2482/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.2471/J-NR/1997 betreffend fehlende gesetzliche
Grundlage der Rechtschreibreform, die die Abgeordneten Karl Öllinger und FreundInnen am
26. Mai 1997 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
1. Ist Ihnen der Artikel „Staatssprache und Rechtschreibreform“ bekannt?
Antwort:
Der Rechtssektion des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten ist
der genannte Artikel bekannt.
2. Teilen Sie die Rechtsauffassung, wie er in diesem Artikel zum Ausdruck gebracht
wird?
Teilen Sie insbesondere die Rechtsauffassung, daß die Einführung einer neuen Recht-
schreibung nicht auf dem Erlaßwege, sondern nur über die Befassung des Gesetz-
gebers, also des Parlamentes erfolgen kann?
3. Wenn ja: Bis wann ist mit einer Befassung des Parlamentes zu rechnen? Wenn er die
neue verwendet: Wird er diese nur bei offiziellen Anläßen verwenden, privat aber
weiterhin die alte pflegen?
Antwort:
Es bestehen mehrere Möglichkeiten der Umsetzung der Rechtschreibreform. Meiner Meinung
nach sollte davon abgesehen werden, die neuen Regeln für die Staatssprache für rechtlich ver-
bindlich zu erklären. Im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesministerien wurde daher
folgende Vorgangsweise ins Auge gefaßt.
Ausgehend von der politischen Absichtserklärung, die am 1. Juli 1996 von verschiedenen
Staatenvertretern unterfertigt wurde, erfolgt die Umsetzung im Rahmen der den staatlichen
Stellen gegebenen Möglichkeiten. An eine allgemeine Verpflichtung der Bürgerinnen und
Bürger zur Einhaltung der Rechtschreibreform ist nicht gedacht, die Reform berührt daher
auch nicht deren grundrechtliche Stellung. Vielmehr ist eine Umsetzung im Rahmen des Schul-
unterrichts sowie des Schriftverkehrs der Dienststellen in Aussicht genommen. Was den Schul-
bereich betrifft, so handelt es sich um die Festlegung eines Lehrinhaltes, der auf die Schul-
gesetze als gesetzliche Grundlage zu stützen ist. Die Umstellung auf die neue Rechtschreib-
reform im Rahmen des inneren Dienstes ist eine Angelegenheit der inneren Organisation der
Verwaltungsbehörden. Die Einhaltung einer solchen Umstellung obliegt den Bediensteten im
Rahmen ihrer Dienstpflichten.
5. Wird die Unterrichtsministerin die alte oder die neue Rechtschreibung verwenden?
Wenn sie die neue verwendet: Wird sie die neue nur bei offiziellen Anlässen
verwenden, privat aber weiterhin die alte pflegen?
Antwort:
Soweit die Frage einen Gegenstand der Vollziehung im Bereich des Bundesministeriums für
Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betrifft, stelle ich dazu fest, daß ich mich auch in
meinem Wirkungsbereich für die Umsetzung der Rechtschreibreform einsetzen werde.
6. Wird die Ministerin die Schulen anweisen, in Zukunft etwas weniger Wert auf die
Rechtschreibung zu legen? Wird sie die Lehrerinnen insbesondere zu einer Rück-
sichtnahme in jenen Bereichen aufrufen, in denen die Rechtschreibung geändert
wurde, denn immerhin sind die SchülerInnen täglich außerhalb der Schule in allen
Publikationen etc. mit der alten Rechtschreibung konfrontiert und daher zum Teil
wohl zu Recht verwirrt und verunsichert?
Antwort:
Unmittelbar nach der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Absichtserklärung“ hat das Bundes-
ministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten in seinem Wirkungsbereich durch
Erlässe an alle Schulen und Dienststellen über den Zeitplan sowie die Übergangsbestimmungen
informiert. In Österreich wird die Neuregelung der Rechtschreibreform mit 1. August 1998
wirksam.
Für die Übergangszeit bis zum Ende des Unterrichtsjahres 2004/2005 gelten beide Regelung
gleichermaßen, und deshalb sollen bisherige Schreibweisen nicht als falsch, sondern als über-
holt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt werden, um
alle Schüler und Schülerinnen so schnell wie möglich an die Neuregelung zu gewöhnen. Diese
Regelung bedingt eine gewisse Toleranz seitens der Lehrer und Lehrerinnen.
Da es methodisch-didaktisch sinnvoll ist, alle Schüler und Schülerinnen so schnell wie möglich
an die Neuregelung zu gewöhnen, besteht weiters für die Lehrer und Lehrerinnen die Möglich-
keit, im Rahmen des § 17 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes (eigenständige Unterrichtsarbeit
entsprechend dem Stand der Wissenschaft) vor dem offiziellen Inkraftsetzungstermin die Neu-
regelung vorwegzunehmen und bereits ab dem Schuljahr 1996/97 nach der Neuregelung zu
unterrichten. Dieses Angebot haben viele Lehrerinnen und Lehrer angenommen, so wird bereits
zu 90% an den Volksschulen die neue Orthographie unterrichtet.
Weiters wurde mit der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle
Angelegenheiten, BGBI. Nr.11/35/1997, die Leistungsbeurteilung in Pflichtschulen sowie
mittleren und höheren Schulen novelliert. Wesentlicher Inhalt der Neufassung ist die Adaptie-
rung der Leistungsbeurteilungsverordnung an die am 1. Juli 1996 in Wien unterzeichnete
Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung; sie trägt somit dem
Vorhaben der zeitgerechten Umsetzung der neuen Rechtschreibung Rechnung.
Auch die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, wie z.B. die Deutsche Presse-Agentur
(dpa), der deutschsprachige Dienst von Agence France Presse (AFP), die Austria Presse
Agentur (APA), die Schweizerische Depeschenagentur (sda) u.a., haben vereinbart, die Recht-
schreibreform in einem Schritt am 1. August 1998 umzusetzen. Es kann somit erwartet
werden, daß auch die meisten Print-Medien zu diesem Zeitpunkt umstellen werden, und
deshalb die Schülerinnen und Schüler ab 1. August 1998 auch außerhalb der Schule, z.B. im
Bereich der Print-Medien, doch zum größten Teil die neue Rechtschreibung vorfinden werden.