2882/AB XX.GP
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr.
2963/J betreffend ‚Brisante Privatstunde zur Vignettenmoral‘‘,
welche die Abgeordneten Mag. Trattner, Ing. Meischberger und
Kollegen am 19. September 1997 an mich richteten und aus Gründen
der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigelegt ist, stelle ich
einleitend fest, daß mir die angsprochene Studie nur in Form von
Zeitungsartikeln bekannt ist.
Ich habe daher die gemäß Infrastrukturfinanzierungsgesetz
zuständige ASFINAG bzw. deren Tochtergesellschaft ÖSAG ersucht,
zu den einzelnen Fragen Stellung zu nehmen. Aufgrund dieser
Stellungnahme erlaube ich mir, folgendes mitzuteilen:
AntwprtzuPunkt1derAnfrage:
Herr Dr. Robert Nusser ist angestellter Redakteur der Raiffeisen
Zeitung und hat in dieser Funktion Recherchen über den
Vignettenausrüstungsgrad erhoben und in einem Artikel der
Raiffeisen Zeitung veröffentlicht. Die
Privatstudie‘‘ des Herrn
Dr. Robert Nusser, die die Quelle dieses Artikels ist, kennt die
ÖSAG, wenn sie über den Inhalt dieses Artikels hinausgeht, nicht.
Darüber hinaus hat Herr Dr. Nusser die Ergebnisse seiner
Untersuchungen auch anderen Medien, z.B. dem Wochenmagazin
„News‘ angeboten.
Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:
Die empirische Aussagekraft und Seriosität dieser Studie hat die
Qualität einer Einmannerhebung und stützt sich laut den von Herrn
Dr. Nusser der ÖSAG gegebenen Mitteilungen im wesentlichen auf
optische Kontrolle des ruhenden Verkehrs auf Parkplätzen oder
Raststätten einerseits bzw. des fließenden Verkehrs auf der
Wiener Südosttangente andererseits, den er von Überführungen
mittels Fernglas auf den Vignettenausrüstungsgrad überprüft hat.
Fraglich ist, ob bei dieser Methode z.B. hinter grüngetönten
Windschutzschreibenstreifen angebrachte Vignetten richtig erkannt
werden können.
Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:
Die ÖSAG erhebt mit einem dreiköpfigen fliegenden Team ganzjährig
auf möglichst allen Autobahnen in verschiedenen Zeiträumen den
Vignettenausrüstungsgrad. Bevorzugte Erhebungsstandorte sind
dabei Bereiche des ruhenden Verkehrs, also Parkplätze,
Raststätten, Mautstellen und Staatsgrenzen. Monatlich werden
durchschnittlich 20.000 Stichproben gezogen. Das von der ÖSAG im
Zusammenhang mit dem ersten Halbjahresbericht veröffentlichte
Ergebnis nannte einen durchschnittlichen Vignettenausrüstungsgrad
von 95 %, zu dem sich die ÖSAG nach wie vor bekennt. Er
resultiert aus dem durchschnittlichen Ausrüstungsgrad von
inländischen Fahrzeugen von 98 % und von ausländischen Fahrzeugen
von 80 bis 85 %.
In den Monaten des Sommerhauptreiseverkehrs Juli und August sank
naturgemäß, mit Zunahme des ausländischen Fahrzeugkollektivs, der
durchschnittliche gesamte Vignettenausrüstungsgrad auch in den
Erhebungen der ÖSAG auf - je nach Strecke - 80 bis 90 %. Er stieg
im September - mit Zurückgehen des ausländischen Fahrzeuganteiles
- wieder auf die ursprünglichen Werte von durchschnittlich 95 %
an.
Es gibt daher eigentlich keine gravierenden Unterschiede zwischen
den Ergebnissen des Herrn Dr. Nusser und denen der ÖSAG, da die
Erhebungen des Herrn Dr. Nusser im August erfolgten.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Laut Auskunft unserer Schweizer Fachkollegen beträgt der
durchschnittliche Vignettenausrüstungsgrad in der Schweiz in den
letzten Jahren durchschnittlich 95 %. Die Ergebnisse des ersten
Betriebsjahres in Österreich sind daher - außerhalb des
Sommerverkehrs - als durchaus zufriedenstellend zu bezeichnen.
Ein l00%-Eefolgungsgrad eines Pauschalsystems mit
stichprobenartiger Kontrolle wird nie erreichbar sein. Die Moral
der ausländischen Pkw-Lenker wird verbessert durch weiterführen
der Informations- und Aufklärungsarbeit der ÖSAG und den damit
zunehmenden Bekanntheitsgrad des österreichischen
Vignettensystems in Europa, insbesondere auch durch Bekanntwerden
einer hohen Kontrolldichte seitens der dazu berufenen
Kontrollorganisationen. Die Befolgung der Vignettenpflicht durch
ausländische Kraftfahrer wird daher mittel- und langfristig
wesentlich in der Hand der Kontrollorganisationen von Polizei,
Gendarmerie und Zollwache liegen.
Die ÖSAG glaubt, daß die im ersten Jahr der Vignettenpflicht
voraussichtlich abgeführten Einnahmen aus Vignettenersatzgebühren
und Strafgebühren von ATS 70 Millionen eine gute bis
zufriedenstellende Kontrolldichte signalisieren,
wobei es
regional gravierende Unterschiede gibt und beispielsweise in den
westlichsten Bundesländern noch Verbesserungen möglich scheinen.
Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:
Die Erhöhung des Strafenkataloges für Vignettensünder ist keine
zielführende Maßnahme, da der Vignettensünder in der Regel als
ausländischer Kraftfahrer nur ein potentieller
Wochenvignettenkäufer ist, sodaß die Relation der Ersatzgebühr
von ATS 1.100,-- zum Preis der Wochenvignette von ATS 70,-- für
PKW eine ausreichende Hebelwirkung hat.
Antwort zu den Punkten 6 und 7 der Anfrage:
Eine verschärfte Kontrolltätigkeit der Exekutive würde mit hoher
Wahrscheinlichkeit der Vignettenmoral zuträglich sein.
Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:
Nach Ermittlungen der ÖSAG geht derzeit der ASFINAG durch
Schwarzfahrer eine Jahreseinnahme von brutto ATS 50 Millionen
bis ATS 100 Millionen verloren. Wie bereits ausgeführt, könnte
eine intensivere Vignettenkontrolle den Vignettenausrüstungsgrad
erhöhen. Anzumerken ist, daß eine Restgröße von
‚Schwarzfahrern als zumindest teilweise "systemimmanent" in
der Pauschalregelung einer Vignettenorganisation in Kauf genommen
werden muß.
Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:
Die Schweiz hat als Nichtmitgliedsland der EU rundum geschlossene
Grenzen, sodaß bei jedem Grenzübertritt ein Zollorgan dem
Kraftfahrer gegenübertritt. In Österreich hingegen sind alle
Grenzen zu Deutschland und Italien bereits jetzt sehr weit offen
und ab April nächsten Jahres
gänzlich offen.
Gerade aufgrund der anderen Rahmenbedingungen konnten die
Zollorganisationen der Schweiz gesetzlich verpflichtet werden, am
Vignettensystem durch Informationen und Überwachung teilzunehmen.
Die Information ist dabei der erste Überwachungsschritt, der in
der Schweiz bei jedem Grenzübertritt durch den Zollbeamten
gesetzt wird. In Österreich hingegen wurde gesetzlich für die
Organe des Zolls keine Informationspflicht, sondern nur eine
Kontrollpflicht statuiert. Daher ist generell von den
Rahmenbedingungen her die Vignette in der Schweiz einfacher zu
beherrschen als in Österreich.
Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:
Der Erfahrungsaustausch mit den Schweizer Behörden wird von der
ÖSAG seit Projektstart intensiv und regelmäßig gepflogen und ist
in vielen Bereichen in Umsetzungen der österreichischen
Ablauforganisation eingeflossen. Hinsichtlich der
Vignettenkontrolle fand der Erfahrungsimport jedoch seine Grenze
in den oben genannten unterschiedlichen Rahmenbedingungen.