2505/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2599/J-NR/97 betreffend „Buchgeschenk“ der

Bundeslehranstalt für Reproduktions- und Drucktechnik‘ die die Abgeordneten Primaria

Dr. Elisabeth Pittermann-Höcker und GenossInnen am 12. Juni 1997 an mich richteten, wird

wie folgt beantwortet:

1. Wie beurteilen Sie die Passage auf Seite 34, mit folgendem Wortlaut:

„Leidenschaftlicher Haß aller durch den Nationalsozialismus geschädigten Personen

(mit rühmlicher Ausnahme einiger weniger, wie etwa des Philosophen Viktor E.

Frankl) ist ein Grund für die Unmöglichkeit eine objektive Diskussion über die

Geschehnisse der Zeit zwischen 1938-1945 zu führen.“

a. Dürfen die Geschädigten nicht hassen?

Wenn nein, warum nicht?

b. Da es rühmliche Ausnahmen gibt, ist die Mehrheit dadurch abgewertet?

Wenn nein, warum nicht?

c. Sind Sie auch der Meinung, daß es keine objektive Diskussion gibt?

Wenn ja, warum?

2. Finden Sie, daß folgende Textstellen, S.44-45, einer objektiven Information von

Schülern dient?

„Da die nunmehrige Fachgruppe in der Folge auch die Arisierung bzw. die

Abwicklung der stillzulegenden jüdischen Druckereien zu besorgen hatte, kam

Wisloschill in die mißliche Lage, (sic!) gegen manche jüdische Personen vorgehen zu

müssen, mit denen er früher freundschaftlich zusammengearbeitet hatte.

Dr. Wisloschill starb am 26. Mai 1945 - zu seinem Glück, sonst wäre vielleicht auch er

politischer Verfolgung wegen Unterstützung der Nationalsozialisten ausgesetzt

gewesen.“

a. Meinen Sie nicht, daß diese Aussage auf Befehlsnotstand hinweisen soll?

Wenn nein, warum nicht?

b. Sind Sie der Meinung, daß es sich nach dem Krieg um „politische Verfolgung“

gehandelt hat?

Wenn ja, wie begründen Sie das?

3. Was impliziert für Sie folgende Aussage?

Die meisten der großen und mittleren Unternehmer hatten sich beizeiten ins Ausland

abgesetzt, falls sie die Zeichen der Zeit richtig zu lesen verstanden. Der Bericht-

erstatter hat aber persönlich Juden gekannt, die noch 1938 ernstlich glaubten, sich

durch Bekenntnis zum deutschen Volkstum mit dem Nationalsozialismus arrangieren

zu können - und der damals hochbetagte Sigmund Rosenbaum weigerte sich zunächst

hartnäckig, zu emigrieren, da er überzeugt war, die Lage würde sich beruhigen und

der Antisemitismus allmählich abklingen. So blieben die Inhaber vieler mittlerer und

kleiner Offizinen nach ihrer Enteignung im Land. Nur mit Mühe und Dank ihres

treuen Zusammenhaltens konnten sie ihr Leben notdürftig fristen, indem sie etwa

vorsorglich vergrabene Wertgegenstände unter der Hand verkauften oder heimlich

irgendwo arbeiteten.

a. Finden Sie nicht, daß mit diesen Äußerungen alte antisemitische Klischees

weitervermittelt werden?

Wenn nein, warum?

4. Wie interpretieren Sie folgende Textstelle, dieses Anerkennungsgeschenkes an

erfolgreiche SchülerInnen?

Im übrigen zogen auch die Österreicher aus dem „deutschen Abenteuer“ keineswegs

nur Gewinn. Vergessen wir über allen Schuld-und-Sühne Problemen gegenüber den

65 000 in jenen Jahren umgekommenen österreichischen Juden nicht die Leiden und

Opfer der etwa 440 000 in Fronteinsatz, Bombenkrieg, Kriegsgefangenschaft und

Kerkern getöteten übrigen Österreicher; ihr Schicksalsweg war genauso unfreiwillig

wie jener der Juden.

Ganz zu schweigen von den Lasten, die Österreich nach 1945 auferlegt wurden:

Plünderungen, Demontage von Anlagen und Maschinen unter dem Titel Deutsches

Eigentum, Ausbeutung der heimischen Bodenschätze durch die Besatzer und nicht

zuletzt die etwa 5 Milliarden Schilling, die das ausgeblutete Österreich an sogenannte

Besatzungskosten gezahlt hat. Nur alttestamentarische Rachsucht könnte noch mehr

verlangen.

a. Finden Sie nicht, daß man durch das Gegenüberstellen von Zahlen, die Größe der

Verbrechen schmälern will?

Wenn nein, wie begründen Sie das?

b. Ist Ihrer Meinung nach der Genocid mit Kriegsfolgen gleichzusetzen?

Wenn ja, warum9

c. Handelte es sich um Besatzer oder um Befreier vom Naziterror?

d. Welchen Menschen soll alttestamentarische Rachsucht unterstellt werden?

5. Finden Sie nicht, daß unter dem Deckmäntelchen von vordergründig politisch

korrekter Wiedergabe einiger Geschehnisse der Zeit zwischen 1938 u. 1945 durch eine

sehr geschickte Wortwahl antisemitische Vorurteile und Emotionen verfestigt und

geschürt werden, sowie eine Verharmlosung der NS-Verbrechen angestrebt wird?

6. Werden Sie Frau Bundesministerin nach Kenntnis der vorzeitigen Passagen die

weitere Verteilung dieses Buches verhindern?

Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Aus dem Fachbuch“ 500 Jahre Druck in Österreich die Entwicklungsgeschichte der

graphischen Gewerbe von den Anfängen bis zur Gegenwart, Band III“, werden Passagen

zitiert, in denen die Anfragenden eine Verniedlichung der Verbrechen des Nationalsozialismus

und Äußerungen im Sinne alter antisemitischer Klischees sehen.

Dazu ist zu bemerken, daß das Buch von Anton Durstmüller, „500 Jahre Druck in Österreich“,

Verlag Hauptverband der graphischen Unternehmungen Österreichs 1988 von der Innung für

das Graphische Gewerbe den Reifeprüfüngsabsolventen, die mit Auszeichung abschließen, als

Geschenk übergeben wird.

Das Buch gilt im Graphischen Gewerbe bei mehreren Anlässen als beliebtes Geschenk und hat

vor allem die technisch—gewerbliche Entwicklung eben dieses Gewerbes zum Inhalt. Es gilt in

diesem Bereich als Standardwerk mit einer historischen Einführung.

Das Buch erfüllt keinerlei Funktion als Schulbuch, wurde daher in keiner Weise begutachtet,

und ist bezüglich seiner inhaltlichen Würdigung in keiner Weise dem Bundesministerium für

Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zugänglich. Daß Passagen aus diesem Buch, wie die

zitierten in keiner Weise inhaltliche Zustimmung der Unterrichtsverwaltung finden — was wohl

in vieler Hinsicht und durch viele Aktivitäten hinlänglich unter Beweis gestellt wurde — ändert

nichts an dem Umstand, daß eine inhaltliche Begutachtung nicht möglich war.

Es handelt sich um ein Geschenk, das von der zukünftigen Berufsorganisation, mit der die

Graphische Lehr- und Versuchsanstalt als Unikatschule in diesem Bereich natürlich Kontakt

hat, an die zukünftigen Arbeitnehmer ausgegeben wird.

Als Schulbehörde 1. Instanz wird seitens des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle

Angelegenheiten getrachtet, die Weitergabe und Verbreitung dieses Buches aus Anlaß des

Reifeprüfüngsabschlusses ab sofort zu unterbinden.