-Normen (Geflügelfleischrichtlinie

711118/EWG, Kaninchenfleischrichtlinie 91 1495/EWG) für Direktvermarkter, welche

nur an einen beschränkten Personenkreis unter besonderer Deklaration ihre Waren

abgeben, generelle Hygienebestimmungen vor, die weniger detailliert ausgeführt

sind und daher besser dem jeweils geringen Betriebsumfang angepaßt werden kön-

nen (§17 Abs. 2 und 3 Geflügelfleisch-Hygieneverordnung, § 7 Abs. 1, Z 2 Kanin-

chenfleisch-Verordnung).

Die Frischfleisch-Hygieneverordnung und die Fleischverarbeitungsbetriebe-Hygiene-

verordnung sehen keine Ausnahmen für bäuerliche Betriebe gegenüber Gewerbebe-

trieben vor.

Hinsichtlich der Herstellung von Wurstwaren gibt es auch nach der Fleischverarbei-

tungsbetriebe-Hygieneverordnung keine Ausnahmen für bäuerliche Direktvermark-

ter. Im übrigen unterliegen Märkte nicht dem Veterinärrecht.

Zu Frage 3:

Ja; die Ausnahme von der Untersuchungspflicht bei Hausschlachtungen gilt jedoch

nur für Fleisch, das ausschließlich für den Verzehr durch den Tierhalter, seine im

Haushalt lebenden Familienangehörigen und seine Betriebsangehörigen bestimmt

ist und weiters nur für Fleisch von Schweinen, Kälbern, Schafen sowie Ziegen;

außerdem darf es sich hiebei um keine Notschlachtung (Schlachtung wegen Krank-

heit des Tieres) handeln. Das Tier muß auch sonst hinsichtlich seines Gesundheits-

zustandes und des Vorliegens von Rückständen im Fleisch unbedenklich sein.

Hier wird in Form von regelmäßigen Herdenkontrollen durch den Tierarzt der Ge-

sundheitszustand der Tiere überwacht.

Hinsichtlich der Kontrollen in den Betrieben besteht kein Unterschied zwischen land-

wirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben. Eine Einteilung der Häufigkeit erfolgt

lediglich nach der Betriebsgröße und dem Betriebsumfang.

Nur bei der Schlachttier- und Fleischuntersuchung besteht für bäuerliche Direktver-

markter von Geflügel oder Kaninchen unter bestimmten Bedingungen (gesunde

Tiere, keine Rückstände, keine bedenklichen Erscheinungen am Tierkörper) eine

Ausnahme von der Untersuchung jedes einzelnen Tieres bei der Schlachtung durch

einen Tierarzt.

Bei allen anderen Haustierarten besteht eine Verpflichtung der Schlachttier- und

Fleischuntersuchung, wenn das Fleisch in Verkehr gebracht werden soll.

ZuFrage4 -

Die Beantwortung dieser Frage fällt in den Kompetenzbereich des Bundesministers

für Land- und Forstwirtschaft.

Zu Frage 5:

Die Richtlinie über die allgemeine Lebensmittelhygiene 93/43 sieht zwar Erleichte-

rungen für kleinere Betriebe, aber keine Differenzierung zwischen Bauern und Ge-

werbetreibenden vor.

Auch der gemeinsame Standpunkt zur Richtlinie über Preisangaben (EG) Nr.60196

(96/C 333/02) sieht keine Sonderstellung für die Landwirtschaft hinsichtlich der

Verpflichtung zu Preisangaben vor. Die Verpflichtungen der Richtlinie sollen den

,,Händler" treffen, der wie folgt definiert ist: ... jede natürliche oder juristische Person,

die unter ihre berufliche Tätigkeit fallende Erzeugnisse verkauft oder zum Verkauf

anbietet“.

Die Richtlinie wird voraussichtlich eine Sonderstellung für den gesamten kleinen Ein-

zelhandel vorsehen; in welcher Form, ist noch nicht endgültig ausdiskutiert, eine Dif-

ferenzierung zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Gewerbebetrieben ist

jedoch nicht zu erwarten.

Zu den Fragen 6 und 7:

Selbstverständlich soll der Konsument auch beim Kauf ab Hof und beim Verkauf

landwirtschaftlicher Produkte auf Märkten mit transparenten Preisen rechnen kön-

nen.

Wie bereits zu Frage 5 ausgeführt, werden mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zu

Preisangaben, deren Beschlußfassung auf europäischer Ebene in naher Zukunft zu

erwarten ist, bestehende Sonderstellungen der Landwirtschaft bei Preisauszeich-

nungsverpflichtungen hinfällig werden.

Hinsichtlich der Hygienebestimmungen möchte ich meinen bei der Beantwortung der

Fragen 1 und 2 angeführten Grundsatz „Hygiene ist unteilbar“ nochmals bekräftigen.

Unterschiedliche Hygienestandards für Gewerbe und Landwirtschaft zu Lasten des

Schutzes der Verbraucherinnen und Verbraucher werden jedenfalls nicht von mir

vertreten.