2763/AB XX.GP

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr.

2709/J betreffend Liberalisierung der Strommärkte, welche die

Abgeordneten Langthaler, Freundinnen und Freunde am 9.7.1997 an

mich richteten und aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in

Kopie beigelegt ist, stelle ich grundsätzlich fest, daß sich das

Fragerecht der Nationalratsabgeordneten auf Akte der Vollziehung

beschränkt und zukünftig geplante oder beabsichtigte Maßnahmen

nicht umfaßt. Ungeachtet dessen nehme ich zu den an mich ge-

richteten Fragen wie folgt Stellung:

Antwort zu den Punkten 1 und 2 der Anfrage:

Die Binnenmarktrichtlinie Elektrizität 96/92/EG vom 19.12.1996

sieht vor, daß in der ersten Etappe der Marktöffnung, die bis

spätestens 18.2.1999 zu realisieren ist, ein nationaler Markt-

Öffnungsgrad — basierend auf dem EU-weiten Durchschnitt aller

Endverbraucher mit mehr als 40 GWh Jahresverbrauch - in allen

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erreicht werden muß (2.

Etappe auf Berechnungsbasis 20 GWh, 3. Etappe auf Berechnungs-

basis 9 GWh). Basierend auf den Daten von 1995 ist das in der 1.

Etappe eine Marktöffnung von 22,7 %, wobei dieser Wert jedes Jahr

von der Europäischen Kommission aktualisiert wird. Alle Endver-

braucher mit mehr als 100 GWh Jahresverbrauch sind jedenfalls

berechtigt, am Elektrizitätsbinnenmarkt teilzunehmen. Der

Mindest-Marktöffnungsgrad der ersten Etappe würde in Österreich

aufgrund der Daten für 1995 bereits mit diesen "100 GWh-Kunden"

erreicht, da mit diesen (Basis 1995) 33 Unternehmen ein Öffnungs-

grad von etwa 23 % erreicht wird. Aufgrund des hohen Eigenerzeu-

gungsanteils dieser Unternehmen liegt die "reale“ Marktöffnung

mit 10,2 % nur bei etwas weniger als der Hälfte dieses Öffnungs-

grades.

Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich bereits vom Beginn

der Liberalisierung an auf eine weitergehende als die von der EU

vorgegebene Mindestöffnung drängen werde, zumal die reale Markt—

Öffnung bei dem von mir intendierten Schwellenwert von 40 GWh mit

13,8 % noch immer deutlich unter der Mindestöffnung liegt. Die

Willensbildung dazu ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Unge-

achtet der gesetzlichen Normierung der Verbrauchsschwellen für

die sogenannten „zugelassenen Kunden“ wird der verstärkte Markt—

druck sicherlich Anpassungen hervorbringen, die über die gesetz-

lich normierten Mindestanforderungen hinausgehen werden.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Mir ist bekannt, daß ein Teil der Unternehmen der Elektrizitäts-

wirtschaft im Zusammenhang mit der Marktöffnung unternehmens-

politische Strategien überlegt, die unter der Bezeichnung „risk

sharing“ in den Medien erörtert wurden. Bislang wurde mir jedoch

weder von Unternehmen selbst noch von der Interessenvertretung

der Elektrizitätswirtschaft, dem Verband der Elektrizitätswerke

Österreichs, Mitteilung gemacht, daß es zu förmlichen oder ver-

tragsmäßigen Absprachen gekommen sei. Ich kann daher zu diesem

"Modell“ nicht Stellung nehmen. Allfällige Vereinbarungen oder

Verhaltensweisen der Elektrizitätsunternehmen unterliegen wett-

bewerbs- und kartellrechtlichen Vorschriften, deren Anwendung ich

mich nicht scheuen werde, gegebenenfalls in Gang zu setzen.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

Aufgrund des zu Punkt 3 Gesagten liegt noch keine offizielle

Stellungnahme der Europäischen Kommission vor.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

Das offizielle allgemeine Begutachtungsverfahren zu einem Entwurf

für ein Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz wird

voraussichtlich im Spätherbst 1997 abgewickelt werden.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Aufgrund der der Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft zukom-

menden Bedeutung gibt es zu verschiedenen Punkten der zukünftigen

Rahmenbedingungen für die österreichische Elektrizitätswirtschaft

unterschiedliche Interessenlagen. Dies sollte jedoch nicht über-

bewertet werden, zumal die Vorgaben seitens der Europäischen

Union eine bisher noch nicht dagewesene Zäsur für diesen Wirt-

schaftszweig darstellen. Die Gespräche verlaufen jedoch in

konstruktiver Atmosphäre, und ich werde darauf drängen, daß sie

im vorgegebenen Zeitplan zu konkreten Ergebnissen führen.

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

Es ist den österreichischen Verhandlern bei der Erstellung der

Binnenmarktrichtlinie gelungen, umweltrelevante Punkte - wie die

Möglichkeit zur Bevorzugung erneuerbarer Energieträger - in der

Richtlinie zu verankern. Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der

Markteinführung bestimmter erneuerbarer Energieträger zur Strom-

erzeugung (Kraft-Wärme Kupplungsanlagen auf Basis Biomasse/Biogas

sowie Photovoltaik und Windenergie) sollen in Fortführung des

kürzlich mit der Elektrizitätswirtschaft vereinbarten Förder-

modells auch gesetzlich verankert werden.

Antwort zu den Punkten 8 bis 12 der Anfrage:

Der Begriff „sustainable development" (die gängige deutsche Über-

setzung "Nachhaltige Entwicklung" ist unscharf) wird von ver-

schiedenen Interessengruppen in unterschiedlicher Interpretation

hinsichtlich der zu setzenden Maßnahmen eingesetzt und ist nicht

eindeutig definiert. Gegenstand des parlamentarischen Inter-

pellationsrechts können nur Akte der Vollziehung, soweit sie

meinen Ressortbereich betreffen, sein. Die Auseinandersetzung mit

neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Wissenschaften und die

Beurteilung wissenschaftlicher Streitfragen sind nicht Gegenstand

der Vollziehung, weshalb sie auch nicht vom parlamentarischen

Interpellationsrecht umfaßt sind.

Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:

Dieser Prozentsatz wird jährlich von der Europäischen Kommission

auf Basis der Verbrauchsanteile von Großverbrauchern festgelegt,

deren Verbrauch die in der Binnenmarktrichtlinie festgelegten

Mengenschwellen überschreitet. Der auf Basis der Verbrauchsan-

teile des Jahres 1995 berechnete Marktöffnungsgrad beträgt

22,7 %.

Antwort zu den Punkten 14 und 16 der Anfrage:

Siehe folgende Tabelle (Daten für 1995 incl. ÖBB):

                              Anzahl                Verbrauch          Anteil                  Anteil in %

                                                                                      in %                  kumuliert

>= 100GWh              33             10.989.743MWh      23,0 %                    23,0 %

80GWh-100GWh       3                  273.915MWh       0,6 %                     23,6 %

6oGWh- 80GWh       12                  867.640MWh       1,8 %                     25,4 %

50GWh- 60GWh         7                  368.883MWh       0,8 %                     26,2 %

40GWh- 50GWh        14                   621.547MWh      1,3 %                     27,5 %

30GWh— 40GWh     32                1.095.558MWh       2,3 %                    29,8 %

20GWh- 30GWh       45                1.123.340MWh       2,3 %                     32,1 %

15GWh- 20GWh        33                   573.421MWh        1,2 %                    33,3 %

10GWh- 15GWh          98                1.189.596MWh        2,5 %                    35,8 %

9GWh- 10GWh           25                   236.617MWh        0,5 %                    36,3 %

Summe                        302             17.340.260MWh      36,3%

Antwort zu Punkt 15  der Anfrage:

Die 33 Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 100 GWh pro

Jahr verteilen sich wie folgt auf die Landesversorgungsgebiete:

Wien: 4, Niederösterreich: 4, Burgenland: 0, Oberösterreich: 9,

Steiermark: 7, Kärnten: 4, Salzburg: 2, Tirol: 2, Vorarlberg: 0;

zusätzlich ÖBB

Antwort zu Punkt 17 der Anfrage:

Die 302 Unternehmen mit mehr als 9 GWh Jahresverbrauch verteilen

sich wie folgt auf die Landesversorgungsgebiete:

Wien: 60, Niederösterreich: 49, Burgenland: 5, Oberösterreich:

50, Steiermark: 60, Kärnten: 21, Salzburg: 13, Tirol: 22, Vorarl-

berg: 21; zusätzlich ÖBB

AntwortzuPunkt18derAnfrage:

Gemäß Binnenmarktrichtlinie Elektrizität steht es jedem Mit-

gliedsstaat der Europäischen Union frei zu bestimmen, welche Ver-

braucher von Elektrizität als „zugelassene Kunden“ am Markt teil-

nehmen dürfen. Alle Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von

mehr als 100 GWh müssen jedoch am Markt teilhaben dürfen. Ob und

bis zu welcher Größenordnung Verteilunternehmen als zugelassene

Kunden am Markt teilnehmen dürfen, ist noch in Diskussion.

AntwortzuPunkt19derAnfrage:

Die angefragten Daten sind zum Teil aus der Betriebsstatistik

1995 - Gesamtergebnisse, herausgegeben vom Bundeslastverteiler

unter Mitarbeit der Landeslastverteiler, zu entnehmen bzw. sind

sie nicht bekannt oder werden aus Datenschutzgründen nicht be-

kanntgegeben. Die o.a. Publikation kann schriftlich bei den

Dienststellen des Bundeslastverteilers, A-1010 Wien, Am Hof 6A,

bestellt werden.

Im übrigen wird grundsätzlich bemerkt, daß ein bestimmter Markt-

öffnungsgrad auch durch eine Kombination von Endverbraucher und

Verteilunternehmen herbeigeführt werden kann.

Antwort zu Punkt 20 der Anfrage:

Siehe Antwort zu Punkt 19 der Anfrage. Es ist darauf hinzuweisen,

daß die Erstellung von Auszügen von Statistiken, Zusammenfas-

sungen, Expertisen, wissenschaftlichen Werken etc., welche nicht

im Rahmen der Vollziehung von Gesetzen erstellt werden, nicht

meine Aufgabe ist. Darüber hinaus unterliegen auch einige der

Daten, die im Rahmen dieser schriftlichen parlamentarischen An-

frage von mir gefordert werden, dem Amtsgeheimnis.

Antwort zu Punkt 21 der Anfrage:

Ich habe des öfteren auf die meiner Meinung nach sinnvolle, ge-

regelte Zusammenarbeit zumindest im Hochspannungsnetz gedrängt.

Dies kann in verschiedensten rechtlichen und organisatorischen

Formen erfolgen. Eine „Netzgesellschaft“ ist darunter eine ernst-

zunehmende Option. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit im Erzeu-

gungssegment. Es ist aber primär Sache der Unternehmen, diese

Fragen zu analysieren und im Lichte der EU-Wettbewerbsbestim-

mungen Entscheidungen zu treffen.