2922/AB XX.GP
Gegenstand: Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Mag. Trattner
und Kollegen vom 19. September 1997,
Nr. 2962/J, betreffend Murenkatastrophe
in Nußdorf-Debant
An den
Herrn Präsidenten
des Nationairates
Dr. Heinz Fischer
Parlament
1017 Wien
Auf die - aus Grunden der besseren Übersichtlichkeit in Kopie bei-
geschlossene - schriftliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Trattner
und Kollegen vom 19. September 1997, Nr. 2962/J, betreffend
Murenkatastrophe in Nußdorf-Debant, beehre ich mich folgendes
mitzuteilen:
Bevor ich Ihre Fragen im einzelnen beantworte, darf ich folgendes
feststellen: Im Wartschenbach ist nach dem Juli 1995 und dem
Ereignis vom 16. August 1997 nunmehr am 6. Sept. 1997 ein drittes
Mal eine Mure abgegangen. Gerade im alpinen Bereich können
derartige Ereignisse aufgrund der bestehenden naturräumlichen
Gefahrenpotentiale einerseits und den zunehmend anspruchsvolleren
Anforderungen aus der Raumnutzung andererseits, nie zur Gänze
ausgeschlossen werden. In Reaktion auf die drei Murenabgänge wurden
die jeweils vorzunehmenden
Sofortmaßnahmen gesetzt, ohne deren
Realisierung die Auswirkungen der nachfolgenden Muren wesentlich
dramatischer ausgefallen wären. Bereits nach dem ersten
Murenereignis wurden 1996 umfassende Erhebungen für ein
Sanierungsprojekt in die Wege geleitet. Geologische Probleme
erforderten aber einen längeren Untersuchungszeitraum. Das von
Ihnen angesprochene Sanierungskonzept befindet sich seit September
d. J. im Umsetzung.
Zu den Fragen 1. 2 und 3:
Experten der Wildbach- und Lawinenverbauung haben eine derartige
Aussage nicht getroffen. Eine unrichtige oder unvollständige
Wiedergabe von Aussagen der Vertreter der Wildbach- und
Lawinenverbauung - zB in den Medien - ist nicht ausgeschlossen,
liegt aber nicht im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums
für Land- und Forstwirtschaft. Die Unwägbarkeit der naturräumlichen
Risken bringt mit sich, daß auch Ereignisse mit einer sehr geringen
Wiederkehrswahrscheinlichkeit (z.B. Jahrhundertereignisse) den
‚Gesetzmäßigkeiten der Statistik zur Folge auch in kurzen
Zeitabständen wiederholt auftreten können. Verbauungsprojekte
werden durch die Mitarbeiter der Wildbach- und Lawinenverbauung
sachverständig auf ihre Dringlichkeit geprüft, und jede
Gebietsbauleitung erstellt eine Dringlichkeitsreihung für die
Ausführung von Projekten, die auf verschiedenen Grundlagen
aufgebaut wird, wie Anzahl der gefährdeten Häuser und Grad der
Gefährdung; Gefährdung von wichtigen Verkehrswegen; Verhältnis der
Verbauungskosten zum zu erwartenden Nutzen usw.
Zu den Fragen 4. 5 und 6:
Die Ereignisse 1995 lösten neben den durchzuführenden
Sofortmaßnahmen bereits 1996 umfangreiche Untersuchungen und
Planungen aus. Die Änderung des Verbauungsgedankens erforderte, wie
bei solchen großen Projekten im
allgemeinen üblich, aufwendige
hydrologische Erkundungen. In der ersten Septemberwoche 1997 wurde
die örtliche Überprüfung durchgeführt. Seitens des
Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft ergingen
schriftliche Hinweise über den Gang des Ermittlungsverfahrens an
den Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Nußdorf-Debant. Auf
Anfrage des QRF Tirol wurde vom Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft bestätigt, daß ein Genehmigungsverfahren im Gange
sei. Zusammenfassend darf festgestellt werden, daß in Reaktion auf
die Murenkatastrophe durch die zuständigen Behörden sofort
entsprechende Schritte gesetzt wurden. Die hydrologische
Problematik verlangt bei derartigen Projekten, abgesehen von
Sofortmaßnahmen, aber profunde untersuchungsergebnisse, die die
Basis für eine schützende verbauung darstellen.
Zu Frage 7:
Nach dem Murenereignis 1995 wurden folgende Sofortmaßnahmen ausge-
führt:
- Räumung des Ablagerungsbeckens und dadurch Wiederherstellung der
Aufnahme- und Funktionsfähigkeit.
- Schadholzbewirtschaftung im Mittellauf (Entfernen der ab-
sturzgefährdeten Bäume).
Ergänzende verbauungen müssen - wie bereits dargelegt - nach
fachlichen Überlegungen geplant, technisch und finanziell überprüft
sowie auch rechtlich (Wasser-, Forst- und Naturschutzrecht)
genehmigt werden.
Zu den Fragen 8 und 9:
Bis zu den Murenabgängen des Jahres 1997 wurden im Wartschenbach
bereits ATS 29,12 Mio für Sanierungsmaßnahmen aufgewendet. Wie
bereits dargestellt, erfordert die Projektausarbeitung durch die
zuständige Bauleitung aufgrund
durchzuführender geologischer und
hydrologischer Untersuchungen sowie der notwendigen
Behördenverhandlungen einen entsprechenden Zeitraum. Eine
Vorfinanzierung der betroffenen Gemeinde hätte also keinerlei
Beschleunigungsef fekt gehabt.
Zu Frage 10:
Zwischen 1995 und 1997 wurde das Verbauungsprojekt ausgearbeitet,
welches die Maßnahmen zur unschädlichen Ablagerung von
Murenmaterial im Umfang von ca. 50.000 m³ sowie örtliche
Schutzmaßnahmen vorsieht. Dieses Verbauungsprojekt wurde am 4.
September 1997 technisch und finanziell überprüft, die
vorgeschlagenen Maßnahmen für fachlich richtig befunden und ein
Aufteilungsschlüssel für die Kosten erarbeitet. Dieses Projekt
befindet sich derzeit im Genehmigungsverfahren. Die wasser-, forst-
und naturschutzrechtliche Verhandlung hat stattgefunden, der
Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz liegt vor. Es wurde
jedoch Berufung eingelegt, weil Grundeigentümer mit der Höhe der
Ablöse bzw. der Entschädigung nicht einverstanden sind. Die
Ausführung der Baumaßnahmen ist davon nicht betroffen, weil den
Beschwerden der Anrainer die aufschiebende Wirkung aberkannt und
diese auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden. Mit den Baumaßnahmen
wurde in der 41. Woche begonnen.
Zu Frage 11:
Einen Nachweis, demzufolge das Schigebiet Zettersfeld als
Murenverursacher identifiziert ist, gibt es derzeit nicht; ein
eventueller Einfluß des Schigebietes auf das Abflußgeschehen
(Verschlechterung des hydrologischen Regimes, dh des
Wasserrückhaltes des Bodengefüges) im Wartschenbach wird gerade
untersucht
Zu Frage 12:
Jene Bereiche des Einzugsgebietes des Wartschenbaches, die derzeit
im Winter als Schipisten verwendet werden, wurden seit vielen
Jahrhunderten als Alpweide benutzt. Durch die Planierung und
anschließende Wiederbegrünung und die Pflege dieser Schipisten
werden diese Flächen auch heute als Weidegebiet genutzt. Von einer
„exzessiven Sommernutzung der Schipisten als Weideplatz für Kühe
und Pferde“ zu sprechen, erscheint jedoch nicht gerechtfertigt,
werden Wald- und Weidenutzungsrechte doch in entsprechenden
Agrarverfahren vergeben und hinsichtlich einer eventuellen
„Überbeanspruchung“ geprüft.
Zu den Fragen 13 und 14:
Aufgrund der Murenabgänge 1995 und 1997 ist es nötwendig,
ergänzende Verbauungsmaßnahmen zum Schutz der Wartschensiedlung
auszuführen. Die im Verbauungsprojekt 1997 zusammengefaßten
Maßnahmen am Schwemmkegel und im Mittellauf erfordern ATS 28,5 Mb.
Derzeit werden die noch notwendigen Maßnahmen im Oberlauf
untersucht und sollen in einem Verbauungsprojekt 1998
zusammengefaßt werden. Dabei handelt es sich um Maßnahmen zur
Verringerung des Hochwasserabflusses (Wasserretentionsanlagen,
Hochlagenaufforstungen) und örtlich begrenzte Verbauungen, die die
Tiefenerosion verhindern sollen. Die dafür notwendigen Kosten kön-
nen derzeit noch nicht abgeschätzt werden, weil die geologischen
und hydrogeologischen Untersuchungen noch im Gange sind und von
deren Ergebnis die Kosten ganz wesentlich beeinflußt werden.