2832/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2720/J-NR/1997, betreffend Kündigungswelle
im Forschungszentrum Seibersdorf, die die Abgeordneten Dr. GRAF und Kollegen am 9. Juli
1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Das Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf ist gesellschaftsrechtlich eine GesmbH.
Für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist grundsätzlich der Alleingeschäfts
führer, Herr Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr. Franz Leben, verantwortlich.
Nach den Bestimmungen von Gesetz und Gesellschaftsvertrag muß der Geschäftsführer für
Maßnahmen von besonderer Bedeutung wie beispielsweise die Aufnahme von Krediten oder
den Erwerb von Beteiligungen die Zustimmung des Aufsichtsrates einholen, der aus 17 Mit-
gliedern besteht. Neben Vertretern des Bundesministeriums für Wissenschaft Lind Verkehr sind
auch Vertreter anderer Ressorts Mitglieder des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsratpräsident ist mit
Herrn Generaldirektor Hochleitner ein Vertreter der Industrie.
Darüber hinaus ist die Generalversammlung berechtigt dem Geschäftsführer in allen Belangen
Weisungen zu erteilen. In der Generalversammlung hat die Republik Österreich mit 51% der
Anteilsrechte die Mehrheit, die restlichen 49% der Anteilsrechte entfallen auf 51 Gesellschafter
aus dem Bereich der Wirtschaft.
Der Betrieb der Gesellschaft, die Schließung von Geschäftsbereichen sowie die Neukonstituie-
rung von Handelsfeldern und auch die Aufnahme sowie die Entlassung von MitarbeiterInnen ist
daher in erster Linie Sache der Geschäftsführung, die die anstehenden Entscheidungen mit dem
Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung
abzustimmen hat.
1. Ist es richtig, daß die geplanten Kündigungen von Mitarbeitern aus dem wissen-
schaftlich-operativen Bereich unter Mißachtung der Ministerweisung dennoch erfol-
gen? Wenn ja, wieviele Mitarbeiter werden tatsächlich gekündigt?
Wenn ja, welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen, daß Ihre Weisung miß-
achtet wurde?
Wenn nein, wie lange wird es keine Kündigungen im wissenschaftlich-operativen Be-
reich geben?
Antwort:
Derzeit sind keine Kündigungen aus dem wissenschaftlich -operativen Bereich, sondern aus dem
administrativen Bereich vorgesehen, wie dies von der Firma Management Engineers vorgeschla-
gen wurde; auch in diesem Bereich sollen jedoch nicht nur Kündigungen ausgesprochen werden,
sondern es werden begleitende Maßnahmen wie z.B. outsourcing vorgesehen.
Ob es Kündigungen im wissenschaftlichen-operativen Bereich geben wird, kann derzeit nicht
abgeschätzt werden und wird primär vom Ergebnis der in Auftrag gegebenen Analyse durch das
Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG bestimmt.
Ich habe die Organe des ÖFZS darum ersucht, allenfalls noch notwendige Personalrestrukturie-
rungen maßvoll und behutsam, in Abstimmung mit dem Betriebsrat und unter Erstellung eines
Sozialplanes für ausscheidende Mitarbeiter vorzunehmen.
2. Welche Kündigungen sind im laufenden Jahr darüber hinaus vorgesehen?
Antwort:
Ich verweise auf meine Antwort zu Punkt 1.
3. Wie viele qualifizierte Wissenschafter wurden seit 1.9.1996 in den vorzeitigen Ruhe-
stand gepreßt?
Antwort:
Es wurde kein einziger qualifizierter
Wissenschafter in den Ruhestand gepreßt. Detaillierte An
gaben über in den Ruhestand getretene Mitarbeiter sind bei der Geschäftsführung zu erfragen.
4. Wie viele Mitarbeiter aus dem wissenschaftlich-operativ Bereich werden bis zum Ende
des Jahres in den Ruhestand geschickt?
Antwort:
Ich verweise auf meine Antwort zu Punkt 1.
5. Wie ist es zu erklären, daß das Forschungszentrum Seibersdorf im vorigen Herbst zum
Sanierungsfall erklärt wurde?
Antwort:
Aufgrund schwerer Bilanzierungsfehler.
6. Hat der Aufsichtsrat seine diesbezüglichen Verpflichtungen nicht wahrgenommen?
Antwort:
Seitens des Aufsichtsrates wurden die diesbezüglichen Verpflichtungen sehr wohl wahrgenom-
men.
7. Ist der Posten des FZS-Aufsichtsrates mit dem eines Vorstandsdirektors einer kon-
kurrierenden Firma vereinbar?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum ist der Siemens-Vorstandsdirektor Hochleitner Vorsitzender des
FZS - Aufsichtsrates?
Antwort:
Ja, da das ÖFZS zum Unterschied zur rein industriellen Forschung gemeinnützige forschungs-
politische Aufgaben zu erfüllen hat;
gerade für ein wirtschaftsnahes Forschungszentrum ist es
von besonderem Vorteil, wenn ein erfahrener Industriemanager den Aufsichtsrats -Vorsitz inne
hat, wie dies letztlich auch im Syndikatsvertrag vorgesehen ist.
8. Wie viele qualifizierte Wissenschafter wurden seit 1.9.1997 in den vorzeitigen Ruhe-
stand geprellt? Der Vorsitzende des FZS-Aufsichtsrates schlägt in der Hochleitner/
Schmidt - Studie vor, das FZS (ebenso wie das Arsenal) in eine Gruppe von dezentralen
Kompetenzzentren zu zerschlagen. Ist eine derartige Haltung mit Hochleitners FZS-
Aufsichtsratfunktion kompatibel?
Antwort:
Das Papier der Herren Hochleitner/Schmidt sieht keine Zerschlagung des ÖFZS, sondern eine
bessere Anbindung von operativen Einheiten des Forschungszentrums an verschiedene Indu-
striecluster in den Bundesländern vor.
Im übrigen verweise ich auf meine Antwort zu Punkt 3.
9. Sind Sie der Meinung, daß jede strategische Forschung, die nicht innerhalb von zwei
Jahren zu Gewinnen führt, aufzugeben ist?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Nein, zumal jede strategische Forschung eine Vorlaufzeit von 5 oder noch mehr Jahren hat; im
ÖFZS gibt es allerdings auch andere wissenschaftliche Dienstleistungen, (z.B. Technologie -
anwendungen) welche zur Kostendeckung beitragen.
10. Wird das FZS seine bisherigen Aktivitäten in der gemeinnützigen Forschung, in der
Aufrechterhaltung von Expertise in nationalem Interesse und in der Beratung der
Behörden fortsetzen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Ja, weil neben der sehr marktorientierten
Tätigkeit des ÖFZS Interesse von Seiten des Bundes,
der Länder sowie Gemeinden an laufenden Expertisen des ÖFZS besteht (z.B. Umweltmonito-
ring).
11. Wird die Teilnahme an EU-Projekten, die im nationalen und europäischen Interesse
liegen und eine Rückholung von einbezahlten öffentlichen Mittel erlauben, in Zu-
kunft weiter möglich sein, auch wenn diese nicht zu kurzfristigen kommerziellen
Gewinnen führen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Im Prinzip ja, doch wird sich das ÖFZS in Zukunft stärker an jenen EU-Projekten zu beteiligen
haben, welche einen erkennbaren Nutzen für die österreichische Industrie erkennen lassen.
12. Können Sie sich mit der bedingten Vernichtung von unersetzbarer Expertise identifi-
zieren?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Ich verweise auf meine Antwort zu Frage 10.
13. Welche wissenschaftlichen Impulse hat die seit ersten September 1996 installierte
Geschäftsführung in FSZ eingebracht?
Antwort:
Folgende wissenschaftlichen Themenschwerpunkte wurden seitens der neuen Geschäftsführung
festgelegt: Informationstechnik und Telematik, Elektronik und Meßtechnik, Hochleistungs -
werkstoffe, Produktionsinformatik, Wasser,
Systemforschung sowie Lebenswissenschaften.
14. Hat die neue Geschäftsführung ein Forschungskonzept, das über die Neuformulie-
rung des Stipendienwesens, die Einführung einer neuen Kostenkontrolle (SAP) und
die Zerschlagung organisatorischer Strukturen hinausgeht, erarbeitet?
Wenn ja, wie lautet das Konzept?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Ja. Das von der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat vorgelegte Arbeitspapier berücksichtigt
- die Dimensionen der Technologiepolitik und der daraus abzuleitenden Kriterien,
- die betriebswirtschaftliche Dimension,
- die Dimension der Anwender,
- die Dimension der Leistungsarten,
- die geographische Dimension,
- die Dimension der Exzellenz und Wissenserzeugung und schließlich
- die bisher noch gar nicht angesprochene Dimension der Kreativität und Verfügbarkeit von
besonderen Menschen als Motoren der Innovation.
15. Seit 1980 konnte das FZS seine Auftragserlöse sowohl absolut als auch prozentuell
eindrucksvoll steigern. Wie sehen die Trends für 1997, insbesondere für die zweite
Jahreshälfte aus?
Antwort:
Diese Frage wäre an die Geschäftsführung zu richten.
16. Ist es dem Ministerium bekannt, daß Forschung und Akquisition am FZS nicht nur
durch andauernde Verunsicherung als auch durch eine ausufernde Bürokratie ge-
lähmt wird?
Antwort:
Der Sachverhalt ist dem Ressort nicht bekannt.
17. Hält es das Forschungsministerium für vertretbar, daß allein für die zweite Jahres—
hälfte 1997 zehntausende Arbeitsstunden für Managementschulungen, Geschäftsfeld-
planungen und andere forschungsfremden Tätigkeiten vorgesehen sind und daß
diese Zeiten durch Streichung der gesamten strategischen Forschung aufgebracht
werden sollen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Die Planung und Festlegung von Geschäftsfeldern sowie die dafür erforderlichen Vorberei-
tungsarbeiten fallen in die Verantwortung der Geschäftsführung.
18. Ende 1996 wurden die Mitarbeiter des FZS ohne Beschäftigungsgarantie zu Opfern
in dreistelliger Millionenhöhe gezwungen. Durch Nichtbezahlung des Pensionsab-
schlages wurde dieser Vertrag von der Geschäftsleitung gebrochen. Wird das Mini-
sterium eine derartige Vorgangsweise hinnehmen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort;
Mitarbeiter der ÖFZS Ges.m.b.H. wurden zu keinen Opfern in dreistelliger Millionenhöhe ge-
zwungen. In Verhandlungen zwischen der Geschäftsführung der ÖFZS Ges.m.b.H. und der
Belegschaftsvertretung wurde in einem „Letter of intent“ eine grundsätzliche Einigung über
Einsparungen in der Höhe von rund öS 60 Millionen erzielt. Gemäß Betriebsvereinbarung vom
23. Dezember 1996 betreffend Pensionsstatut gelangten die einvernehmlich beschlossenen Ab-
schlagszahlungen zur Anweisung.
19. Das CAORSO-Projekt gehört, vom wirtschaftlichen Standpunkt, zu den erfolgreich-
steil Projekten des FSZ. Dieses Projekt ist null abgelaufen und bedarf zur Fortset-
zung einer Zustimmung des Aufsichtsrates. Es würde über 5 Jahre jährliche Ein-
nahmen voll ca. 60 Mio. Schilling bringen. Da es widersprüchlich erscheint, dem
FZS einerseits Subventionen zu entziehen, andererseits die Akquisition zu behin-
dem, stellt sich die Frage: Wer ist dafür verantwortlich, daß die Fortsetzung des
CAORSO-Projektes noch immer nicht unterzeichnet, ja sogar gefährdet ist?
Antwort:
Die Geschäftsführung ist derzeit bemüht, bei der zuständigen Behörde die politische Zustim-
mung zur Weiterverarbeitung der CAORSO-Abfälle zu erlangen. Die Einfuhr radioaktiver
Abfälle muß allerdings auch in ihrer Relation zum Atomsperrgesetz und der grundsätzlichen
Haltung Österreichs zur Kernspaltung überprüft werden.
Die durch meinen Amtsvorgänger Dr. Busek 1991 als Mehrheitseigentümer erteilte Weisung,
keine weitere Verarbeitung und Konditionierung ausländischer schwach radioaktiver Abfälle
vorzunehmen, ist weiter aufrecht.