2872/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Wien
zur Zahl 3005/J-NR/1997
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Harald Ofner, Mag. Erich L. Schreiner und
Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Gefährdung der Wei-
terexistenz der Justizanstalt Krems, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
1. Ist tatsächlich vorgesehen, die Justizanstalt Krems aufzulassen und mit der Er-
füllung der von ihr derzeit wahrgenommenen Aufgaben die Justizanstalt Stein
zu betrauen?
2. Wenn ja, welchen zeitlichen Ablauf haben Sie für dieses Vorhaben vorgese-
hen?
3. Ist Ihnen bewußt, daß die Möglichkeit der Einsparung von Planstellen, die of-
fensichtlich den Hintergrund für das Vorhaben, die Justizanstalt Krems aufzu-
lassen, bildet, sich, wenn sie überhaupt gegeben sein sollte, in sehr engen
Grenzen halten würde?
Dies einerseits deshalb, weil ein Rest der Justizanstalt Krems jedenfalls erhal-
ten bleiben müßte, um z.B. Hand-Zellen zur Verfügung zu haben, in denen
Häftlinge während Verhandlungspausen untergebracht werden können, etc.;
weil die Verlagerung der Aufgaben der Justizanstalt Krems in die Justizanstalt
Stein und die Verlegung der Häftlinge aus Krems nach Stein ja eine entspre-
chende Aufstockung des Personalstandes in Stein zur Folge haben müßte;
vor allem aber, weil die Vorführung zu Richtern, zu Verhandlungen etc. in das
Landesgericht Krems dann nicht innerhalb desselben Hauses erfolgen könnte,
sondern in Kraftfahrzeugen mit Lenker und
Eskorte jeweils von der Justizan-
stalt Stein in das Landesgericht Krems - und selbstverständlich auch wieder
zurück - erfolgen müßte?
4. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt, daß die Richter des Landesge-
richtes Krems bereits unisono erklärt haben, es arbeitsmäßig nicht bewältigen
zu können und daher abzulehnen, zum Zwecke der Vernehmung von Untersu-
chungshäftlingen etc. nicht wie bisher in die Justizanstalt - im eigenen Haus -
gehen zu können, sondern nach Stein fahren zu müssen?
5. Wie. wollen Sie das beträchtliche Sicherheitsrisiko verantworten, das damit ver-
bunden wäre, wenn Häftlinge zu jeder Vernehmung und zu jeder Verhandlung
- im Kraftfahrzeug mit Lenker und Eskorte - von der Justizanstalt Stein in das
Landesgericht Krems und zurück befördert werden müßten, wobei zumindest
bei den Verhandlungen allenfalls auf freiem Fuß befindlichen komplizen die
genauen Termine bekannt wären?
Wobei die „wunden Punkte“ der Transporte auf der Straße selbst, das Verlas-
sen des Fahrzeuges vor dem Gebäude des Landesgerichtes Krems, der Weg
vom Fahrzeug in das Gerichtsgebäude und schließlich auch der im Gerichts-
gebäude bis in den Verhandlungssaal - und zurück - etc. wären.
6. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang bewußt, daß die Zahl der Vorführungen
aus der Justizanstalt Krems zu Richtern etc. in das Landesgericht Krems, also
innerhalb des selben Hauses, im Jahre 1996 nicht weniger als 1.220 - Ten-
denz sehr stark steigend - betragen hat?
7. Derzeit sind in der Justizanstalt Krems auch weibliche Häftlinge untergebracht.
Weder die Justizanstalt Stein, noch etwa die Justizanstalt St. Pölten sind der-
zeit auf die Unterbringung von Frauen eingerichtet.
Wo sollen - für den Fall der tatsächlichen Auflassung der Justizanstalt Krems -
die derzeit dort befindlichen Frauen untergebracht werden?
8. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang den Umstand, daß das Gebäude der
Justizanstalt Krems eben erst völlig renoviert worden ist, bzw. daß die Baulich-
keiten der Justizanstalt Stein für den Fall, daß dort auch die Häftlinge aus
Krems untergebracht werden sollten müssen, umfangreich umzubauen wären?
9. Wie stellen Sie sich zu dem Problem, daß die Häftlinge aus der Justizanstalt
Krems, Untersuchungshäftlinge und solche,
die zu relativ kurzen Freiheitsstra-
fen verurteilt worden sind, in der Hochsicherheitsanstalt Stein einen „Fremd-
körper" darstellen würden, der räumlich von den traditionellen Insassen von
Stein, meist zu langjährigen, wenn nicht gar lebenslangen Freiheitsstrafen Ver-
urteilte, strikt getrennt werden müßte?
10. In der Justizanstalt Krems finden naturgemäß Ausgänge, Freigänge etc. statt.
Teilen Sie die Ansicht, daß die Verlagerung dieser Vorgänge in die Hochsi-
cherheitsanstalt Stein ein beträchtliches zusätzliches Risiko nicht zuletzt inso-
ferne bedeuten würde, als Mitglieder der klassischen Population dieser Anstalt
zweifellos sofort darangehen würden, mit nahezu allen Mitteln zu trachten, die
unerfahrenen Ausgänger bzw. Freigänger aus Krems dazu zu bringen, für sie
Boten- bzw. Schmuggeldienste zu erledigen, ob sie dies nun wollen oder
nicht?
Sind Sie - mit dem Fragesteller - der Ansicht, daß die moderne Strafrechtspfle-
ge zurecht auf dem Grundsatz der Differenzierung zwischen jungen und alten
Tätern, erstmals Verurteilten und wiederholt Vorbestraften, einmal Gestrau-
chelten und Berufskriminellen etc. beruht?
11. Würde die Zusammenlegung der Häftlinge aus der Justizanstalt Krems mit der
traditionellen Population der Hochsicherheitsanstalt Stein nicht kraß gegen die-
sen Grundsatz verstoßen und damit einen signifikanten Rückschritt in der
Strafrechtspflege bedeuten?
12. Wie sehen Sie das Problem, daß es für Häftlinge in Justizanstalten in Verbin-
dung mit Gerichtshöfen hinsichtlich der sie betreffenden Probleme einen drei
Instanzen umfassenden Rechtszug gibt, in den übrigen Justizanstalten, also
etwa in Stein, jedoch lediglich einen solchen über zwei Instanzen;
daß es dann also in Stein Häftlinge gäbe, denen an und für sich aufgrund ihrer
rechtlichen Position ein Rechtszug mit drei Instanzen zustünde, sie aber ledig-
lich einen solchen über zwei Instanzen in Anspruch nehmen könnten?
Wie würde man sich über diese offensichtliche Verfassungswidrigkeit in Folge
Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot hinwegturnen können?
13. Die Justizanstalt Krems arbeitet außerordentlich billig:
Jeder Häftling kostet dort pro Tag lediglich ca. öS 900,--!
Wieviel kostet ein Häftling pro Tag in
der Justizanstalt Stein?
Wieviel würde bei Verlegung der Häftlinge von Krems nach Stein der Mehrauf-
wand ausmachen?
14. Trifft es zu, daß in der Justizanstalt Stein 1996 2.332 Tage an Verwaltungs-
strafen verbüßt worden sind, 1997 bis Ende August bereits 2.065 Tage?
Wo soll es zu diesen Verbüßungen bei Auflassung der Justizanstalt Krems
kommen?
15. Trifft es zu, daß auch die Justizanstalt Steyr sowie das Gefangenenhaus beim
Jugendgerichtshof Wien und die Justizanstalt Gerasdorf von der Auflösung be-
droht sind, desgleichen die Außenstelle der Justizanstalt Feldkirch in Dorn-
birn?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu1bis14:
Die Verfassungsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit
verpflichten auch das Justizressort zu einer möglichst effizienten und effektiven Auf-
gabenerfüllung. Die nach diesen Grundsätzen ausgerichteten Optimierungsbestre-
bungen müssen selbstverständlich auch bestehende Organisationsstrukturen ein-
schließen und hinterfragen.
Tatsache ist, daß der Planbelag der Justizanstalt Krems 181 Haftplätze beträgt. Von
diesen Haftplatzen sind derzeit 70 von Insassen belegt, die außerhalb des Landes-
gerichtssprengels Krems ihren Wohnsitz haben oder die an sich in einer Strafvoll-
zugsanstalt unterzubringen wären. Nach den vorliegenden Prognosen wird der In-
sassenstand der Justizanstalt Krems in bereits absehbarer Zeit - sobald die auf
Grund der Entschließung des Nationalrates vom 12. November 1992, E75 NR
18. GP, in Wien zu errichtenden Haftplätze fertigstellt sein werden - voraussichtlich
auf 80 bis höchstens 100 Insassen zurückgehen. Es drängt sich daher die Frage
auf, ob den einleitend angesprochenen Verfassungsgrundsätzen besser entspro-
chen wird, wenn die - nur rund einen halben Kilometer von Stein entfernte
Justizanstalt Krems auf dem Areal der Justizanstalt Stein - unter Wahrung der unter-
schiedlichen Aufgabenstellungen dieser beiden Justizanstalten - untergebracht wird.
Dazu wird derzeit eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die unter anderem auch zu
den in der Anfrage aufgeworfenen Problemen und Fragen Stellung zu nehmen hat.
Selbstverständlich werden vor einer
Entscheidung auch Stellungnahmen der betrof-
fenen Dienststellen und der zuständigen Personalvertretungsorgane eingeholt wer-
den.
Zu 15:
Es trifft zu, daß die Mitunterbringung der Justizanstalt Steyr auf dem Areal der Justi-
zanstalt Garsten - unter Wahrung der unterschiedlichen Aufgabenstellungen dieser
beiden Justizanstalten - in Erwägung gezogen wird. Eine über Auftrag des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten ausgearbeitete Architektenstudie
hat bereits die bauliche Möglichkeit durch eine entsprechende kubaturvermehrung
des für die Justizanstalt Garsten ohnehin zusätzlich benötigten Einfahrtschleusenge-
bäudes bejaht. Die Kosten dieser Neuunterbringung wär6n deutlich niedriger als die
einer ansonsten unaufschiebbaren Generalsanierung des derzeitigen Gebäudes der
Justizanstalt Steyr, das aus dem 17. Jahrhundert stammt und - rund 1,5 km vom
Gerichtsgebäude entfernt - im Zentrum von Steyr gelegen ist.
Hinsichtlich der anderen in der Anfrage genannten Standorte bestehen derzeit keine
Überlegungen für eine neue Unterbringung.