2547/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Petrovic, Anschober, Freundinnen und Freunde
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Weitere Verbrechen an kurdi-
schen/iranischen Oppositionsellen; Wien als Drehscheibe; Grenzen der Staats-
räson? gerichtet und folgende Fragen gestellt:
„1. Dem Justizministerium wurden 1989 detaillierte Informationen betreffend das
iranische Netzwerk des Terrors übermittelt. Welche justizbehördlichen Veran-
lassungen wurden daraufhin getroffen und mit welchen Resultaten?
2. Es ist unwahrscheinlich bzw. unmöglich! daß der Terroranschlag von 1989
ausschließlich von den drei mutmaßlichen und geflohenen Mördern ausgeübt
wurde. Welche justizbehördlichen Verfügungen gab es in Bezug auf allfällige
Komplizen dieses Anschlags?
3. Bisher völlig unaufgeklärt blieb der Terroranschlag von 1987. Welche justizbe-
hördlichen Schritte wurden in dieser Angelegenheit gesetzt und mit welchem
Ergebnis?
4. Haben die 1991 zuunrecht verhafteten irakischen Oppositionellen Entschädi-
gungen erhalten? Wenn ja, in welcher
Höhe, wenn nein, warum nicht?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Eine Ablichtung der in der Anfrage genannten, vom Kabinett des Bundeskanzlers
anher übersendeten Informationsschrift des Pressebüros der Volksmodjahedin Iran-
köln vom Juli 1989 wurde mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 7. Sep-
tember 1989 der Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt und von dort am 8. Sep-
tember 1989 an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft
Wien ihrerseits übermittelte diese Informationsschrift am 12.September 1989 neben
anderen Unterlagen dem Untersuchungsrichter zum Strafakt AZ 23 d Vr 6994/89
des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (Strafsache gegen unbekannte Täter we-
gen Mordes an drei Kurden) mit dem Antrag auf Berücksichtigung im Rahmen der
zu führenden Vorerhebungen. Einen Anlaß für eine konkrete Antragstellung hat die
Staatsanwaltschaft Wien auf Grund des Inhalts dieser Informationsschrift, die auch
keinen konkreten Verdacht anderer strafbarer Handlungen im Inland, wie etwa nach
§ 256 StGB (Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Öster-
reichs) oder § 319 StGB (Vergehen des militärischen Nachrichtendienstes für einen
fremden Staat) enthält, nicht gefunden.
Zu 2:
Aus den Erhebungsergebnissen der Sicherheitsbehörden ergaben sich vage Ver-
dachtsmomente auch gegen andere Personen. Aus ihnen ließen sich nach Ansicht
der Staatsanwaltschaft Wien jedoch keine weiteren erfolgversprechenden, Ermitt-
lungsansätze ableiten. Von der Anklagebehörde wurden daher keine Verfügungen
getroffen, in denen weitere Personen als Verdächtige behandelt wurden.
Zu 3:
Am 12. Juli 1987 wurde in einer Wohnung in 1030 Wien eine vorerst unbekannte,
schon stark verweste männliche Leiche aufgefunden. Im Rahmen der gerichtsmedi-
zinischen Obduktion stellte sich heraus1 daß der Unbekannte durch einen Schuß in
den Hinterkopf getötet worden war.
Bereits zuvor hatte die Gattin des in Frankreich wohnhaften iranischen Flüchtlings
Hamid Reza Chitgar Abgängigkeitsanzeige erstattet, die vom Staatspolizeilichen Bü-
ro bearbeitet worden ist. Es konnte ermittelt werden, daß es sich bei der am 12. Juli
1987 aufgefundenen Leiche um den abgängigen Hamid Reza Chitgar handelte. Die-
ser war am 19. Mai 1987 über Wiesbaden und München nach Österreich eingereist!
wo er angeblich am selben Tag beim Hotel Hilton einen persischen Landsmann na-
mens Ah Amiztab treffen wollte. Von Verwandten und Bekannten des Mordopfers
wurde der Verdacht ausgesprochen, daß es sich um einen politisch motivierten
Mord handelte. Eine Ausforschung des Ah Amiztab war, auch nach Erhebungen in
der Wiener Iran-Szene, nicht möglich. Mangels weiterer Anhaltspunkte mußte die
Staatsanwaltschaft Wien am 8. April 1988 beim Untersuchungsrichter die Abbre-
chung des Verfahrens gemäß § 412 StPO bis zur künftigen Entdeckung oder Auffin-
dung des Täters oder der Täter beantragen.
Zu 4:
Zu dem hier angesprochenen Strafverfahren verweise ich vorerst auf die Beantwor-
tung der schriftlichen Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Petrovic, Freundin-
nen und Freunde, zur Zahl 966/J-NR/1991.
Die Staatsanwaltschaft Wien beantragte am 18. und 19. Jänner 1991 die Erlassung
von insgesamt elf Haftbefehlen wegen des Verdachts des verbrecherischen Kom-
plotts nach § 277 StGB bzw. der Bandenbildung nach § 278 StGB, aber auch wegen
anderer strafbarer Handlungen, insbesondere wegen des Vergehens der gewerbs-
mäßigen Schlepperei nach § 14 a Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz idF
BGBI. Nr.190/1990. Am 22. Jänner 1991 verhängte der Untersuchungsrichter des
Landesgerichtes für Strafsachen Wien über zehn der Beschuldigten antragsgemäß
die Untersuchungshaft, ein Beschuldigter wurde gemäß § 179 Abs. 2 und § 193
Abs. 2 StPO nach seiner Vernehmung enthaftet. Nach Sichtung der umfangreichen
Unterlagen und nach Einlangen weiterer Erhebungsergebnisse der Sicherheitsbe-
hörden, die den Verdacht der Planung terroristischer Aktivitäten im Inland nicht er-
härten konnten, sprach sich die Staatsanwaltschaft Wien am 30. Jänner 1991 für die
Enthaftung von weiteren sieben Beschuldigten aus, die noch am selben Tag auf frei-
en Fuß gesetzt wurden. Lediglich zwei Beschuldigte verblieben wegen des Verdach-
tes anderer strafbarer Handlungen bis 16. Mai
1991 in Untersuchungshaft.
Das Strafverfahren gegen drei Beschuldigte, die sich vom 19. Jänner bis
30. Jänner 1991 in Untersuchungshaft befunden hatten, endete am 9. Jänner 1992
mit gänzlicher Verfahrenseinstellung. Zwei dieser Personen und ein weiterer Be-
schuldigter, dessen Verfahren wegen eines verbleibenden Faktums an das Landes-
gericht für Strafsachen Graz abgetreten und dort am 23. März 1992 eingestellt wor-
den ist, haben in der Folge Anträge nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsge-
setz (StEG) gestellt. Diese Anträge wurden von der Ratskammer des Landesgerich-
tes für Strafsachen Wien bzw. vom Oberlandesgericht Wien abgewiesen, weil der
Tatverdacht nicht als entkräftet anzusehen war (§ 2 Abs. 1 lit. b StEG) und unter
dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 1 lit. a StEG eine Gesetzwidrigkeit zum Zeitpunkt
der Anhaltung nicht festgestellt werden konnte. Der dritte Beschuldigte, dessen Ver-
fahren am 9. Jänner 1992 zur Gänze eingestellt worden ist, hat keinen Antrag nach
dem StEG gestellt; über derartige Ansprüche ist jedoch auch ohne Antrag der be-
treffenden Person von Amts wegen zu entscheiden (§ 6 Abs. 2 StEG), weshalb das
Bundesministerium für Justiz aus Anlaß der vorliegenden Anfrage die staatsanwalt-
schaftlichen Behörden angewiesen hat, eine Entscheidung des Landesgerichtes für
Strafsachen Wien nach § 2 Abs. 1 lit. b StEG herbeizuführen.
Drei Beschuldigte sind vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verge-
hens der gewerbsmäßigen Schlepperei nach § 14 a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz
rechtskräftig zu - jeweils bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafen in der Dauer von
vier Monaten verurteilt worden. Die Vorhaften (in zwei Fällen vom 19. Jänner bis
16. Mai 1991, in einem Fall vom 19. Jänner bis 30. Jänner 1991) wurden zur Gänze
auf die verhängten Freiheitsstrafen angerechnet, sodaß ein Ersatzanspruch nach
§ 3 lit. b StEG ausgeschlossen war.
Zwei Beschuldigte, die sich ebenfalls vom 19. Jänner bis 30. Jänner 1991 in Haft
befunden haben, haben nach rechtskräftigen Freisprüchen vom Vergehen der Fäl-
schung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB
bzw. der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB auf Haftentschädigung verzich-
tet. In einem weiteren Fall wurde das Verfahren nach Erhebung eines Strafantrages
nach § 14 a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz wegen des unbekannten Aufenthalts des
Beschuldigten gemäß ß §
412 StPO abgebrochen.
Ein weiteres an das Landesgericht für Strafsachen Graz abgetretenes Verfahren
wegen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223
Abs. 1 und 224 StGB endete am 24. Jänner 1992 mit einer Verfahrenseinstellung.
Mit Beschluß vom 3. Juni 1992 hat das Landesgericht für Strafsachen Graz auch in
diesem Fall festgestellt, daß für die durch die Anhaltung vom 19. Jänner bis 22. Jän-
ner 1991 entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile ein Ersatzanspruch nicht
zusteht, weil ein die Verfolgung und Haft genügend begründender Verdacht vorlag,
der in der Folge nicht zur Gänze entkräftet worden ist (§ 2 Abs. 1 lit. b, § 6 Abs. 2
StEG).