2521/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat ANSCHOBER, Freundinnen und Freunde
haben am 10. Juni 1997 unter der Nr. 2561/J an den Bundesminister für Inneres
eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „staatliche Fluchthilfe für
Staatsterroristen“ gerichtet, die folgenden Wortlaut hat
1. Wann genau kam es im Jahr 1989 in dieser Causa zu Kontaktaufnahmen mit
anderen Ressorts?
Welche konkreten Aktenvermerke mit welchem konkreten Wortlaut liegen
dazu vor?
2. Am 05.12.1989 wurde der damalige Innenminister Löschnak vom damali-
gen Generalsekretär des Außenamtes, Klestil, kontaktiert. Wie lautet der ent-
sprechende Aktenvermerk über dieses Gespräch im Wortlaut?
3. Auf wessen Anweisung und aufgrund welcher Argumente erfolgte die
zweimalige Reduktion der Bewachung der
iranischen Botschaft? Wer er-
teilte dazu die Weisung? Geschahen diese Schritte auf direkte Anweisung
des damaligen Innenministers?
4. Wie lauten dazu die entsprechenden Aktenvermerke im Wortlaut?
5. Wann wurde das Innenministerium vom Fax der iranischen Botschaft in
Den Haag, wonach sich Bozorgian Anfang Dezember 1989 noch in der Bot-
schaft aufhielt, informiert? Welche Konsequenzen wurden aus dieser Infor-
mation gezogen?
6. Welche Aktenvermerke existieren im Innenministerium über die Interven-
tionen des Außenministeriums bzgl. der strengen Bewachung der iranischen
Botschaft in welchem konkreten Wortlaut?
7. Welche konkreten Anweisungen/Weisungen des damaligen Innenministers
erfolgten in dieser Causa im Jahr 1989 mit welchem konkreten Wortlaut?
8. Im August 1989 erhielt das Bundeskanzleramt ein Dossier über die Kur-
denmörder von Wien, über die Organisation des iranischen Staatsterrorismus
und über die ensprechende Firmenstruktur in Österreich Wann wurde dem
Innenministerium dieses Dossier übermittelt?
9. Wann wurden die Angaben des Dossiers überprüft? Wer führte diese Über-
prüfungen durch? Welches konkrete Ergebnis ergaben diese Überprüfungen?
10. Welche konkreten Ergebnisse liegen im Innenministerium über die Struktur
des iranischen Staatsterrorismus von österreichischem Boden aus vor?
11. Welche Informationen liegen dem Innenministerium bzgl. des Mordes an
Hamid Reza Chitgar vor?
12. Wann wurde der Ermordete aufgefunden? Welche Indizien auf eine irani-
sche Täterschaft liegen vor? Welche sonstigen Indizien liegen vor?
13. Wie lautet der abschließende Polizeibericht in dieser Causa?
14. Welche Informationen liegen im Innenministerium über die Entscheidung
des damaligen Innenministers Löschnak vor, nicht die EBT, die den richti-
gen Tatverdacht bereits kurz nach dem Attentat formuliert hatte, mit der
Leitung der Ermittlungen in Sachen Kurdenmorde zu beauftragen, sondern
die Wiener Staatspolizei?
15. Wann genau erfolgte die entsprechende Weisung des damaligen Innenmini-
sters?
16. Welche Informationen liegen im Innenministerium über eine Intervention
des damaligen Vizebürgermeisters von Wien, Mayr, in dieser Phase vor?
17. Besitzt das Innenministerium Informationen über eine Intervention eines
Journalisten in dieser Phase zugunsten des Irans? Wenn ja, wie lautet der
entsprechende Aktenvermerk im Wortlaut?
18. Welche Kontakte des Innenministeriums erfolgten im Jahr 1989 in der Cau-
sa Kurdenmorde mit dem damaligen Generalsekretär des Außenamtes, Kle-
stil? Welche Aktenvermerke mit welchem konkreten Wortinhalt liegen dazu
vor?
19. Welche Verdachtsmomente lagen im Innenministerium über die Anwesen-
heit auch des dritten Täters, Ajvadi, in der iranischen Botschaft vor?
20. Welche Informationen liegen im Innenministerium, insbesondere in der
EBT, über die Fluchtart und den Fluchtzeitpunkt jeweils von Bozorgian so-
wie Ajvadi vor? Welche Aktenvermerke mit welchem konkreten Wortlaut
existieren dazu?
21. Wann genau, mit welchen Teilnehmern und welchem Inhalt bestanden im
Jahr 1989 in dieser Causa Kontakte zum Außenministerium sowie zum
Wirtschaftsministerium? Welche konkreten Aktenvermerke mit welchem
konkreten Wortlaut liegen dazu vor?
22. Welche konkrete Auswirkung hatte die erste Weisung von GD Danzinger
auf schonende Personenkontrollen an der iranischen Botschaft? Welche
konkreten Auswirkungen hatte diese Weisung? Existiert ein Aktenvermerk
über diese Weisung und die Form einer schonenden Personenkontrolle?
Wenn ja, wie lautet sein Wortlaut?
23. Hochrangige Beamte des Außenministeriums führten einen Lokalaugen-
schein über die Bewachung der iranischen Botschaft durch. Wie lautet der
entsprechende Aktenvermerk des Innenressorts im Wortlaut?
24. Wann und von wem wurde seitens des Außenministeriums bzgl. der Bewa-
chung der Botschaft mit dem Innenministerium Kontakt aufgenommen? Wie
lauten die entsprechenden Aktenvermerke im
Wortlaut?
25. Wann und von wem wurde seitens der Justiz in der gesamten Causa 1989
mit dem Innenministerium Kontakt aufgenommen? Wie lauten die entspre-
chenden Aktenvermerke im Wortlaut?
26. Welche Informationen besitzt das Innenressort derzeit über die Organisati-
onsstruktur des iranischen Staatsterrorismus in Europa und die Rolle, die
Österreich dabei einnimmt?
27. Wann kam es zwischen 13. und 16. Juli 1989 zu Kontakten aus anderen
Ressorts mit MR Schulz?
28. Welche Informationen besitzt das Innenressort über die Beweggründe für
die Interventionen von Schulz gegen die Haftbefehle gegen die Iraner?
29. Wieviele Interventionen von Schulz sind bei der Justiz erfolgt? Wie lauten
die entsprechenden Aktenvermerke im Wortlaut?
30. Existieren Hinweise über eine nachrichtrndienstliche Tätigkeit einer in die
Causa involvierte Person für ein anderes Land? Wenn ja, gegen wen und seit
wann?
31. Wann hat das Innenressort vom Ersttreffen zwischen Kurdenvertretern im
Iran zu Jahresende 1988 bzw. Jahresbeginn 1989 erfahren? Auf welchem
Weg erfolgte diese Information? Wie lauten die entsprechenden Aktenver-
merke im Wortlaut?
32. Wann hat das Innenressort von der neuerlichen Gesprächsrunde Mitte Juli
1989 erfahren? Auf welchem Weg erfolgte diese Information? Wie lauten
die entsprechenden Aktenvermerke im Wortlaut?
33. Kam es zu einer Kontaktaufnahme von kurdischer Seite mit dem Innenres-
sort vor dem Attentat? Wenn ja, wie lauten die entsprechenden Aktenver-
merke im Wortlaut?
34. Kam es zu einem Gesprächswunsch von Ghassemlou mit dem damaligen
Innenminister? Wenn ja, wie lauten die entsprechenden Aktenvermerke im
Wortlaut?
35. Existieren im Innenressort Hinweise bzw. Informationen darüber, ob in ei-
nem Bereich des Innenressorts bzw. der Stapo-Wien Informationen über das
Verhandlungsgespräch vorlagen? Wenn ja,
welche konkreten Absprachen
lagen mit den Delegationen vor? Welche konkreten Schutzvorkehrungen
wurden getroffen
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Vorerst weise ich als nunmehr für den Bereich des Innenressorts verantwortli-
cher Bundesminister die im Titel und in der Einleitung der Anfrage enthaltenen
Anschuldigungen gegen österreichische staatliche Organe und die dabei ver-
wendete Terminologie auf das schärfste zurück.
Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen1,18,21,24 und 25:
Im Fall Kurdenmorde haben zwangsläufig zahlreiche mündliche und schriftliche
Kontakte zwischen Vertretern der berührten Ressorts Bundesministerium für
Inneres, für Justiz und für auswärtige Angelegenheiten stattgefunden. Die we-
sentlichen Kontakte sind aus dem vom Bundesminister für Justiz veröffentlich-
ten Bericht über die Kurdenmorde, beinhaltend die Einzelberichte der drei ge-
nannten Ressorts samt Beilagen, sowie aus den Anfragebeantwortungen zu ver-
schiedenen Anfragen betreffend diesen Fall zu ersehen. Ich verweise daher auf
diese Unterlagen. Soweit im Bundesministerium für Inneres darüber hinaus noch
in dieser Hinsicht relevant erscheinende Aktenvermerke des Ressorts festgestellt
werden konnten, sind sie in Kopie als Beilage angeschlossen. Kontakte zwi-
schen dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für wirt-
schaftliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Kurdenmorden sind in
meinem Ressort nicht evident
Zu Frage 2:
Meines Wissens liegt darüber im Bundesministerium für Inneres kein Akten-
vermerk auf
Zu den Fragen 3 und 4:
Ich verweise diesbezüglich auf die beigeschlossene Aktennotiz des damaligen
Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit vom 5.12.1989 und auf die Ant-
wort zur Frage 1 der Anfrage Nr. 2294/J v. 16.4.1997.
Zu Frage 5:
Eine Kopie des Fernschreibens der österreichischen Botschaft in Den Haag vom
11.12.1989 wurde noch am selben Tag vom Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten dem Bundesministerium für Inneres übermittelt. Der Inhalt des
Fernschreibens untermauerte den damaligen Informationsstand der Sicherheits-
behörden.
Zu Frage 6:
Meines Wissens existieren im Bundesministerium für Inneres keine Aktenver-
merke über diesbezügliche "Interventionen“ des Bundesministeriums für aus-
wärtige Angelegenheiten.
Zu Frage 7:
In den Aktenunterlagen des Bundesministeriums für Inneres befinden sich keine
Hinweise über konkrete Anweisungen/Weisungen des damaligen Bundesmini-
sters für Inneres im Fall Kurdenmorde, abgesehen von einem unmittelbar nach
der Tat durch ihn erteilten Autrag zu einer bestimmten Verfolgungshandlung,
wegen dessen Nichtbeachtung seinerzeit eine disziplinäre Untersuchung einge-
leitet wurde.
Zu Frage 8:
Die diesbezüglichen Informationen sind dem Bundesministerium für Inneres im
August 1989 zugekommen.
Zu Frage 9:
Die Informationen wurden in die laufenden Überprüfungsmaßnahmen der Si-
cherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Kurdenmorden miteinbezogen.
Weitergehende Angaben kann ich aus Gründen der Verpflichtung zur Amtsver-
schwiegenheit nicht machen.
Zu Frage 10:
Darüber kann ich ebenfalls aus Gründen der Verpflichtung zur Amtsverschwie-
genheit keine näheren Angaben machen.
Zu den Fragen 11 bis 13:
Am 27.5.1987 erlangte das Bundesministerium für Inneres durch ein Fernschrei-
ben des österreichischen Generalkonsulates in Straßburg im Wege des Bundes-
ministeriums für auswärtige Angelegenheiten von der Abgängigkeit des in
Straßburg wohnhaften Iraners Hamid Reza CHITGAR in Osterreich Kenntnis.
Ein politischer Hintergrund sei nicht ausgeschlossen.
CHITGAR war ein politisch aktiver iranischer Oppositioneller und in Frankreich
als Konventionsflüchtling anerkannt. Er hatte Frankreich per PKW in Richtung
Deutschland verlassen, sollte am 19.5.1987 in Wien eine aus dem Iran anreisen-
de Person treffen und am 20.5.1987 wieder nach Straßburg zurückkehren. Da
CHITGAR ohne irgendeine Reaktion zum vereinbarten Zeitpunkt nicht heim-
kehrte, wurde in Frankreich Vermißtenanzeige erstattet.
Die Nachforschungen der sofort verständigten Bundespolizeidirektion Wien
nach dem Abgängigen verliefen vorerst erfolglos.
Am 12.7.1987 wurde die bereits verweste Leiche des CHITGAR in einer Woh-
nung in Wien 3. aufgefunden. Die Obduktion ergab, daß CHITGAR durch einen
Schuß in den Hinterkopf getötet wurde. Als Todeszeitpunkt wurde etwa Mitte
bis Ende Mai angenommen.
In der Folge fanden umfangreiche sicherheitsbehördliche Recherchen im Mord-
fall CHITGAR statt. Das gefahndete Fahrzeug des CHITGAR wurde am
20.7.1987 in Wien 4. aufgefunden. Die Ermittlungen nach Täter und Motiv blie-
ben letztlich ergebnislos.
Die Bundespolizeidirektion Wien erstattete am 20.7.1987 Anzeige an die Staats-
anwaltschaft Wien nach § 75 StGB wegen Verdachtes des Mordes durch unbe-
kannte Täter. Seither ergaben sich keine weiteren konkreten Anhaltspunkte, die
zur Aufklärung der Straftat führen hätten können.
Zu den Fragen14 bis16:
Nach der Aktenlage verfügte der damalige Leiter der Gruppe C, daß die Amts
handlung von der Bundespolizeidirektion Wien geführt wird und die EBT unter
stülzend mitwirkt. Weitere aktenkundige Informationen liegen im Bundesmini-
sterium für Inneres dazu nicht vor.
Zu Frage 17:
Nein
Zu Frage 19:
Dem Bundesministerium für Inneres lagen zu keinem Zeitpunkt gesicherte Er-
kenntnisse in dieser Hinsicht vor. Ein diesbezüglicher Zeugenhinweis konnte
nicht verifiziert werden.
Zu Frage 20:
Diesbezüglich liegen keine
verläßlichen Erkenntnisse vor.
Zu Frage 22:
Ich verweise auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4. Die eingesetzten Exeku-
tivorgane hatten die Personenkontrolle entsprechend der getroffenen Anordnung
durchzuführen.
Zu Frage 23:
Im Bundesministerium für Inneres bestehen darüber keine Aufzeichnungen.
Zu Frage 26:
Hiezu kann ich aus Gründen der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit keine
Angaben machen.
Zu Frage 27:
Allfällige solche Kontakte sind in den Aktenunterlagen des Bundesministeriums
für Inneres nicht dokumentiert.
Zu Frage 28:
Die Beweggründe hiefür sind anhand der Aktenlage des Bundesministeriums •r
Inneres nicht nachvollziehbar.
Zu Frage 29:
Diesbezüglich enthalten die Aktenunterlagen des Bundesministeriums für Inne-
res keine Hinweise.
Zu Frage 30:
Erste derartige Hinweise gab es gegen die drei nunmehr Tatverdächtigen bald
nach der Tat, die sich durch weitere Recherchen später verdichteten.
Zu den Fragen 31 und 32:
Nach den mir vorliegenden Informationen hat das Bundesministerium für Inne-
res von allen diesen Treffen erst nach der Tat im Zuge der Ermittlungen zu dem
Mordfall erfahren. Nähere Angaben hiezu kann ich aus Gründen der Verpflich-
tung zur Amtsverschwiegenheit nicht machen.
Zu den Fragen 33 und 34:
Ja. Es gab auch einen Terminwunsch von kurdischer Seite beim Herrn Bun-
desminister. Ein Gespräch zwischen dem Bundesminister und Ghassemlou kam
aber nicht zustande. Die Kontakte zwischen dem Innenministerium und der
kurdischen Seite fanden daher nur auf Beamtenebene statt. Aktenvermerke be-
stehen darüber keine.
ZuFrage35:
Ich verweise auf die Antwort zu den Fragen 31 und 32. Auch bei der Bundespo
lizeidirektion Wien lagen diesbezüglich keine Informationen vor.