2831/AB XX.GP

 

zur Zahl 2864/J-NR/1997

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Volker Kier, Mag. Terezija Stoisits, Kollegin-

nen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Menschen-

rechte in Österreich, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

„1. Werden Sie sich in den internationalen Gremien für die Verbesserung des

Schutzes von Inhaftierten einsetzen, und zwar insbesondere die ehebaldige

Annahme des Fakultativprotokolls der UN-Konvention gegen die Folter und die

Ausarbeitung eines möglichst umfassenden Zusatzprotokolls zur Europäischen

Menschenrechtskonvention betreffend zusätzliche Rechte für Festgenommene

unterstützen?

2. Wenn ja, in welcher Form?

3. Wenn nein, warum nicht?

4. Werden Sie aktiv an der Schaffung eines ständigen internationalen Strafge-

richtshofes mitwirken?

5. Wenn ja, in welcher Form?

6. Wenn nein, warum nicht?

7. Werden Sie dafür sorgen, daß bei der Aus - und Fortbildung der Beamt/inn/en,

für deren Arbeit die Kenntnis und Beachtung der Menschenrechte von beson-

derer Bedeutung ist, der Menschenrechtserziehung ein ausreichender und

ständiger Platz eingeräumt wird?

8. Wenn ja, in welcher Form?

9. Wenn nein, warum nicht?

10. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß zur Verminderung von Fremdenfeind-

lichkeit und Rassismus Toleranz und Mitmenschlichkeit auch in Österreich wie-

der Platz greift und dabei insbesondere die Bemühungen des Europarates, der

EU, der OSZE und der UNO unterstützen?

11. Wenn ja, in welcher Form?

12. Wenn nein, warum nicht?“

Einleitend möchte ich bemerken, daß das Bundesministerium für Justiz die aktive

Menschenrechtspolitik Österreichs in internationalen Gremien, insbesondere im

Rahmen der Vereinten Nationen, des Europarats, zuletzt auch der Europäischen

Union, nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Zuständigkeit nach Kräften unterstützt

und dieses Bemühen - auch im Kontakt mit Vertretern nichtstaatlicher Organisatio-

nen im Menschenrechtsbereich - weiterhin fortzusetzen beabsichtigt. Nur illustrativ

möchte ich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß maßgebende internatio-

nale Rechtsinstrumente zur Sicherung und Förderung der Menschenrechte, wie das

6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention zur Abschaffung

der Todesstrafe oder die gegen die Folter gerichteten Rechtsinstrumente der Ver-

einten Nationen, unter aktiver und detaillierter Mitarbeit von Vertretern des Bundes-

ministeriums für Justiz zustandegekommen sind. Auch habe ich mich persönlich für

die - inzwischen erfolgreiche - Bewerbung Österreichs als Sitz der von der Europäi-

schen Union neu geschaffenen Europäischen Stelle für Beobachtung von Rassis-

mus und Fremdenfeindlichkeit eingesetzt.

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Das Bundesministerium für Justiz hat wiederholt Bestrebungen für einen verbesser-

ten internationalen Schutz der Rechte inhaftierter Personen aktiv unterstützt, so et-


 

wa durch die Ausarbeitung erster Fassungsvorschläge für die VN-Grundsätze zum

Schutz aller Menschen vor willkürlicher Festnahme und Haft (die sogenannten „Net-

tel-Grundsätze“).

Österreich beteiligt sich an den Verhandlungen über den Entwurf eines Fakultativ -

protokolls der VN-Konvention gegen die Folter sowie über den Entwurf eines Zu-

satzprotokolls zur Menschenrechtskonvention über Rechte inhaftierter Personen.

Die diesbezüglichen österreichische Aktivitäten finden unter der Federführung des

Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes statt.

Das Bundesministerium für Justiz ist in die laufenden Arbeiten aktiv eingebunden.

Es tritt für die Schaffung eines weltweiten Besuchssystems zur Prävention von Fol-

ter und Mißhandlung inhaftierter Personen nach dem Muster des Europäischen Ko-

mitees zur Verhinderung der Folter und unmenschlicher Behandlung (CPT) durch

ein Zusatzprotokoll zur VN-Konvention gegen die Folter ein. Das Bundesministeri-

um für Justiz nimmt auch aktiv am interministeriellen Meinungsbildungsprozeß zum

Entwurf eines Zusatzprotokolls zur MRK über Rechte inhaftierter Personen teil, wo-

bei es mehrmals für eine weitere bzw. weniger restriktive Fassung einzelner Bestim-

mungen eingetreten ist.

Zu 4 bis 6:

Ich halte die - seit Jahrzehnten angestrebte - Errichtung eines internationalen Straf-

gerichtshofs zur Aburteilung schwerer Menschenrechtsverletzungen, dessen Schaf-

fung nunmehr - vor dem Hintergrund der Einrichtung von Ad-hoc-Tribunalen zur Ab-

urteilung schwerster Straftaten während der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien

und in Ruanda - erstmals in der Geschichte reale Verwirklichungschancen zu haben

scheint, für das wichtigste internationale Vorhaben im Bereich des humanitären Völ-

kerrechts und des Völkerstrafrechts.

Das Bundesministerium für Justiz nimmt gemeinsam mit dem Bundesministerium für

auswärtige Angelegenheiten seit dem Jahr 1995 aktiv an den Arbeiten des von der

Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzten Ad-hoc-Komitees bzw.

des Vorbereitungskomitees für die Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofs

teil. Dem Vorbereitungskomitee kommt die Aufgabe zu, auf der Grundlage eines von

der VN-Völkerrechtskommission erstellten Entwurfs das Statut für einen solchen Ge-

richtshof zu erarbeiten. Die Vertreterin des Bundesministeriums für Justiz im Vorbe-

reitungskomitee beteiligt sich ferner auch an den Zwischenarbeiten informeller Gre-

mien zur Erleichterung und Beschleunigung der Aktivitäten des Vorbereitungskomi-

tees.

Die Bemühungen Österreichs und einer Reihe gleichgesinnter Staaten haben dazu

geführt, daß bereits für Juni 1998 (in Rom) eine Staatenkonferenz zur endgültigen

Festlegung des Wortlauts und zur Verabschiedung des Statuts eines internationalen

Strafgerichtshofs in Aussicht genommen ist. Ich möchte freilich nicht unerwähnt las-

sen, daß bis zur tatsächlichen Einrichtung eines solchen Gerichtshofs noch eine

Reihe schwieriger Hindernisse zu überwinden sein wird.

Zu 7 bis 9:

Die Kenntnis der Grund- und Menschenrechte als grundlegender Teil des österrei-

chischen Bundesverfassungsrechts und deren Beachtung in der täglichen Rechts-

anwendung haben im Bewußtsein der österreichischen Richter und Staatsanwälte

schon aufgrund der universitären Ausbildung zu den Grund- und Verfassungsrech-

ten einen wichtigen Platz. Auch im Rahmen der Ausbildung von Richteramtsanwär-

tern und der Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten wird der Bedeutung der

Menschenrechte entsprechend Rechnung getragen. So befaßte sich etwa die Öster-

reichische Richterwoche, die bedeutendste Fortbildungsveranstaltung für Richter, im

Jahr 1992 unter dem Titel „Grund- und Freiheitsrechte in der gerichtlichen Praxis“

umfassend mit Fragen der Einhaltung der Grundrechte im Gerichtsalltag. Eine vom

Bundesministerium für Justiz hergestellte Dokumentation über die Ergebnisse dieser

Tagung wurde allen Richtern und Staatsanwälten übermittelt. Überdies werden im

Licht des Europäischen Jahres 1997 gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus

die Grund- und Menschenrechte einen besonderen Themenschwerpunkt bei der

Planung künftiger Fortbildungsveranstaltungen bilden.

Schließlich kommt auch bei der Ausbildung der Bediensteten im Strafvollzug sowie

der nichtrichterlichen Bediensteten der Gerichte und Staatsanwaltschaften der Ver-

mittlung von Kenntnissen über die Menschenrechte und über deren verfassungs-

rechtliche Absicherung ein hoher Stellenwert zu.

Zu10bis12:

Das Bundesministerium für Justiz hat sich stets mit Nachdruck für eine Verstärkung

der internationalen Bemühungen zur Verminderung von Fremdenfeindlichkeit und

Rassismus eingesetzt. Ich verweise insbesondere auf das Zustandekommen der

gemeinsamen Maßnahme zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlich-

keit, die auf der Tagung des Rates der Europäischen Union vom 15. Juli 1996 ange-

nommen wurde und den Mitgliedstaaten eine substantielle Verbesserung der inter-

nationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet - insbesondere im Bereich der

Rechtshilfe und der Auslieferung - verbindlich vorschreibt.

Mit der Erklärung des Jahres 1997 zum Europäischen Jahr gegen Rassismus ver-

bindet sich der Auftrag, durch Maßnahmen und Aktionen auf europäischer und na-

tionaler Ebene innovative Beiträge zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeind-

lichkeit, Antisemitismus und Intoleranz zu leisten. Das Bundesministerium für Justiz

ist an den intensiven Arbeiten zur innerstaatlichen Umsetzung dieses Vorhabens be-

teiligt, die neben der Förderung von Projekten zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit

und Maßnahmen auf dem Gebiet der Aus- und Fortbildung öffentlich Bediensteter

(für den Bereich des Bundesministeriums für Justiz sei hiezu auf die Ausführungen

zu den Fragen 7 bis 9 hingewiesen) auch die Einleitung eines Diskussionsprozesses

mit einschlägig tätigen nichtstaatlichen Organisationen über allfällige legistische Be-

gleitmaßnahmen umfassen. An dieser Stelle seien auch die einleitend bereits ange-

sprochenen Bemühungen Österreichs um die Schaffung und Ansiedlung einer Euro-

päischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit noch-

mals erwähnt, die dazu führten, daß die erwähnte Stelle mit Verordnung des Rates

vom 2. Juni 1997 eingerichtet wurde und ihren Sitz in Wien haben wird.

Einen weiteren aktuellen Beitrag in die von der Anfrage angestrebte Zielrichtung

stellt das in diesem Jahr vom Bundesministerium für Justiz gemeinsam mit dem

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr veranstaltete 12. Symposion „Ju-

stiz und Zeitgeschichte“ dar, das am 23. und 24. Oktober 1997 stattfinden wird. Die-

se wissenschaftliche Veranstaltung, die sich traditionell mit grundsätzlichen Fragen

der Justiz befaßt, wird im heurigen Jahr dem Thema „Justiz und Fremdenfeindlich-

keit“ gewidmet sein. Nach dem vorgesehenen Programm werden sich Juristen, Hi-

storiker und Vertreter anderer Disziplinen mit Fragen des Umgangs der Justiz mit

Fremden und mit Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen. Die Ergebnisse der Ver-

anstaltung werden in Buchform publiziert werden.