2563/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.2517/J-NR/1997, betreffend Ausschreibung für
die Vergabe eines automatischen Ökopunktesystems, die die Abgeordneten Rauch—Kallat und
Kollegen am 5. Juni 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Angesichts des Umstandes, daß die Kapsch AG mit ihrem Angebot ca. 100 Mio ÖS
über dem günstigsten Angebot (Bieterkonsortium Alcatel-Forschungszentrum
Seibersdorf-STUAG) lag, drängt sich die Frage auf, warum nicht jener Bieter den
Zuschlag erhalten hat, der nach den Ausschreibungs kriterien (primär Preis!) das beste
Angebot abgegeben hat? Warum wurden keine renommierten Gutachter involviert um
festzustellen, ob dieses Angebot technisch ausreichend ist oder nicht?
Bei der Ausschreibung galt grundsätzlich das Bestbieterprinzip und nicht das Billigstbieter-
Prinzip. Zudem handelt es sich beim gegenständlichen Projekt insbesondere hinsichtlich seiner
Funktionalität um Neuland. Dieser Besonderheit mußte auch bei der Ausschreibung Rechnung
getragen werden. Es wurden renommierte Gutachter involviert, die zum Ergebnis kamen, daß
das Anbot der Firma Kapsch AG hinsichtlich der Ausschreibungskriterien am besten geeignet
ist.
2. Aufgrund des Bescheides des Bundesvergabeamtes müssen wir an Sie die Frage
richten, warum auf der Grundlage dieses bei der Angebotseröffnung am 15. Juli 1996
nicht verlesenen Angebotes der Firma Kapsch AG Ihr Vorgänger BM Dr. Rudolf
Scholten der Firma Kapsch AG den Zuschlag für das automatische Okopunktesystem
erteilt hat?
Zur Klärung von rechtlichen Fragen im Zuge der Ausschreibung wurde Herr Univ. Prof Dr.
Josef Aicher, ein renommierter Experte auf dem Gebiet des Vergaberechtes, zugezogen. Laut
seiner Rechtsmeinung war die Berücksichtigung des Alternativangebots zulässig. Diese Auf-
fassung wird zudem auch vom führenden deutschen Kommentar, Heiermann, Riedl, Husann -
Kommentar zur VOB, bekräftigt.
3. Die Entscheidung des Bundesvergabeamtes berechtigt den übergangenen Bieter
Schadenersatz zu verlangen. Können Sie abschätzen, in welcher Höhe der Bund
Schadenersatzforderungen ausgesetzt sein wird?
Bisher wurden keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Zudem würde die konkrete
Höhe letztlich durch richterlichen Entscheid bestimmt.
4. Wie können Sie sich, angesichts der so massiven Hinweise darauf, daß das Angebot der
Kapsch AG nachträglich verbessert wurde, erklären, daß seitens des Verkehrsministe-
riums diesen so offensichtlichen Verdachtsgründen nicht nachgegangen wurde?
Welche Art von Kontrolle hat über die beratende Ingenieursgemeinschaft Lässer-
Feizlmayer (ILF) stattgefunden?
Dem Verkehrsministerium lagen im Zuge des Verfahrens keine Fakten vor, die Anlaß zur
Vermutung von Unregelmäßigkeiten gaben. Den im Bescheid des Bundesvergabeamtes ge-
äußerten Mutmaßungen, die vom Bundesvergabeamt selbst nicht nachgewiesen, sondern bloß
aufgrund einer subjektiven Betrachtung von Schriftarten getätigt wurden, kann von den dafür
zuständigen Gerichten nachgegangen werden. Dem Verkehrsressort liegen auch keine Ver-
dachtsgründe gegen die Ingenieurgemeinschaft Lässer-Feizlmayr (ILF) vor. Diese Firma hat
nicht nur national sondern auch international einen ausgezeichneten Ruf
5. Warum wurde seitens des Verkehrsministeriums nicht sichergestellt (z.B. durch
Verschließen einer Kopie der Angebote), daß eine nachträgliche Manipulation (Ver-
besserung) eines Angebots ausgeschlossen werden kann?
Das Verkehrsministerium hat mit der Ausschreibung, wie auch in anderen Bereichen üblich, ein
privates Unternehmen, das bereits zahlreiche Ausschreibungen durchgeführt hat, betraut. Von
seiten dieses Unternehmens wurden auch alle rechtlich gebotenen Maßnahmen ergriffen, um
nachträgliche Veränderungen
auszuschließen.
6. Wie begründet sich für das damalige Bundesministerium für Verkehr die Qualifikation
der Ingenieursgemeinschaft Lässer-Feizlmayer (ILF), wenn doch bekannt sein mußte,
daß ILF primär auf dem Gebiet von Tiefbauverfahren und weniger im Bereich der
Telematik bzw. Elektronik über entsprechende Expertisen verfügt?
‚Es ist unrichtig, daß ILF primär auf dem Gebiet von „Tiefbauverfahren"‘ tätig ist. Der Proktlei-
ter im gegenständlichen Verfahren von ILF ist zudem Dipl. Ing. der Elektrotechnik. Der Firma
ILF fachliche Qualifikation abzusprechen, ein derartiges Projekt zu managen, ist, wenn man
den Tätigkeitsbereich dieser Firma kennt, unhaltbar.
7. Sind dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr Geschäftsbeziehungen
zwischen ILF und der Kapsch AG bekannt?
Nein.
8. Ist es richtig, daß Vertreter des Verkehrsministeriums in Brüssel bei der EU-Kommis-
sion (GD VII) gegen Ende 1995 - also lang vor der Ausschreibung des gesamten auto -
matischen Okopunktesystems - nur Vertreter der Firma Kapsch AG zur Präsentation
der österreichischen Vorschläge zum Ökopunktesystem eingeladen und mitgenommen
haben?
Ist es weiters richtig, daß bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber der EU—Kommission
von einem „Kapsch-System“ gesprochen wurde, obwohl noch nicht einmal die Aus-
schreibung dafür erfolgte?
Glauben Sie, daß durch eine derartige Vorgangsweise die ohnehin angeschlagene
Reputation Österreichs im Bereich des öffentlichen Vergabewesens verbessert wurde?
Richtig ist, daß die EU-Kommission Vertreter der Firma Kapsch AG zu einer Sitzung einge-
laden hat, um den Pilotversuch zu erläutern und zu dokumentieren und somit einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Warum eine Einladung eines österreichischen Unter-
nehmens durch die EU-Kommission die Reputation Österreichs im Bereich des öffentlichen
Vergabewesens beeinträchtigen sollte, ist nicht nachvollziehbar.
9. Warum hat der damalige Bundesminister für Verkehr Mag. Viktor Klima im Herbst
1995 das Pilotprojekt für ein automatisches Punktesystem freihändig, also ohne Aus-
schreibung und branchengeheim an die Firma Kapsch AG vergeben?
Was hat die Republik Österreich der Firma Kapsch AG für dieses Pilotprojekt be-
zahlt?
Warum hat der damalige Sektionschef auf Anfrage mitgeteilt, daß dieses Ökopunktepi-
lotprojekt lediglich ein kleiner
Forschungsauftrag sei?
Wenn das ein Forschungsauftrag aus öffentlichen Geldern war, warum wurden die
wissenschaftlichen Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich gemacht bzw. in welcher Art
und Weise wurden die Forschungsergebnisse veröffentlicht?
Die Vergabe des Pilotprojekts konnte ohne Ausschreibung durchgeführt werden, da der Schwel-
lenwert der einschlägigen Vorschriften nicht überschritten wurde. Was mit dem Wort "bran-
chengeheim" in der Anfrage gemeint ist, ist nicht nachvollziehbar, da bereits im Vorfeld mit
allen dafür in Frage kommenden Firmen über das beabsichtigte Pilotprojekt ausführlich
gesprochen wurde. Die Ergebnisse des Pilotprojektes wurden auch allen interessierten Stellen
zur Verfügung gestellt.
Für das Pilotprojekt wurden S 986.259,-- exkl. MWSt. bezahlt.
10. Angesichts der nunmehr festgestellten Rechtswidrigkeit des Vergabevorganges ist zu
fragen, ob die Berater des Verkehrsministeriums ihr Honorar bereits erhalten haben
bzw. erhalten werden. Wird ein Regreß gegen diese Berater wegen der Schadenersatz-
forderungen stattfinden, denen der Bund nun ausgesetzt ist?
Die Honorare wurden nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes, daß nach Erbringung
der Leistungen die Gegenleistung fällig ist, abgewickelt. Da derzeit keine Schadenersatz-
forderungen vorliegen, stellt sich die Frage eines eventuellen Regresses derzeit nicht.
11. Wie können Sie angesichts der offensichtlichen Bevorzugung, die die Kapsch AG
seitens des Verkehrsministeriums festgestelltermaßen erhalten hat, ausschließen, daß
es bei der Ausschreibung für die technische Umsetzung des Road-Pricing nicht zu
ähnlichen Mißständen bzw. einer ähnlichen Bevorzugung kommen wird, welche
wiederum enorme zusätzliche Kosten für den Bund und damit den Steuerzahler nach
sich ziehen wird?
Die Firma Kapsch AG hat seitens des Verkehrsministeriums keinerlei Bevorzugung erhalten.
Das Verkehrsministerium hat sich für die rechtliche Beratung eines renommierten Univ. Prof.
bedient und für den technischen Teil sich einer Firma, deren Ruf nicht nur national sondern
auch international ausgezeichnet ist, bedient. Dabei ist festzuhalten, daß an zweiter Stelle nicht
- wie offenbar irrtümlich in der Anfrage angenommen - Alcatel gereiht war, sondern die
Bietergemeinschaft Ecoroute, die jedoch vom Preis her über dem Angebot der Firma Kapsch
AG lag. Daher ist es unrichtig, daß dem Steuerzahler ein Schaden von S 100 Mio. entstanden
wäre, da im Falle der Nichterteilung an die Firma Kapsch AG der Zuschlag aufgrund der
Reihung nicht an die Firma Alcatel ergangen
wäre, da sie nicht an zweiter Stelle gereiht war.
Darüberhinaus ist für die Umsetzung des Road-Pricing nach dem Bundesministeriengesetz der
Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständig. Zudem darf hierzu auf die
Anfragebeantwortung Nr.1871/J-NR vom 21.2.1997 verwiesen werden.