2514/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.2497/J-NR/1997, betreffend Bahnpolitik, Ein-

stellung von Nebenbahnen und kleinen Güterbahnhöfen, die die Abgeordneten Anschober,

Freundinnen und Freunde am 28. Mai 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt

zu beantworten:

Vorweg möchte ich festhalten, daß die von Ihnen gestellten Fragen, betreffend allfällige

Anträge der ÖBB auf Betriebsstillegungen im Personen- bzw. Güterverkehr ausschließlich in

den selbständigen Entscheidungsbereich des Unternehmens ÖBB fallen. Mein Ressort ist

jedoch als Oberste Eisenbahnbehörde mit Einstellungsanträgen zu befassen, die dann aufgrund

des Eisenbahngesetzes zu prüfen sind, wobei die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Weiter-

führung des Betriebes durchaus einen Einstellungsgrund darstellen kann.

Ich habe daher Ihre Anfrage den Österreichischen Bundesbahnen vorgelegt, die auch eine

Stellungnahme abgegeben haben. Der besseren Übersichtlichkeit halber wurde die Stellung-

nahme der ÖBB ausnahmsweise in die Ressortstellungnahme eingearbeitet.

1. und 2.

Wie beurteilen sie grundsätzlich den verkehrspolitischen Stellenwert bzw. Sinn

von Neben- bzw. Regionalbahnen?

Teilen Sie den Grundsatz, daß die Bahn auch in ländlichen Regionen das Rück-

grad des öffentlichen Verkehrs sein sollte?

Antwort:

Der verkehrspolitische Stellenwert der Regionalbahnen wird seitens des Bundes als hoch

erachtet, was dadurch zum Ausdruck kommt, daß der Bund aufgrund des Bundesbahngesetzes

1992 zur Gänze die Kosten der Infrastruktur auch dieser Strecken trägt.

Dies wird unter anderem seitens meines Ressorts schon allein dadurch dokumentiert, daß für

den Regionalverkehr mehr als 5 Mrd. S aus dem ÖKOBONUS und für den Erhalt und Ausbau

der regionalen Schieneninfrastruktur Milliardenbeträge des Bundes zur Verfügung gestellt

werden.

Grundsätzlich muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß es gemäß EU-Verordnung

1169/91 in der Fassung 1893191 im Regional- und Nahverkehr Aufgabe der betreffenden

Regionen (Länder) ist, u.a. unter Berücksichtigung landesplanerischer Faktoren eine aus-

reichende Verkehrsbedienung sicherzustellen und mit den betreffenden Verkehrsunternehmen

Verkehrsdiensteverträge abzuschließen, in welchen die Finanzierung des betriebswirtschaftli-

chen Fehlbetrages durch das Land und/oder die jeweils betroffene(n) Gemeinde(n) festgelegt

wird.

Das Bundesbahngesetz 1992 bildet in diesem Zusammenhang lediglich eine „Spezialnorm“ für

den Fall einer Bestellung von Verkehrsdiensten auf der Schiene durch den Bund.

Dessen ungeachtet ist die Vorhaltung einer Eisenbahninfrastruktur nur dann und insoweit

gerechtfertigt, als auf dieser Infrastruktur auch tatsächlich ein Eisenbahnverkehr stattfindet. Ob

und in welchem Ausmaß der Absatzbereich der ÖBB die von der Republik zur Verfügung

gestellte und finanzierte Infrastruktur in Anspruch nimmt, fällt in dessen wirtschaftliche

Eigenverantwortung.

Die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Betriebsführung auch auf schwach ausgelasteten

Regionalstrecken wird seitens des Bundes dadurch erleichtert, daß dem Absatzbereich der ÖBB

über das zu entrichtende Infrastruktur-Benützungsentgelt nur rund 10 % der tatsächlichen

Kosten der Infrastruktur verrechnet werden. Wenn trotz dieser geringen Kostenbeteiligung des

Absatzbereiches von diesem kein wirtschaftlich zu rechtfertigender Verkehr geführt werden

kann, hat der Infrastrukturbereich der ÖBB die Möglichkeit, eine Einstellung der betreffenden

Bahnstrecke für den Güter-, Personen- oder Gesamtverkehr nach dem Eisenbahngesetz zu

beantragen.

Trotz der unbestrittenen Vorzüge der Schiene kann es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand

sein, die Infrastruktur auf absolut nicht nachgefragten Strecken in ländlichen Regionen um

jeden Preis aufrechtzuerhalten, da auch die verkehrspolitisch gewünschte Entlastung des

Straßennetzes nur dann erreicht wird, wenn auf einer vorgehaltenen Eisenbahninfrastruktur

auch tatsächlich Nachfrage nach Schienenverkehrsleistungen besteht.

3. Teilen Sie die Auffassung, daß im Sinne einer gemeinwirtschaftlichen Dienstlei-

stungsaufgabe die Bahn auch in ländlichen Regionen zu verpflichten (und natür-

lich auch zu entgelten) ist, ein Mindestmaß an öffentlicher Mobilität zu gewähr-

leisten?

Antwort:

Die Bahn kann nicht dazu verpflichtet werden, Verkehr & Leistungen anzubieten, denen keine

Nachfrage gegenübersteht. Es ist nicht erkennbar, welchen verkehrspoltischen Sinn er haben

sollte, wenn leere Personenzüge und Güterzüge ohne Fracht aufgrund gemeinwirtschaftlicher

Leistungsverträge geführt wurden. Ein de facto auf der Schiene derzeit nicht befördertes

Verkehrssubstrat kann auch nicht auf die Straße abwandern. Daher ist die auf den tatsächlichen

Beförderungsfall abstellende Stützungspraxis des Verkehrsressorts in Form von Tarifsubventio-

nen für tatsächlich beförderte Fahrgäste und Gütervolumina als sinnvoller anzusehen als die

aufkommensunabhängige Bestellung von Verkehren.

4 Auf welchen Bahnstrecken wurde seit 1945 der Personen- bzw. Güterverkehr

eingestellt (Jahr, Länge in km, Normal- oder Schmalspur)?

Antwort

Zu dieser Frage darf auf die Beilage der ÖBB verwiesen werden.

5., und 6.

Auf welchen Bahnstrecken steht aktuell eine Einstellung des Personen- bzw.

Güterverkehrs zur Diskussion?

Wie hoch ist der jährliche bauliche Erhaltungsaufwand dieser Strecken? Bitte

schlüsseln sie die Zahlen für jede Strecke auf.)

Antwort.

Verfahrensstand Einstellung von Nebenbahnen:

Auf Antrag der ÖBB vom 31. Jänner 1995 wurde mit Bescheiden des Bundesministeriums für

Wissenschaft und Verkehr, Verwaltungsbereich Verkehr, vom 21. Mai 1997 die dauernde

Einstellung des Personenverkehrs auf folgenden ÖBB-Strecken bewilligt:

- Wittmannsdorf- Wöllersdorf (Teil der Strecke Wittmannsdorf- Gutenstein)

- St. Paul - Lavamünd

- Klein St. Paul - Launsdoff7Hochosterwitz

- Lambach - Gmunden Seebahnhof

- Rohr - Bad Hall

Bezüglich der beantragten Strecken Siebenbrunn- Leopoldsdorf - Engelhartsstätten und Pirawarth

- Gaweinstal Brünnerstraße (Teil der Strecke Gänserndorf - Gaweinstal Brünnerstraße) haben

die ÖBB den Einstellungsantrag (im Hinblick auf den Abschluß eines Verkehrsdienstevertrages

mit NÖ) zurückgezogen.

Bezüglich der beantragten Strecken Eisenerz - Hieflau und Mürzzuschlag - Neuberg ist das

Verfahren noch nicht abgeschlossen. Es bestehen Verhandlungen über einen Verkehrsdienste-

vertrag der ÖBB mit der Steiermark. Das Land Steiermark hat bis jetzt noch keine letztendliche

Aussage hinsichtlich der Einstellungen getroffen.

Aufgrund der Weiterführung des Güterverkehrs auf den Strecken Mürzzuschlag - Neuberg und

Eisenerz - Hieflau sind Änderungen des baulichen Erhaltungsaufwandes nur marginal bzw.

wird lediglich eine zeitliche Verschiebung von Gleiserneuerungsarbeiten bewirkt.

7.     Wie hoch ist der a) jährliche Betriebsabgang (Mio öS) und b)

 Kostendeckungs-

grad (%) auf diesen Strecken im Bereich Güterverkehr und Personenverkehr?

Antwort.

Laut ÖBB handelt es sich in gegenständlicher Frage um betriebsinterne Daten des Unter-

nehmens. Eine Veröffentlichung ist daher verständlicherweise nicht möglich.

8. Welche Maßnahmen zur Attraktivititssteigerung (Beschleunigung, Intervall-

verdichtung, bessere Anbindungen, evtl. Neutrassierungen) müßten gesetzt wer-

den, um im Personen- bzw. Güterverkehr die Akzeptanz zu steigern? Wurden

dazu entsprechende Untersuchungen durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?

Antwort..

Die Möglichkeiten von Attraktivitätssteigerungen auf den im Personenverkehr in den letzten

Jahren eingestellten sowie auf den beiden von laufenden Einstellungsverfahren betroffenen

Strecken wurden ausgeschöpft. Auf allen betroffenen dieselbetriebenen Nebenbahnen wurden

bis zur Einstellung modernste Fahrzeuge der Reihe 5047 eingesetzt und in vielen Fällen wurden

versuchsweise wesentlich verdichtete Fahrpläne angeboten. Es war seitens der ÖBB oder des

Verkehrsressorts jedoch nicht möglich, ungünstige Rahmenbedingungen wie regional rück-

läufige Bevölkerungszahl en, steigende Motorisierung oder siedlungsferne Streckentrassierung

zu verändern.

9. und 10.

Ist von Ihnen beabsichtigt oder für Sie vorstellbar, Leistungsauftrage für den

Personen- und Güterverkehr auf Nebenbahnen bzw. von der Einstellung be-

drohten Strecken nicht den ÖBB sondern künftig verstärkt privaten Betreibern

zu erteilen?

Erscheint es Ihnen zweckmäßig, Nebenbahnen in Zukunft grundsätzlich vorwie-

gend von privaten Betreibern, die, wie das Beispiel Schweiz zeigt, wirtschaftlich

sehr effizient arbeiten können, betreiben zu lassen? Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Für alle Nebenbahnen, auf denen die ÖBB den Personen- und/oder Güterverkehr eingestellt

haben oder allenfalls auch künftig noch einstellen werden, ist seitens meines Ressorts be-

absichtigt, private Betreiber für den Personen- und/oder Güterverkehr zu suchen. Zu diesem

Zweck sollen die betreffenden Strecken ausgeschrieben werden, wobei ein allfälliger privater

Interessent von allen für Privatbahnen vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten nach dem

Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 Gebrauch machen könnte. Die darin vorgesehenen

Förderungen beziehen sich sowohl auf den Investitions- wie auf den Betriebsbereich (Tarif-

subventionen).

11. Die derzeitige Schmalspurstrecke Wieselburg-Gresten wird auf Normalspur

umgespurt. Wie hoch sind die Kosten und wie ‚lange ist die Strecke? Welches

Güterverkehrsaufkommen wird a) erwartet und ist b) notwendig, um eine solche

Maßnahme als wirtschaftlich darstellen zu können?

Antwort:

Von den Investitionskosten der Umspurung der Strecke Wieselburg a.d. Erlauf- Gresten von rd.

250 Mio ÖS übernimmt das Land NÖ einen Pauschalkostenbeitrag in Höhe von 30 Mio ÖS. Die

restlichen (überwiegenden) Investitionskosten werden vom Bund im Rahmen der

5chjeneninfrastruktuffinanzienmgs-Gesellschaft getragen.

12. und 13.

Welche der bestehenden Sschmalspurbahnen wurden für Normalspur trassiert

und könnten ohne größere Neutrassierungen auf Normalspur umgespurt wer-

den?

Wie hoch wären für diese Strecken die jeweilen Kosten einer Umspurung? Wie

hoch ist das Güter- bzw. Personenverkehrsaufkommen auf diesen Strecken?

Und wie groß müßte das Aufkommen sein, um die Umspurung wirtschaftlich

vertreten zu können?

Weiche Verkehrssteigerung könnte von einer Umspurung erwartet werden?

Antwort:

Wie mir die ÖBB mitteilen, keine. Die Trassierung aller bestehenden Schmalspurbahnen

erfolgte insbesondere aus topographischen bzw. finanziellen Gründen.

14. Bei welcher Schmalspurbahn steht derzeit eine Umspurung zur Diskussion?

Antwort:

Laut ÖBB wird derzeit nur die Schmalspurstrecke Wieselburg a.d. Erlauf - Gresten umgespurt

Weitere Umspurungen stehen derzeit nicht zur Diskussion.

15. Wie hoch wären die jeweiligen Kosten einer Umspurung für jene Schmalspur-

bahnen, die ursprünglich nicht für Normalspur trassiert wurden?

Antwort:

Seitens ÖBB ist eine konkrete Aussage nicht möglich, da die Kosten vom jeweiligen Strecken

verlauf abhängig sind.

16., 17, 18. und 19.

Nachdem die Zahl der Güterbahnhöfe lt. ÖBB von ursprünglich 516 auf inzwi-

schen knapp 300 gesunken ist, wird nun die Schließung weiterer 120 Güter-

bahnhöfe evaluiert.

Wie hat sich die Zahl der Güterbahnhöfe seit 1945 entwickelt? (‚n welchen Jah-

ren wurden wieviele Bahnhöfe mit welchem Güterverkehrsaufkommen geschlos-

sen?)

Die Schließung welcher 120 Güterbahnhöfe steht aktuell zur Diskussion? Wie

hoch ist das a) jeweilige und b) gesamte Güterverkehrsaufkommen dieser Bahn-

höfe?

Welche Kosteneinsparung wäre seitens der ÖBB mit der Schließung dieser Gü-

terbahnhöfe verbunden?

Mit welchem zusätzlichen Güterverkehrsaufkommen (Tonnen kilometer) auf der

Straße müßte durch diese Maßnahme gerechnet werden?

Antwort

Die Frage der Zahl der notwendigen Güterbahnhöfe ist nur im Rahmen und aufgrund der

Geschäftsstrategie des ÖBB-Güterverkehrs zu beantworten. Wie mir die ÖBB mitteilen, stehen

mit Stand Ende 1996 im Bereich der ÖBB 695 Abfertigungsstellen für den Güterverkehr zur

Verfügung. Daten über die seit dem Jahr 1945 geschlossenen Güterbahnhöfe liegen nicht vor.

Generell stehen von den ÖBB nur jene Güterabfertigungsstellen zur Disposition, die nicht

wirtschaftlich zu betreiben sind. In jedem Einzelfall werden Maßnahmen getroffen, um eine

möglichst uneingeschränkte Verlagerung des bestehenden Transportsubstrats in geeignete

Nachbarbahnhöfe sicherzustellen. Nennenswerte Verlagerungseffekte auf die Straße sind daher

auszuschließen. Derzeit sind entsprechende wirtschafilichkeitsuntersuchungen im Gang. Vor

deren Abschluß sind Aussagen über die weitere Vorgangsweise naturgemäß nicht möglich.