2729/AB XX.GP

 

Beantwortung

der Anfrage der Abgeordneten Dr. Schwimmer und Kollegen betreffend die Rati-

fikation des IAO-Übereinkommens (Nr.169) über eingeborene und in Stämmen

lebende Völker, 1989,

(Nr. 2802/J).

Zu den Fragen nehme ich wie folgt Stellung:

Frage1: Welche Bedenken haben Sie gegen eine Ratifikation des IAO-Uberein-

kommens Nr.169?

Antwort:

Aufgrund der von Österreich ratifizierten Verfassung der Internationalen

Arbeitsorganisation besteht die Verpflichtung, die auf den Tagungen der

Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen internationalen Urkunden

den zuständigen Stellen im Hinblick auf ihre Verwirklichung durch die Gesetz-

gebung oder andere Maßnahmen vorzulegen.

In jenen Fällen, in denen eine Ratifikation nicht möglich oder nicht vorgesehen

ist, gilt diese Verpflichtung als erfüllt, wenn dem Nationalrat die internationale

Urkunde lediglich mit erläuternden Bemerkungen zur Kenntnis gebracht wird.

Das Übereinkommen Nr.169 hat - sowie alle übrigen Übereinkommen der

Internationalen Arbeitsorganisation - keineswegs deklaratorische Bedeutung.

Wie die Fragesteller selbst ausführen, verpflichtet es den ratifizierenden Staat

vielmehr zu einer Reihe konkreter innerstaatlicher Maßnahmen zum Schutze

der Rechte und Freiheiten seiner eigenen eingeborenen und in Stämmen

lebenden Völker.

Ich teile die Meinung der Fragesteller, daß das Übereinkommen Nr.169 einen

wichtigen Schritt zur Anerkennung menschenrechtlicher Mindeststandards für

die vom Geltungsbereich erfaßten Völker darstellt.

Daß Österreich sich zu den Zielen des Übereinkommens bekennt, wurde auch im

Zuge des Abstimmungsverfahrens über die Annahme des Übereinkommens an-

läßlich der 76. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz eindeutig zum Aus-

druck gebracht: Alle österreichischen Vertreter (Regierungs-, Arbeitgeber-,

Arbeitnehmervertreter) stimmten für die Annahme des Übereinkommens.

Wie vorhin dargestellt, hat dieses Übereinkommen keinesfalls deklaratorischen

Charakter, sondern verpflichtet den ratifizierenden Staat zu konkreten Maß-

nahmen zugunsten der auf seinem Territorium lebenden indigenen Völker.

In Entsprechung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation hat

der Bundesminister für Arbeit und Soziales seinerzeit gemeinsam mit dem

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten das Übereinkommen dem

Ministerrat und dem Nationalrat zur Kenntnisnahme vorgelegt. Von einer

Ratifikation und damit von der Schaffung einer internationalen Handlungs—

verpflichtung wurde abgesehen, da solche vom Geltungsbereich des Überein-

kommens erfaßten Völker nach Meinung des Bundesministeriums für Arbeit,

Gesundheit und Soziales auf österreichischem Territorium nicht beheimatet

sind. Das Bundeskanzleramt beabsichtigt jedoch, um ganz sicher zu gehen,

gemeinsam mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten im

Wege des Internationalen Arbeitsamtes noch eine genaue Klärung des Anwen-

dungsbereiches des Übereinkommens Nr.169 zu erreichen.

Sollte eine solche Ratifikation trotz alledem vorgenommen werden, müßte

Österreich im Zuge der periodischen Berichterstattungen über die in Erfüllung

des Übereinkommens innerstaatlich gesetzten Maßnahmen seine Nichterfüllung

feststellen und auf seine lediglich deklaratorische Geste verweisen. Eine solche

Vorgangsweise widerspräche aber meiner Ansicht nach gerade dem Sinn und

dem Ziel der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation, die nach einer

konkreten innerstaatlichen Erfüllung verlangen.

Frage 2: Werden Sie Überlegungen anstellen, wie sich diese Bedenken

beseitigen lassen?

Frage 3: Welche Schritte werden Sie als Mitglied der Bundesregierung setzen,

um der neuerlichen Entschließung des Nationalrates an die

Bundesregierung bezüglich der Einleitung von Schritten zur

Ratifizierung des IAO—Übereinkommens Nr.169 nachzukommen?

Antwort zu den Fragen 2 und 3:

Wie zu Frage 1 ausgeführt, sind meine Bedenken gegen eine Ratifikation des

Übereinkommens Nr.169 grundsätzlicher Natur. Meiner Ansicht nach würde

durch eine solche Ratifikation als rein deklaratorische Geste der verpflichtende

Charakter des Übereinkommens geradezu herabgewürdigt werden. Aus diesem

Grunde werde ich zur Zeit keine Schritte setzen, um eine Ratifikation vorzu-

bereiten. Im übrigen wird auch die vom Bundeskanzleramt beabsichtigte

Klärung des Anwendungsbereiches des Übereinkommens Nr.169 abzuwarten

sein.