2858/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat, Mag. Doris POLLET-KAMMERLANDER und
Genossen, haben am 18. September 1997 unter der ZI. 2910/J-NR/1997 an mich
eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
Laut Bericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international sind in Peru
aufgrund des umstrittenen Antiterrorgesetzes 600 Unschuldige verurteilt worden.
Die Regierung des Präsidenten Fujimori habe erst knapp die Hälfte davon wieder
freigelassen und die bisher freigelassenen hätten kein Revisionsverfahren erhal-
ten, womit ihre Eintragung ins Strafregister erhalten bleibe, kritisiert die Organisa-
tion.
Perus Gesetze zum Kampf gegen Terror führen zu unfairen Prozessen, und Bür-
ger, die des ,,Landesverrats“ beschuldigt würden, könnten vor ein Militärgericht
kommen, kritisiert der Bericht. Die Richter blieben während solcher Prozesse hin-
ter Milchglasscheiben versteckt. Soldaten und Polizisten, die an Verhaftungen und
Verhören beteiligt gewesen seien, könnten nicht als Zeugen vorgeladen werden.
1. Werden diese Berichte von der
österreichischen Vertretung in Peru bestätigt?
2. Welche Reaktionen gab es seitens Ihres Ressorts zum Bericht von Amnesty
International bzw. welche Initiativen zur Wahrung der Menschenrechte in Peru
werden Sie aufgrund des Berichtes ergreifen?
Ich beehre mich, die Anfrage wie folgt zu beantworten:
ZuFrage1:
Peru befindet sich auf Grund des Guerillaterrors und der Drogenproblematik in
einer schwierigen Situation und hat daher Sondermaßnahmen zur Bekämpfung
dieser Probleme ergriffen. Guerilla, Terrorismus und Drogenhandel sind nach pe-
ruanischen Gesetzen als „Landesverrat“ eingestuft, womit die Behandlung den
zivilen Gerichten weitgehend entzogen ist und der Militärgerichtsbarkeit obliegt.
Diese Umstände können MR-Verletzungen nicht rechtfertigen. Österreich vertritt
vielmehr gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union den prinzipi-
ellen Standpunkt, daß auch Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung im Einklang
mit internationalen Menschenrechtsstandards erfolgen müssen.
Auf Grund von Drohungen, Entführungen und Ermordungen von an Verfahren ge-
gen Terroristen und Drogenbosse beteiligten Richtern samt ihren Familienangehö-
rigen wurden im Mai 1992 anonyme Richter - „Richter ohne Gesicht“ - befristet
eingeführt; diese Maßnahme ist am 15. Oktober d.J. ausgelaufen.
Bedauerlicherweise sind keine genauen Zahlen erhältlich, wie viele Menschen auf
Grund des Anti- Terror-Gesetzes verurteilt wurden. Die Österreichische Botschaft
in Limal Peru hält die von Amnesty International im Jahresbericht 1997 genannten
Zahlen von „35 gewaltlosen und mindestens 600 möglicherweise gewaltlosen poli-
tischen Gefangenen“ für einen realistischen Näherungswert.
Ende September 1997 wurden laut Auskunft des angesehenen und auch von der
Opposition unterstützten Volksanwalts Dr.
JORGE SANTISTEBAN NORIEGA dem
Staatsoberhaupt 54 Enthaftungsanträge zur Entscheidung vorgelegt, 10 bis 15
weitere sollten in Kürze folgen. Der Volksanwalt rechnet mit positiver Erledigung.
Weitere Fälle werden von der Volksanwaltschaft untersucht, deren Prüfung aller-
dings zeitaufwendig ist.
Inwieweit die Freigelassenen mit einem Revisionsverfahren und gegebenenfalls
mit finanzieller Entschädigung rechnen können, ist noch nicht geklärt. Es ist jedoch
zu erwarten, daß solche Verfahren gegebenenfalls sehr lange dauern würden.
Zu Frage 2:
Die prekäre und schwierige Lage der Menschenrechte in Peru ist bekannt. -
reich hat daher im Rahmen und in Zusammenarbeit mit den Partnern in der Euro-
päischen Gemeinschaft entsprechende Initiativen gesetzt.
Während der 53. Tagung der UN-MRK hat die EU einerseits den Empfang des
,,Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers“, Herrn Cuma-
raswamy, durch die Regierung Perus sowie Verbesserungen im System der
„Richter ohne Gesicht" begrüßt, andererseits ausdrücklich ihre Besorgnis über die
Lage der Menschenrechte in Peru zum Ausdruck gebracht und insbesondere die
weitere Verwendung der „Richter ohne Gesicht“ kritisiert. Kritik wurde auch gegen
ausbleibende Bestrafung der Urheber von Menschenrechtsverletzungen sowie
gegen willkürliche Inhaftierung und Mißhandlung gerichtet.
Interventionen der EU-Troika sind immer wieder erfolgt, haben allerdings nie so-
fortige Wirkung gezeitigt. Vielmehr wurde peruanischerseits regelmäßig entgegen-
gehalten, daß Extremsituationen wie in Peru auch extreme Maßnahmen erforder-
ten. Doch gehen die Befassung der peruanischen Volksanwaltschaft mit dem
Thema und die Ernennung des belgischen Gefängnisgeistlichen P. Lanssiers zum
persönlichen Beauftragten des
Staatspräsidenten sowie seither gesetzte Maß-
nahmen zur Erleichterung der Haftbedingungen auch auf dieses ständige Drängen
der EU-Staaten zurück. Dabei bewähren sich meist Diskretion und „stille Diploma-
tie“, da öffentliche Vorhaltungen nicht immer positive Wirkungen für das Los un-
schuldig Inhaftierter zeitigen.
Auch bei der bevorstehenden Behandlung von Menschenrechtsfragen auf der UN-
Generalversammlung in New York wird die EU weitere Gelegenheiten ergreifen,
die Menschenrechte in Peru - insbesondere die notwendige menschenrechtskon-
forme Anwendung der Antiterrorgesetzgebung und deren entsprechende Modifi-
zierung - anzusprechen.