291/AB

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Weihnachtsgnadenaktion 1995,

gerichtet und folgende Fragen gestellt:

 

''1. Warum haben Sie Personen, die nach den anti-homosexuellen Sonderstrafbe-

stimmungen §§ 209, 220, 221 StGB verurteilt wurden, generelI und von vorn-

herein von der Weihnachtsgnadenaktion 1995 ausgeschlossen?

 

2. Warum setzten Sie sich damit über die gegenteilige Ansicht des Herrn Bundes-

präsidenten hinweg, daß ''bei keiner Straftat bzw Tätergruppe a priori das Vor-

liegen von besonderen Umständen, die eine Begnadigung rechtfertigen, aus-

geschlossen werden kann''?

 

3. Warum setzten Sie sich über lhre eigene, der ''Plattform gegen § 209'' am

30.3.1993 gegebenen Zusicherung hinweg, nach den anti-homosexuellen

§§ 209, 220, 221 StGB Verurteilte nicht generell von Gnadenaktionen - auch

nicht von Weihnachtsgnadenaktionen - auszuschließen?

 

4. Wie ist die besondere Benachteiligung von nach den §§ 209, 220, 221 StGB

Verurteilten in der Weihnachtsgnadenaktion mit lhren wiederholten lnitiativen

zur ersatzlosen Aufhebung dieser diskriminierenden Gesetze in Einklang zu

bringen? .

 

5. Welche Überlegungen sind ausschlaggebend dafür, daß Sie nach den anti-ho-

mosexuellen Sonderstrafgesetzen §§ 209, 220, 221 StGB Verurteilte, nicht

aber Mörder, Totschläger, Körperverletzer, Räuber und sogar Täter nach dem

Verbotsgesetz, genereIl und von vornherein von der Weihnachtsgnadenaktion

ausschließen?

 

6. Werden Sie auch 1996, nach den anti-homosexuellen §§ 209, 220, 221 StGB

Verurteilte, nicht aber Mörder, Totschläger, Körperverletzer, Räuber und sogar

Täter nach dem Verbotsgesetz, generell und von vornherein von der Weih-

nachtsgnadenaktion ausschließen?

Wenn ja, warum?

 

7. Warum haben Sie das Schreiben der ''Plattform gegen § 209'' vom 18.9.1995

nicht beantwortet?''

 

 

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

 

ln teiIweiser Beantwortung der Frage 6. möchte ich vorwegnehmen, daß im Rahmen

der derzeit in Ausarbeitung stehenden Neuregelung des Weihnachtsbegnadigungs-

verfahrens beabsichtigt ist, dieses Verfahren unter anderem auch auf Personen an-

wendbar zu machen, die nach den §§ 209, 220 und 221 StGB verurteilt worden

sind.

 

Zu 1 und 4:

 

Die das Weihnachtsgnadenverfahren regelnden Erlässe des Bundesministeriums

für Justiz haben bisher die Anwendung dieses Verfahrens auf alIe Personen, die ein

Sexualdelikt zu verantworten haben, ausgeschlossen. Maßgebend hiefür war die

Erfahrung, daß die für die Erstattung eines Gnadenvorschlages erforderliche

Annahme künftigen Wohlverhaltens bei dieser Personengruppe in der Regel eine

weit eingehendere und sensiblere Befassung mit der Persönlichkeit des Verurteil-

ten, seiner psychischen Entwicklung und seinem künftigen sozialen Umfeld erfor-

dert, als dies im Rahmen des Weihnachtsgnadenverfahrens wegen des durch seine

Termingebundenheit bestehenden Zeitdruckes und der sich daraus zwangsläufig er-

gebenden Beschränkung der prognostischen ErkenntnisqueIIen möglich ist.

 

Zu 2:

 

lch schließe keineswegs irgendeine Gruppe strafgerichtlich Verurteilter grundsätz-

lich und vornherein von der Möglichkeit einer Begnadigung aus. Damit ist allerdings

nicht gesagt, daß jede Form des Gnadenverfahrens auf jeden Rechtsbrecher ohne

Rücksicht auf dessen Persönlichkeit und die besonderen Aspekte seiner Sache

sinnvoll und zielführend angewendet werden kann. Das Weihnachtsgnadenverfah-

ren ist nicht für alle Gruppen von Verurteilten in gleicher Weise geeignet. Der - im

übrigen den größten Teil der Rechtsbrecher betreffende - Ausschluß hievon bedeu-

tet kein WerturteiI und verändert keineswegs die Aussichten auf Gewährung eines

Gnadenerweises im Rahmen eines (außerhalb des Weihnachtsgnadenverfahrens

durchgeführten) allgemeinen Gnadenverfahrens.

 

Zu 3:

 

lch habe nie die Einleitung von Gnadenverfahren und die Erstattung von Gnaden-

vorschlägen an den Herrn Bundespräsidenten bei der in Rede stehenden Gruppe

von VerurteiIten von vornherein ausgeschlossen. An eine Zusicherung des lnhalts,

daß die Prüfung der Gnadenfrage auf dem Wege des Weihnachtsgnadenverfahrens

erfolgen solle, kann ich mich persönlich nicht erinnern. Ebensowenig ist eine solche

Zusicherung in den Akten des Bundesministeriums für Justiz evident.

 

Zu 5 und 6:

 

Die das Weihnachtsgnadenverfahren regelnden Erlässe des Bundesministeriums für

Justiz schließen stets Personen, die Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von mehr

als 5 Jahren zu verbüßen haben, von diesem Verfahren aus. Eine Aufzählung von

Delikten, die der Schwerkriminalität zuzurechnen sind, in den Ausschließungsgrün-

den ist insoferne überflüssig. Rechtsbrechern, die nach dem Verbotsgesetz abgeur-

teilt worden sind, und ihren Sympathisanten soll auch in Hinkunft nicht die Möglich-

keit geboten werden, den ausdrücklichen Ausschluß aus der Weihnachtsbegnadi-

gung für ihre Zwecke propagandistisch zu mi ßbrauchen. lch beabsichtige daher

nicht, in dieser Beziehung 1996 anders vorzugehen als bisher. lm übrigen verweise

ich auf meinen einleitenden Hinweis.

 

Zu 7:

 

Da das Schreiben der Plattform gegen § 209 vom 18.9.1995 im wesentlichen neuer-

lich das schon im Schreiben vom 21.7.1995 relevierte und mit Schreiben des Mini-

stersekretariates vom 23.8.1995 inhaltlich beantwortete Anliegen enthieIt, konnte

davon ausgegangen werden, daß damit bloß der bereits bekannte Standpunkt be-

kräftigt werden sollte und eine neuerliche Antwort nicht erforderlich ist.