2549/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf Anschober, Freunde und Freundinnen
haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Fall G. L. - Verschleppung eines
Bürgers auf österreichischem Staatsgebiet von deutschen Grenzpolizisten, gerichtet
und folgende Fragen gestellt:
1 Wann und in welcher Form wurde das Justizministerium erstmals mit dem Fall
Löffler befaßt?
2. Welche konkreten Schritte wurden seither ergriffen?
3. Welche Aktenvermerke in welchem konkreten Wortlaut liegen dazu vor?
4. Welche Urgenzen bei der deutschen Justiz wurden ergriffen?
5. Wie bewertet der Justizminister die konträren Vorgangsweisen der Salzburger
Staatsanwaltschaft und der Salzburger
Ratskammer?“
Zu 1:
Mit der Verbringung von Dr. G. L. auf deutsches Staatsgebiet wurde das Bundesmi-
nisterium für Justiz erstmals durch die Eingabe des deutschen Staatsangehörigen
G. 0. vom 24. September 1994 an den damaligen Bundesminister für auswärtige
Angelegenheiten Dr. Alois Mock befaßt, mit der dieser über die Geschehnisse am
25. Juni 1994 in Kenntnis gesetzt wurde; diese Eingabe samt den ihr angeschlosse-
nen Beilagen wurde dem Bundesministerium für Justiz mit Note des Bundesministe-
riums für auswärtige Angelegenheiten vom 7. Oktober 1994 übermittelt.
Zu 2:
Nach Abklärung der Sach- und Rechtslage richtete das Bundesministerium für Ju-
stiz mit Schreiben vom 21. November 1994 an das Bundesministerium für auswärti-
ge Angelegenheiten das Ersuchen, im Hinblick auf das rechtswidrige Einschreiten
der Organe der Bayerischen Grenzpolizei bei der deutschen Regierung einen förmli-
chen Protest einzulegen und diese um Rückstellung des völkerrechtswidrig erlang-
ten deutschen Staatsangehörigen Dr. G. L. an Österreich zu ersuchen.
Mit Telefax vom 18. Jänner 1995 berichtete die Österreichische Botschaft in Bonn,
daß anläßlich der aufgetragenen Demarche im deutschen Auswärtigen Amt dort die
Auffassung vertreten worden sei, die Festnahme auf österreichischem Staatsgebiet
sei gemäß Art. 4 und 5 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der
Bundesrepublik Deutschland über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisen-
bahn-, Straßen- und Schiffsverkehr vom 14. September 1955 (BGBI.Nr. 240/1957)
rechtmäßig gewesen. In der Folge teilte das Bundesministerium für Justiz dem Bun-
desministerium für auswärtige Angelegenheiten mit Schreiben vom 1. Februar 1995
mit, daß es seinen schon früher eingenommenen Standpunkt vollinhaltlich aufrecht
erhalte, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des Übereinkommens auf den
gegenständlichen Fall nicht gegeben gewesen seien.
Mit Schreiben vom 7. September 1995 übermittelte die Österreichische Botschaft in
Bonn die Antwortnote des deutschen Auswärtigen Amtes zum österreichischen Pro-
test. Darin wurde an der Auffassung festgehalten, daß keine Verletzung von Art. 5
Abs. 2 des erwähnten Abkommens vorliege.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg führte wegen des Vorfalls gegen die Beamten der
Bayerischen Grenzpolizei sowie gegen die österreichischen Grenzbeamten (als Be-
teiligte) wegen des Verdachts nach §§ 103,105 und 83 StGB Erhebungen, aufgrund
derer sie mit Bericht vom 1. Dezember 1994 ihre Absicht mitteilte1 das Verfahren ge-
mäß § 90 StPO zu beenden. Die Staatsanwaltschaft Salzburg kam zwar zum
Schluß, daß im konkreten Fall die nach dem erwähnten Abkommen erweiterten Be-
fugnisse der deutschen Beamten auf österreichischem Hoheitsgebiet objektiv nicht
gegeben gewesen seien, vermochte jedoch nicht auszuschließen, daß die Beamten
gutgläubig in der Auffassung gehandelt hätten, zur Ausübung dieser Befugnisse be-
rechtigt gewesen zu sein. Die Oberstaatsanwaltschaft Linz trat dem Vorhaben der
Staatsanwaltschaft Salzburg bei. Das Bundesministerium für Justiz nahm das Ein-
stellungsvorhaben am 30. Dezember 1994 zur Kenntnis. Das Verfahren wurde am
27. Jänner 1995 gemäß § 90 StPO eingestellt.
Mit Schreiben vom 26. April 1995 übermittelte das Bundesministerium für Inneres
eine Kopie des Urteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. Dezember
1994 gegen Dr. G. L. In diesem Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß die Fest-
nahme von Dr. G. L. gesetzes- und völkerrechtskonform gewesen und somit kein
Verfahrenshindernis vorgelegen sei.
Am 26. Mai 1995 brachte Dr. G. L. bei der Ratskammer des Landesgerichts Salz-
burg einen Subsidiarantrag ein, dem am 2. August 1995 Folge gegeben wurde. Der
Untersuchungsrichter des Landesgerichts Salzburg beauftragte daraufhin das Lan-
desgendarmeriekommando für Salzburg erneut mit Erhebungen, die allerdings ge-
genüber den früheren Erkenntnissen bisher keine wesentliche Änderung der Sach-
und Beweislage erbrachten.
Das Landesgericht Salzburg ersuchte am 1. Dezember 1995 den Leitenden Ober-
staatsanwalt beim Landgericht Traunstein um Übersendung von Vernehmungsnie-
derschriften der drei Beschuldigten. Die Erledigung dieses Rechtshilfeersuchens
langte am 18. Jänner 1996 beim Landesgericht Salzburg ein. Die Erledigung be-
stand aus drei Stellungnahmen der an der Festnahme von Dr. G. L. beteiligten Poli-
zeibeamten, wobei mitgeteilt wurde, daß darüber hinausgehende Vernehmungsnie-
derschriften nicht vorhanden seien.
Am 24. Jänner 1996 verfügte das Landesgericht Salzburg, die Beschlüsse der Rats-
kammer über die Einleitung der Voruntersuchung an die drei Beschuldigten im Weg
des zuständigen deutschen Amtsgerichts Laufen an deren Dienststelle zuzustellen.
Überdies wurde an die drei Beschuldigten die Anfrage gerichtet, ob sie bereit seien,
zu einer Einvernahme vor dem Landesgericht Salzburg zu erscheinen. Da darauf je-
doch keine Antwort eintraf, ersuchte das Landesgericht Salzburg am 20. Juni 1996
das Amtsgericht Laufen um die Vernehmung der Beschuldigten im Rechtshilfeweg.
Das Landesgericht Salzburg betrieb mehrmals - allerdings bislang erfolglos - die Er-
ledigung seiner Rechtshilfeersuchen. Zuletzt teilte das Amtsgericht Laufen mit
Schreiben vom 15. Mai 1997 mit1 daß das Rechtshilfeersuchen vom 20. Juni 1996
bisher noch nicht habe erledigt werden können, weil es dem deutschen Bundesmini-
sterium der Justiz zur Genehmigung vorgelegt worden sei und dieses bisher noch
keine Entscheidung getroffen habe.
Zu 3:
Im gegenständlichen Akt des Bundesministerium für Justiz befinden sich keine Ak-
tenvermerke, sondern lediglich Referatsausführungen und Erledigungen zu einge-
langten Geschäftsstücken.
Zu 4:
Diesbezüglich wird auf den letzten Absatz der Antwort zu Frage 2 verwiesen. Eine
Urgenz seitens des Bundesministeriums für Justiz erfolgte bislang nicht, weil der
Rechtshilfeverkehr im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren
Behördenverkehr, d.h. unmittelbar zwischen den zuständigen Gerichten, stattfindet
und dem Bundesministerium für Justiz die Notwendigkeit einer Betreibung gemäß
§ 17 Abs. 1 Auslieferungs- und Rechtshilfeverordnung BGBI.Nr. 219/1980 vom Lan-
desgericht Salzburg bisher nicht angezeigt wurde.
Zu 5:
Das subsidiäre Verfolgungsrecht eines
Privatbeteiligten ist ein Korrektiv gegen den
nicht anfechtbaren Verfolgungsverzicht des Staatsanwalts, also ein Rechtsschutzin-
strument einer am Verfahren beteiligten Partei, die mit dem Verfahrensgang nicht
einverstanden ist. Über Antrag des Privatbeteiligten, der also vermeint, die Staats-
anwaltschaft habe die Verfolgung zu Unrecht unterlassen, hat das Gericht zu prü-
fen, ob die dem Angezeigten angelastete Handlung strafbar ist und ob er dieser Tat
auch hinreichend verdächtig ist.
Das übereinstimmende Einstellungsvorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behör-
den wurde - wie bereits zu Frage 2 ausgeführt - vom Bundesministerium für Justiz
am 30. Dezember 1994 zur Kenntnis genommen. Die Ratskammer des Landesge-
richts Salzburg gelangte jedoch aufgrund des Vorbringens im Subsidiarantrag von
Dr. G. L. zum Ergebnis, daß zur Beurteilung der Tatfrage noch Erhebungen, insbe-
sondere ausführliche Einvernahmen, durchzuführen seien. Das Subsidiarverfahren
ist gegenständlich noch nicht abgeschlossen. Ich kann daher zu dessen materieller
Berechtigung derzeit keine Stellungnahme abgeben.