2870/AB XX.GP

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

Die Abgeordneten zum Nationalrat, Mag. Doris POLLET-KAMMERLANDER,

Freundinnen und Freunde, haben am 18. September 1997 unter der ZI. 2907/J-

NR/1997 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den folgenden Wort-

laut hat:

„1. Stimmt es, daß die Gesetzeslage dahingehend geändert wurde, daß der pe-

ruanische Staat sich gegenüber den Erdölgesellschaften verpflichtet, in Zonen

„öffentlicher Notwendigkeit“ Sicherheiten durch das Innen- und Verteidigungsmini-

sterium zu geben?

2. Stimmt es, daß Protestaktionen von Bauern und Umweltschützern gegen Öl-

konzerne als „Terrorismus“ interpretiert werden, Angeklagte von Militärgerichten im

Schnellverfahren abgeurteilt werden und in Gefängnissen verschwinden? Wenn ja,

wieviele Fälle sind Ihnen bekannt?

3. Stimmt es, daß das Verbot des Abbaus von Energieressourcen in Naturschutz-

gebieten aufgehoben wurde?

4. Stimmt es, daß auch die Bestimmung aufgehoben wurde, wonach indigene

Gemeinschaften Kompensationsansprüche stellen können, wenn ihre Rechte

durch den Ressourcenabbau beeinträchtigt werden?

5. Ist es richtig, daß es ein ,,Gesetzesdekret für das Wachstum der privaten Wirt-

schaft“ gibt, wonach Betroffene, die eine Klage einreichen, im Falle, daß die Klage

abgewiesen wird, für den „zu verantwortenden Schaden“ haften müssen?

6. Stimmt es daß der Shell-Konzern Lizenzverträge mit der Regierung abge-

schlossen hat? Ist es richtig, daß deren Laufzeit 40 Jahre beträgt und durch Art.

62 der Verfassung in keinen durch Regierungsdekret bewilligten Lizenzvertrag

eingegriffen werden kann?

7. Stimmt es, daß die Lizenzverträge mit Shell sich über ein Gebiet von 20.000

km2 im Tal des Urubamba-Flusses erstrecken und auch in den von internationalen

Organisationen geförderten Manu-Nationalpark hineinreichen?

8. Stimmt es, daß die o.a. Lizenzverträge mit Shell Gebiete von fünf verschiede-

nen Indianervölkern umfassen? Wenn ja, welche, inwiefern wurden ihre Rechte

wahrgenommen und mit welchen Konsequenzen (Einleitung des Bohrschlammes,

Endlagerstellen für giftige Materialien) für die Indianerdörfer ist zu rechnen?

9. Der österreichische Nationalrat hat einstimmig beschlossen, daß Österreich die

ILO-Konvention 169 zum Schutz der indigenen Rechte ratifizieren soll. Wurde die

Ratifizierung bereits eingeleitet?

Die Artikel der Konvention betreffen v.a. den Schutz vor Entzug bzw. Zerstörung

des traditionellen Lebensraumes. Welche Initiativen zum Schutz und zur Durch-

setzung der indigenen Rechte in Peru werden Sie ergreifen ?„

Ich beehre mich, die Anfrage wie folgt zu beantworten:

Zu Frage 1>

Ja. Diese Sicherheiten gelten für das gesamte Staatsgebiet und sollen außer-

peruanische Investoren absichern. In ganz Peru sind Polizei (Innenministerium)

und Militär (Verteidigungsministerium) gemeinsam für die innere Sicherheit zu-

ständig. Die aktuellen Erdöl- und Gas-Prospektions- und Förderzonen liegen

durchwegs in abgelegenen Regenwaldzonen. In solche Gebiete haben sich die

verbliebenen Reste der Guerillas vom „Leuchtenden Pfad“ und dem ‚,MRTA“ zu-

rückgezogen.

Zu Frage 2>

Nein. Die peruanische Volksanwaltsschaft stellte dazu in einer schriftlichen Infor-

mation an die Österreichische Botschaft Lima fest: „Es stimmt nicht, daß Pro-

testaktionen, sei es von Bauern, Eingeborenen, Menschenrechts- und Umweltakti-

visten •.. als Terrorismus interpretiert werden. Wir verfügen derzeit über keinerlei

Erkenntnisse dahingehend,daß irgend jemand verfolgt, festgehalten oder ver-

urteilt wurde, weil er mit der peruanischen Politik im Zusammenhang mit dem

Thema Erdöl— und Erdgas—Erschließung nicht einverstanden war .... Es ist aber

richtig, daß „Richter ohne Gesicht“ bei Militärgerichten in summarischen Verfahren

Zivilisten für Delikte verurteilt haben, die als ,‚Terrorismus“ qualifiziert wurden

Das System der „Richter ohne Gesicht“ ist mit 15. Oktober 1997 ausgelaufen, weil

die betreffende Ausnahmegesetzgebung, die durch Jahre befristet bestanden hat,

nicht mehr verlängert wurde.

Zu Frage 3)

Ja. Die wirtschaftliche Nutzung von Naturschutzgebieten unterliegt aber gesetzli-

chen Einschränkungen durch das am 26.07.1997 verlautbarte „Organische Ge-

setz über die nachhaltige Nutzung von Bodenschätzen“. Darüberhinaus verpflich-

tet das Gesetz vom 4.07.1997 über Naturschutzgebiete den Staat zum Schutz

solcher Gebiete. Kontrollierte Nutzung natürlicher Vorkommen wird aber unter we-

sentlichen Einschränkungen nicht ausgeschlossen.

Im Falle der Öl- und Gasbohrungen wäre es wichtig, daß sich unabhängige perua-

nische und ausländische Institutionen wie Universitätsinstitute, Stiftungen u.dgl. an

den Kontrollen beteiligen. Shell—Peru gelangte etwa im Mai 1997 zu einem Über-

einkommen mit ,,Red Ambiental Peruana — RAP“ (Peruanischer Umweltschutz),

wonach sich 35 in ,‚RAP“ zusammengeschlossene NGOs mit den sozialen und

Umweltbegleiterscheinungen der Bohrprojekte befassen.

Zu Frage 4)

Nach geltender peruanischer Rechtsordnung berechtigt Art. 82 des obgenannten

„Organischen Gesetzes“ aus 1997 einen Konzessionsinhaber, Verträge über Was—

sernutzung, Bodennutzung und andere Servituten zum Zwecke der konzessions-

gemäßen Verwendung des Terrains abzuschließen. Der einzuschlagende Weg

wird in einem ‚,Decreto Supremo“ aus Oktober 1996 vorgegeben. Es handelt sich

dabei um vertragliche Regelungen mit den betroffenen indigenen Gemeinschaften

oder, wenn der Konzessionsinhaber innerhalb von 30 Tagen zu keiner vertragli-

chen Vereinbarung gelangt, mit er zuständigen lokalen Administration. Jedenfalls

aber haben die betreffenden indigenen Gemeinschaften das Recht auf Entschädi-

gung, deren Höhe und Form vertraglich festzulegen sind. Der Anspruch auf Ent-

schädigung entsteht bereits mit der Anwesenheit des Konzessionsinhabers im

Gebiet der indigenen Gemeinschaften, also auch ohne daß diesen ein nachweisli-

cher Schaden entstanden ist.

Zu Frage 5)

Ja. Das Gesetzesdekret vom 8.09. 1990, der ,,Kodex über Umwelt und Natur-

schätze“, gesteht jedermann das Recht zu, zwecks Verteidigung von Umwelt, Na-

turschätzen und Kulturgütern eine rasche und durchsetzbare gerichtliche Ent-

scheidung herbeizuführen.

In der Folge wurde dieser Kodex verschiedentlich ergänzt und damit auch der ur-

sprüngliche Sinn seiner Bestimmungen verändert. Unter diese Bestimmungen fällt

auch das Gesetzesdekret vom 13.11.1991, das „Rahmengesetz für das Wachstum

der privaten Investitionen“. Darin heißt es u.a.: „Wer unter Berufung auf Art. III Par.

2 der einleitenden Bestimmungen zum . ..Umweltkodex ein gerichtliches Verfahren

anstrengt und darin nicht obsiegt, wird für derart entstandene Schäden und Nach-

teile zur Verantwortung gezogen.

Solche Schäden und Nachteile müßten allerdings in Übereinstimmung mit der

geltenden Gesetzgebung nachgewiesen werden.

Zu Frage 6)

Ja. Shell-Peru und andere Konsortien haben langfristige Verträge abgeschlossen,

in welche die Regierung grundsätzlich nicht nachträglich mittels Dekret eingreifen

kann. Die Begründung ist u.a. in den sehr hohen Investitionen zu suchen, die kei-

ne peruanische Gruppe zu finanzieren vermöchte. Art. 62 der Verfassung soll au-

ßerdem Rechtssicherheit gewährleisten. Meinungsverschiedenheiten über Ver-

tragsinhalte können gemäß diesem Artikel ,,. .nur auf dem Wege der Schiedsge-

richtsbarkeit oder der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit“ gelöst werden.

Zu Frage 7)

Laut Auskunft von Shell-Peru umfaßt das derzeitige konzessionsgebiet drei Lose

von insgesamt 10.000 km2. Davon grenzt das aus zwei Losen bestehende Cami-

sea-Schürfgebiet an den Manu-Nationalpark, reicht aber nicht in diesen hinein.

Zu Frage 8)

Dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ist nicht bekannt, wie

viele Indiovölker die betreffenden Gebiete umfassen. Zwei größere Stämme sind

dort seßhaft, die Machiguenga und die Piro. Nomadisierend in derselben Region

scheinen Kugapakon und Nahua auf.

Bei der Wahrnehmung der Rechte der indigenen Bevölkerung stützt sich Shell-

Peru eigenen Angaben zufolge auf die ILO-Konvention 169.

Neben dem peruanischen Energieministerium überwacht eine eigene Indio-

Abteilung der Volksanwaltschaft die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen

durch häufig wiederkehrende Inspektionen auf allen Gebieten. Die Volksanwalt-

schaft unter ihrem gegenwärtigen Leiter Dr. Jorge Santisteban Noriega ist ein

staatliches Organ Perus, das auch bei der Opposition Vertrauen genießt.

Zu Frage 9)

Die Frage der Ratifikation der ILO-Konvention 169 durch Österreich war Gegen-

stand eines neuerlichen Prüfungsverfahrens, in dem die sachlich zuständigen

Ressorts Bedenken vorgebracht haben. Die sachliche Beurteilung fällt nicht in die

Zuständigkeit des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten.

Peru hat die Konvention nicht ratifiziert und ist daher nicht verpflichtet, sie anzu-

wenden.

Die Bemühungen der UN-Menschenrechtskommission und ihrer Unterkommission

zum Schutz der indigenen Völker, namentlich die Erarbeitung einer UN-Erklärung

und die Errichtung eines Ständigen Forums für Eingeborene, werden von Öster-

reich unterstützt.