2546/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Motter, Partnerinnen und Partner haben an mich

eine schriftliche Anfrage, betreffend Einrichtung von Vernehmungszimmern für Ver-

nehmungen nach den §§ 162a, 250 StPO, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

„1. In wie vielen Bundesländern gibt es kindgerechte Vernehmungsräume?

2. Wie sieht in Österreich im Regelfall ein kindgerechter Vernehmungsraum aus?

3. Welche Maßnahmen sind in den Bundesländern geplant, wo es bis jetzt noch

keine kindgerechten Vernehmungsräume gibt?

4. Sind Ihnen diese Forderungen der ARGE „Gegen Sexuelle Gewalt am Kind"

bekannt? Wann planen Sie diese Forderungen umzusetzen?

5. Ist geplant die Jugendgerichtsbarkeit an sämtlichen Oberlandesgerichten ähn-

lich wie in Wien zu organisieren?

6. Welche Maßnahmen sind geplant um zu gewährleisten, daß Staatsanwältin-

nen und RichterInnen für die Vernehmung von Kindern und Jugendlichen be-

sonders geschult werden bzw. die Schulungen oder Kurse weiter ausgebaut

werden?“

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Um die technischen Voraussetzungen für die Anwendung der mit dem Strafprozeß-

änderungsgesetz 1993, BGB. Nr.526, eingeführten Bestimmungen über kontradik-

torische „schonende Vernehmungen (§§ 152 Abs. 1 Z 3, 162a und 250 Abs. 3

StPO) zu schaffen, hat das Bundesministerium für Justiz im Herbst 1993 die Ge-

richtshöfe mit 40 mobilen und 17 fix montierten audio—visuellen Anlagen für Übertra-

gungen zwischen Verhandlungssälen und Vernehmungszimmern ausgestattet. Eine

darüber hinausgehende kindgerechte Gestaltung von Vernehmungszimmern ist bis-

her bei drei Gerichtshöfen, nämlich beim Jugendgerichtshof Wien, beim Landesge-

richt für Strafsachen Graz und beim Landesgericht Leoben, erfolgt.

Zu 2:

Der kindgerecht eingerichtete Vernehmungsraum des Jugendgerichtshofes Wien,

der als Modell angesehen werden kann, hat folgende Ausstattung:

- kindgerechte Möblierung bestehend aus einem Tisch, vier Sesseln, einem Re-

gal, einem Kasten und Bildern;

- Puppenhaus samt Puppenmöbeln („überdimensionales Sceno“) zur Tather-

gangsrekonstruktion;

- Sofa für „Kuschelecke“;

- vier anatomische Puppen (Mann, Frau, Bub, Mädchen);

- Stofftiere, Zeichenmaterial, Spielzeug, etc.;

- Beratungstisch mit zwei Sesseln;

- zwei Videokameras (eine fix montierte Kamera zur Erfassung des gesamten

Raumes und eine bewegliche Kamera für Nahaufnahmen des Kindes);

- zwei Mikrofone (ein Raummikrofon und ein Ansteckmikrofon);

- zwei Handsprechgeräte zur Gesprächsverbindung mit dem Verhandlungssaal;

- je zwei TV-Videokombinationen für den Verhandlungssaal und das Beratungs-

zimmer, sodaß die beiden Kameras im Vernehmungszimmer gleichzeitig akti-

viert und die Aufnahmen gespeichert werden können.

Zu 3:

Bei sämtlichen für Strafsachen zuständigen Gerichtshöfen werden schrittweise nach

Maßgabe der budgetären Mittel und nach Maßgabe der räumlichen Verhältnisse

kindgerecht gestattete Räume für „schonende“ Vernehmungen eingerichtet werden.

Zu 4:

Der Forderungskatalog der ARGE „Gegen sexuelle Gewalt am Kind“ ist dem Bun-

desministerium für Justiz im Februar 1997 zur Kenntnis gelangt. Bei der für kom-

menden Herbst anberaumten Tagung der für Einrichtungsangelegenheiten zuständi-

gen Sachbearbeiter der Oberlandesgerichte wird die kindgerechte Ausstattung von

Vernehmungsräumen eingehend behandelt werden. Die Umsetzung der bei dieser

Arbeitstagung festgelegten Maßnahmen wird ab dem Frühjahr 1998 erfolgen.

Zu 5:

Für die Bundeshauptstadt Wien besteht insofern eine Sonderregelung, als der Ju-

gendgerichtshof für sämtliche Strafsachen gegen Jugendliche, für Jugendschutzsa-

chen sowie für diejenigen Vormundschafts- und Pflegschaftssachen, in denen aus

einem bestimmten Anlaß eine Gefährdung der persönlichen Entwicklung von Min-

derjährigen zu besorgen ist, als erste Instanz zuständig ist. Soweit es sich bei die-

sen Zuständigkeiten um bezirksgerichtliche Agenden handelt, ist der Jugendge-

richtshof auch überdies als Rechtsmittelinstanz zuständig.

Trotz seiner örtlichen Zuständigkeit für das bevölkerungsreichste Bundesland Öster-

reichs und trotz seines weitgezogenen sachlichen Aufgabenbereiches ist der Ju-

gendgerichtshof Wien, bei dem 13 Richterplanstellen systemisiert sind, nach dem

Landesgericht Steyr der kleinste Gerichtshof Österreichs. Die Errichtung von eige-

nen Jugendgerichtshöfen in den anderen Bundesländern würde daher mit den Ver-

fassungsgeboten der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht im Einklang ste-

hen. Ich halte daher die in Graz und Linz ohnedies bestehenden Sonderregelungen

auf der bezirksgerichtlichen Ebene sowie die bundesweit geltenden Sonderbestim-

mungen über die Geschäftsverteilung in Jugendgerichtssachen sowie über die Be-

setzung der Geschworenenbank und des Schöffengerichtes in Jugendstrafsachen

für ausreichend und angemessen.

Das justizeigene Fortbildungsangebot für Richter und Staatsanwälte wird durch be-

sondere Schulungen für die Vernehmung von Kindern und Jugendlichen erweitert.

Ein erstes Seminar zu diesem Thema ist bereits festgelegt. Weitere Fortbildungsver-

anstaltungen zu diesem Thema und ähnlichen Themen sind vom Justizressort in

Aussicht genommen.

Darüber hinaus eröffnet das Bundesministerium für Justiz den Richtern und Staats-

anwälten durch die Gewährung von Sonderurlaub die Möglichkeit, an justizexternen

Fortbildungsveranstaltungen und Expertentagungen teilzunehmen. So haben 60

Richter und Staatsanwälte Ende Juni 1997 in Wien an der vielbeachteten Experten-

veranstaltung zum Thema ‚"Sexuelle Gewalt an Kindern“ teilgenommen. Diese Ta-

gung war schwerpunktmäßig der Zeugenrolle von Kindern# in Gerichtsverfahren ge-

widmet. Die hervorragenden Referate dieser Veranstaltung und die Diskussionsbei-

träge werden in einer eigenen Broschüre dokumentiert werden, die allen mit diesen

Fragen beauftragten Richtern und Staatsanwälten ausgefolgt werden wird.