2487/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben
an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Auswirkung der Rechtschreibreform auf
das Urheberrecht, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
„1. Wie wirkt sich die Rechtschreibreform innerhalb des bestehenden Urheberrechts
auf die Rechte von UrheberInnen im Schul- und Lehrbuchbereich aus? Insbe-
sondere: Sind Änderungen nach den Regeln der Rechtschreibreform auch ge-
gen den Willen von AutorInnen und Rechtsnachfolgerlnnen in Schul- und Lehr-
büchern auf der Grundlage des derzeit bestehenden Urheberrechtsgesetzes zu-
lässig?
2. Dürfen literarische Texte von Schriftstellern, die in Schulbüchern verwendet wer-
den, in der neuen Rechtschreibung abgedruckt werden, obwohl diese Texte in
der alten verfaßt wurden und die Autorinnen Wert darauf legen, daß sie in der al-
ten Rechtschreibung abgedruckt werden? Dürfen also literarische Texte gegen
den erklärten Willen der AutorInnen in einer anderen Rechtschreibung erschei-
nen?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Das Urheberrechtsgesetz räumt dem Urheber nicht nur Verwertungsrechte ein, son-
dern schützt auch seine geistigen Interessen am Werk (Urheberpersönlichkeits-
recht). Zu den einschlägigen Bestimmungen gehört aber auch der in § 21 UrhG ge-
regelte Werkschutz. Nach dieser Bestimmung darf auch derjenige, der zur Verviel-
fältigung und Verbreitung des Werks berechtigt ist (in der Regel ist dies der Verle-
ger), an dem Werk keine Änderungen vornehmen, soweit nicht der Urheber einwil-
ligt oder das Gesetz die Änderung zuläßt. § 21 UrhG selbst läßt solche Änderungen
ohne Einwilligung des Urhebers zu, die der Urheber dem zur Benutzung des Werkes
Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräu-
chen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den
Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden.
Ohne der Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte vorzugreifen, die diese Vor-
aussetzung im Einzelfall zu beurteilen haben werden, ist das Bundesministerium für
Justiz der Auffassung, daß die Anpassung von Werken der Literatur an die geänder-
ten Regeln der Rechtschreibung nach § 21 UrhG im allgemeinen zulässig sein wird.
Für den „redaktionellen Teil1‘ von Schul- und Lehrbüchern scheint mir dies auf der
Hand zu liegen. Schwieriger ist die Frage für literarische Texte zu beantworten, die
in Schulbüchern abgedruckt werden. Eine Änderung ist zweifellos dort nicht zuläs-
sig, wo das Werk schon in Abweichung von den geltenden Regeln der Rechtschrei-
bung geschaffen wurde, diese Abweichung also ein Mittel des literarischen Aus-
drucks ist; hier kommen etwa die ausschließliche Verwendung der Kleinschreibung,
mundartliche Schreibweise oder experimentelle Sprachformen in Frage. Ist ein Werk
jedoch ohne solche Besonderheiten, also den derzeit geltenden Regeln der Recht-
schreibung entsprechend, verfaßt worden, dann wird sich der Urheber ohne das
Hinzutreten besonderer Gründe nicht gegen eine nachträgliche Anpassung an die
Regeln der Rechtschreibreform wehren
können. Ob allenfalls solche besonderen
Gründe, die unzulässig Änderung ünzulässig machen, vorliegen, wird nach den Umständen
des Einzelfalls zu beurteilen sein.