2774/AB XX.GP
zur Zahl 2661/J-NR/1997
Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und Freunde haben an
mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Bundesländer-Versicherung, gerichtet und
folgende Fragen gestellt:
„1. Welche Verfahren liegen in der oben angeführten Angelegenheit im Gesamtzu-
sammenhang derzeit vor? Welche Verfahren wurden in den Jahren 1985 bis
1997 diesbezüglich eingeleitet? Wie lauten die konkreten Ergebnisse? Wie lau-
tet der Zwischenstand der oben angeführten Causa?
2. Welche Untersuchungen wurden in dieser Angelegenheit bezüglich finanz-
rechtlicher Tatbestände eingeleitet? Wie lauten die konkreten Ergebnisse?
3. Welche Detailinformationen liegen dem Ressort über die sogenannten Neuner
Konten bzw. über das Provisionskonto des britischen Versicherungsmaklers
Franz Novak vor?
4. Welche konkreten Ermittlungsschritte wurden in Richtung Novak Konten einge-
leitet? Wie lauten die entsprechenden Ergebnisse?
5. Welche konkreten Maßnahmen sind in dieser Angelegenheit weiters geplant?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Aus Anlaß von Medienberichten, in denen der Verdacht der Parteienfinanzierung
durch die Versicherungsanstalt der
österreichischen Bundesländer Versicherung AG
(im folgenden kurz: ÖBV) geäußert wurde, hat die Staatsanwaltschaft Wien am
2. Februar 1989 zunächst Sachverhaltserhebungen durch die Bundespolizeidirekti-
on Wien, Wirtschaftspolizei, veranlaßt und am 10. Februar 1989 gerichtliche Vorer-
hebungen gegen unbekannte Täter (Verantwortliche der ÖBV), den Zentraldirektor
der ÖBV Ferdinand Löschenkohl, den britischen Versicherungsmakler Frank Novak
u.a. wegen des Verdachtes des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1
und 2 StGB, des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. b
FinStrG und anderer Delikte beantragt. Das Verfahren wurde bei der Staatsanwalt-
schaft Wien zu 27c St 8809/89 und beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 24a
Vr 1682/89 geführt. Im selben Verfahren wurden am 20. Jänner 1992 auch Vorerhe-
bungen gegen den Mitarbeiter der ÖBV Mag. R. k. wegen des Verdachtes des Fi-
nanzvergehens nach dem § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG beantragt.
Nach den Ermittlungsergebnissen hat die ÖBV Leistungen von Frank Novak für die
Vermittlung von Rückversicherungen in der Form honoriert, daß sie von 1977 bis
1987 Provisionen von mehr als 20,000.000 5 für bereits bestehende Versicherun-
gen auf für ihn geführte Konten bei der ÖBV auszahlte. Am 4. Mai 1978 hat Frank
Novak Ferdinand Löschenkohl ermächtigt, die jeweils anfallenden Provisionen für
ihn zu beheben. Daß Ferdinand Löschenkohl diese Gelder nicht an Frank Novak
weitergeleitet hätte, konnte nicht nachgewiesen werden. Ebensowenig, daß Frank
Novak nur vorgeschoben worden wäre, um die Gelder auf diesem Umweg einer po-
litischen Partei zukommen zu lassen.
Tatbildlich im Sinne des Verbrechens der Untreue wären nur eindeutig unterneh-
menszweckwidrige Zuwendungen. Dem Frank Novak zugeflossenen Geldern stan-
den jedoch - nach den Erhebungsergebnissen - Leistungen gegenüber. Konkrete
Anhaltspunkte für eine Parteienfinanzierung haben sich nicht ergeben. In diesem
Zusammenhang verweise ich auf die Beantwortungen der schriftlichen Anfragen zu
den Zahlen 4396/J-NR/1989 und 1049/J-NR/1995.
Die Staatsanwaltschaft Wien hat daher am 20. Jänner 1992 beim Untersuchungs-
richter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hinsichtlich unbekannter Täter
(Verantwortliche der ÖBV) wegen des Verdachtes des Verbrechens der Untreue
nach dem § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall StGB und anderer Delikte sowie hinsicht-
lich Ferdinand Löschenkohl und Frank Novak wegen des Verdachtes des Tatbei-
trags zur Untreue und anderer Delikte die Erklärung gemäß § 90 Abs. 1 StPO abge-
geben.
Zum Sachverhalt in finanzstrafrechtlicher Hinsicht ließ sich - ausgehend von den
obigen Erhebungsergebnissen, unter anderem nach Vernehmung von Zeugen, Ein-
sicht in die Prüfungsunterlagen des Finanzamts für Körperschaften in Wien und der
Oesterreichischen Nationalbank sowie Prüfung der Provisionskonten von Frank No-
vak bei der ÖBV - der Nachweis, daß die Zahlungen an Frank Novak auf dessen
Provisionskonten bei der ÖBV vom 2. Juni 1978 bis 29. Juli 1985 erfolgten, um Fer-
dinand Löschenkohl eine Verkürzung von Lohnsteuer zu ermöglichen, nur hinsicht-
lich eines strafbestimmenden Wertbetrages von maximal 899.582 5 führen. Dieser
Betrag liegt unterhalb der Zuständigkeitsgrenze der Gerichte. Die Ratskammer beim
Landesgericht für Strafsachen Wien hat daher auf Antrag der Anklagebehörde in ih-
rem Beschluß vom 19. Februar 1992, rechtskräftig seit 16. April 1992, entschieden,
daß die Gerichte zur Ahndung der Tat nicht zuständig sind (§ 202 Abs. 3 FinStrG).
Die Staatsanwaltschaft Wien hat beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes
für Strafsachen Wien die Erklärung gemäß § 90 Abs. 1 StPO abgegeben, und zwar
am 17. Juli 1992 hinsichtlich Ferdinand Löschenkohl und Frank Novak wegen des
Verdachtes des Beitrags zum Vergehen der Abgabenhinterziehung durch Verant-
wortliche der ÖBV nach den §§ 11, 33 Abs. 2 lit. b FinStrG, sowie am
23. September 1992 hinsichtlich Mag. R. k. wegen des Verdachtes des Finanzver-
gehens nach dem § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG.
Die Anzeige eines ehemaligen Mitarbeiters der ÖBV aus dem Jahre 1994 betraf den
selben Sachverhalt und schnitt abermals die Frage der Parteienfinanzierung an. Die
weiteren Erhebungen auf Grund dieser Anzeige erbrachten jedoch keine konkreten
Ergebnisse, durch die der Verdacht der Untreue erhärtet hätten werden können (sie-
he auch die Beantwortung der schriftlichen Anfrage zur Zahl 1049/J-NR/1995).
Über den Ausgang des von den Finanzbehörden weitergeführten Finanzstrafverfah-
rens ist dem Bundesministerium für Justiz nichts bekannt.
Bereits am 11. Februar 1991 hat Ferdinand Löschenkohl beim Arbeits- und Sozial-
gericht Wien eine Klage gegen die ÖBV wegen Leistung und Feststellung einge-
bracht. Das Verfahren ist zu 4 Cga 1 35/94i anhängig. Das Leistungsbegehren be-
trifft von der ÖBV einbehaltene Pensionszahlungen an den Kläger, die von der ÖBV
wegen Lohnsteuernachforderungen nicht ausgezahlt wurden. Das Feststellungsbe-
gehren ist darauf gerichtet, daß die ÖBV nicht berechtigt sei, dem Kläger zustehen-
de Pensions- und Provisionszahlungen gegen Aufrechnung von Lohnsteuernachfor-
derungen einzubehalten. Die Klage wurde
zunächst mit Urteil vom 23. Oktober 1992
abgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat dieses Urteil mit
Beschluß vom 16. Juni1994 aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das
Arbeits- und Sozialgericht Wien zurückverwiesen. Am 24. Oktober 1995 hat das Ar-
beits- und Sozialgericht Wien ein Teilurteil gefällt, mit dem dem Kläger jener Betrag
zugesprochen wurde, der nach Ansicht des Erstgerichtes gemäß dem Lohnpfän-
dungsgesetz unpfändbar ist und daher dem Kläger jedenfalls verbleiben muß. Die-
ses Teilurteil wurde vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 25. März 1996
bestätigt. Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat mit Urteil vom
16. Jänner 1997 den zugesprochenen Betrag um rund 10 % vermindert. Insoweit ist
das Verfahren rechtskräftig beendet. Über das vom Teilurteil nicht erfaßte Begehren
wird das Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien fortgesetzt. Die vorläufig
letzte Tagsatzung hat am 23. Juni 1997 stattgefunden. Eine weitere Tagsatzung ist
in Aussicht genommen.
Am 9. Juli 1997 hat Ferdinand Löschenkohl beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu
20 Cga 100/97i eine weitere Klage gegen die ÖBV wegen Leistung und Rechnungs-
legung eingebracht.
Zu 3 und 4:
Nach den Erkenntnissen aus den schon erwähnten Strafverfahren waren „Neuner-
Konten“ bei der ÖBV solche, auf die Provisionen aus Anstalts- und Direktionsge-
schäften geflossen sind. Es handelte sich um Geschäfte, die im Auftrag oder mit Un-
terstützung der Direktion abgeschlossen wurden. Über die Vergabe dieser Provisio-
nen entschied die Direktion der ÖBV.
Die gerichtlichen Vorerhebungen führten zu dem Ergebnis, daß für Frank Novak bei
der ÖBV drei Provisionskonten geführt wurden. Über eines der Konten wurden Pro-
visionen aus dem sogenannten "Verbundvertrag“ bzw. aus Verträgen mit anderen
staatlichen Unternehmen geleistet. Hiefür hatte Ferdinand Löschenkohl seiner Dar-
stellung nach keine Provisionsansprüche.
Die beiden anderen Konten betrafen Provisionszahlungen aus Versicherungsverträ-
gen im privaten Bereich. Diesbezüglich behauptete Ferdinand Löschenkohl, 50 %
der ihm zustehenden Provisionsansprüche an Frank Novak abgetreten zu haben.
Über diese beiden Konten gelangten in der Zeit vom 2. Juni 1978 bis 29. Juli 1985
1,315.393 S zur Auszahlung. Die Betriebsprüfung bei der ÖBV für den folgenden
Zeitraum ergab keine Auffälligkeiten.
Zu 5:
Die Staatsanwaltschaft Wien hat am 22. Juli1997 das Arbeits- und Sozialgericht
Wien um Übermittlung von Ablichtungen hinsichtlich der dort anhängigen Verfahren,
die Ferdinand Löschenkohl gegen die ÖBV angestrengt hat, ersucht. Sie wird prü-
fen, ob sich daraus für die Strafverfolgungsbehörden neue Erkenntnisse gewinnen
lassen.