2928/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Scliaffenrath, Kier, Partnerinnen und Partner haben am
18 September 1997 unter der Nr. 2923/J an mich eine schriflliche parlamentarische Anfrage
betreffend „Opferschutz Vur Betroffene des Frauenhandeis“ gerichtet, die folgenden Wortlaut
hat:
Wird sich der gemäß § 51 des Fremdengesetzes 1997 einzurichtende lntegrationsbeirat
auch mit Opfern des Menschenhandels befassen? Wenn ja, wie wird sichergestellt, daß mit
dieser Fachfrage befaßte Expertinnen und Experten, vor allem Vertreterinnen von
Opferschutzeinrichtungen eingebunden werden?
2. Können Sie definieren, welche Opfer oder Opfergruppen des Menschenhandels fur
fremdenrechtliche Schutzmaßnahmen (z.B. Erteilung eines humanitären Sichtvermerks) in
Frage kommen?
3. Werden für die Erteilung eines humanitären Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997
auch solche Frauen in Frage kommen, die unter Vorspiegelung falscher Versprechungen
(Visum, Arbeit etc.) nach Österreich kamen, aber nicht in der Prostitution arbeiten? Wenn nein,
warum nicht?
4. Wie wird sichergestellt, daß in Fällen, bei denen es sich letztendlich nicht um Opfer des
Menschenhandels handelt, das gelindere Mittel gemäß § 66 FrG 1997 angewendet wird und
diese Frauen wenigstens nicht in Schubhaft genommen werden?
5. Wie ist der konkrete Ablauf des Opferschutzes in Verbindung mit fremdenrechtlichen
Maßnahmen geplant gegenüber Frauen,
die a) aus eigenen Stücken bei der Polizei Anzeige
wegen Frauenhandel erstatten, b) von der Fremdenpolizei festgenommen „werden und dann eine
Aussage machen, die auf Frauenhandel hinweist, c) von der Kriminalpolizei in einem Bordell
oder einer Bar festgenommen werden und eine Aussage machen, die auf Frauenhandel
hinweist? Ist gewährleistet, daß diese zumindest nicht in Schubhaft genommen werden?
6. Für wie lange wird Opfern des Menschenhandels (auch wenn sie nicht Zeuginnen oder
Zeugen sind) ein Aufenthaltstitel erteilt? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß dieser zumindest
für 3 Monate erteilt wird? Wenn nein, warum nicht?
7. Für wie lange wird Opfern des Menschenhandels, die Zeuginnen oder Zeugen in einem
strafgerichtlichen Verfahren bzw. in einem Zivilverfahren sind, ein Aufenthaltstitel erteilt?
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß dieser für mindestens ein Jahr erteilt wird und dann ein
weiteres Jahr verlängerbar ist, wenn das Straf- oder Zivilverfahren länger dauert? Wenn nein,
warum nicht?
8. Wie wird gewährleistet, daß die Betroffenen gegebenenfalls eine Zivilklage auf
Schadenersatz einbringen können?
9. Wird nach Ende des Gerichtsverfahrens für die Opfer eine (befristete)
Niederlassungsbewilligung erteilt, wenn dies aus Gründen ihrer Sicherheit notwendig ist bzw.
eine Heimreise nach Auslaufen des Aufenthaltstitels nicht möglich ist? Wenn nicht, warum
nicht?
10. Teilen Sie die Auffassung, daß über Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden
sind, trotz illegalem Aufenthalt und illegaler Ausübung der Prostitution kein Aufenthaltsverbot
und keine Vervaltungsstrafen verhängt werden dürfen? Wenn ja, werden Sie eine
entsrechende Verordnung erlassen? Wenn nein, warum nicht?
11. Wie gewährleisten Sie die Zusammenarbeit der Polizeibehörden mit
Opferschutzeinrichtungen?
12. Wie werden Sie die Den Haager EU-Ministerdeklaration über europäische Richtlinien für
effektive Maßnahmen um Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung vorzubeugen
und zu bekämpfen (24. - 26. April 1997), umsetzen, im speziellen für Mitgliedstaaten
vorgesehene Maßnahmen (außer den schon angesprochenen) wie Zurverfügungstellung von
sozialer und Gesundheitsbetreuung, Rechtsberatung und Dolmetschern für Opfern,
Zusammenarbeit mit NQO‘s, Schutz der betroffenen Zeuginnen und Zeugen gegen jegliche
Fom der Einschüchterung oder Bedrohung während und auch nach Gerichtsverfahren, Hilfe
fur die Herkunftsländer zur Reintegration heimkehrender Frauen sowie ganz allgemein die
Stärkung der Position der Frauen, um Frauenhandel die Basis zu entziehen?
13. Welche sachliche Begründung führen Sie für die fremdenrechtliche Gleichbehandlung von
,,illegalen" Prostituierten mit Zuhältern an, vor allem betreffend die Bestimmungen über das
Aufenthaltsverbot (vgl. etwa § 36 Abs. 2
Z 4 FrG 1997) an?“
Zu Frage 1:
Der Integrationsbeirat wird sich mit allen Problembereichen befassen, die einen Bezug zum
Fremdengesetz haben. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, daß dann, wenn die
Notwendigkeit dafür besteht, auch die in der Anfrage angesprochene Fragestellung im
Integrationsbeirat behandelt werden kann. Soferne dies der Fall ist, ist aus meiner Sicht die
Beiziehung von Experten und Vertretern von Opferschutzeinrichtungen sinnvoll.
Zu Frage 2:
Die Umschreibung jener Personengruppe, für die im Zusammenhang mit strafbaren
Handlungen gemäß § 217 StGB die Erteilung einer „humanitären Aufenthaltserlaubnis" in
Frage kommt, ist dem Schlußsatz des § 10 Abs. 4 Fremdengesetzes 1997 eindeutig zu
entnehmen.
Zu Frage 3:
Fremde, die in der Erwartung einer bestimmten Tätigkeit oder eines bestimmten
Aufenthaltstitels nach Österreich kommen, bei denen sich aber herausstellt, daß die
Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen, haben die Möglichkeit, die für die Erteilung von
Aufenthaltstiteln erforderlichen Voraussetzungen zu erbringen und entsprechende Anträge zu
stellen. Ich sehe zunächst bei dieser Konstellation keinen Anwendungsbereich für den
humanitären Sichtvermerk. Die klare Tendenz des neuen Fremdengesetzes, den Neuzugang zu
beschränken, läßt wohl auch keinen Raum für eine Zuwanderung außerhalb der Quoten.
Zu den Fragen 4 und 5:
Aus meiner Sicht eignet sich die Frage, welchen Anwendungsbereich die §§ 61 und 66 des
Fremdengesetzes 1997 finden, nicht für generelle Entscheidungen vor dem Inkrafttreten des
Gesetzes. Diesbezügliche Entscheidungen können von den zuständigen Behörden auf der
Grundlage der aus meiner Sicht sehr klaren gesetzlichen Vorschriften dann im Einzelfall
getroffen werden.
Zu Frage 6:
Für Opfer von Menschenhandel wird ein Aufenthaltstitel in jenem Ausmaß in Frage kommen,
der im Einzelfall im Hinblick auf die
jeweilige Sachverhaltskonstellation sinnvoll und
notwendig erscheint. Die Festlegung von Mindest- und Höchstfristen ftir solche
Aufenthaltstitel in genereller Weise scheint mir weder sinnvoll, noch vom Gesetz gedeckt.
Zu Frage 7:
Ich verweise auf die Ausführungen zu Frage 6 und halte auch zu dieser Frage fest, daß sich die
Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels nach der jeweiligen Konstellation im Einzelfall, hier
insbesondere nach den Strafverfahren richtet. Auch hier scheint mir eine generelle Festlegung
nicht sinnvoll.
Zu Frage 8:
Die Einbringung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadenersatz ist keine Frage, die den
Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres berührt. Ich ersuche daher um
Verständnis, wenn ich von einer inhaltlichen Beantwortung Abstand nehme.
Zu Frage 9:
Ich verweise auf die Beantwortung der Fragen 4 bis 7. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß in
jenen Fällen, in denen einem Fremden die Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich ist,
das Fremdengesetz klare Regelungen trifft, die dann im Einzelfall auch anzuwenden sein
werden.
Zu Frage 10:
Dem Fremdengesetz ist zu entnehmen, in welchen Fällen an einen illegalen Aufenthalt oder an
die illegale Ausübung der Prostitution fremdenrechtliche Konsequenzen zu knüpfen sind. Diese
gesetzliche Regelung kann im Verordnungswege nicht außer Kraft gesetzt werden. In jenen
Fällen, in denen Gründe vorliegen, aufgrund derer das Gesetz vorsieht, daß von
fremdenpolizeilichen Maßnahmen abgesehen wird, werden solche Bestimmungen zur
Anwendung kommen.
Zu Frage 11:
Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Opferschutzeinrichtungen wird von
mir dadurch unterstützt, daß die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Förderung von
Vorhaben zur Gewaltprävention (§ 25 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz) unter maximaler
Ausschöpfung der finanziellen Möglichkeiten
genützt wird. (So werden im Jahre 1997
Opferschutzeinrichtungen - darunter auch eine Einrichtung für den vorbeugenden Schutz von
Migrantinnen vor Gewalt - mit einer Gesamtsumme von 4,5 Mio Schilling gefördert).
Seit Beginn dieses Jahres ist in meinem Ressort ein Beirat für Grundsatzfragen der
Gewaltprävention eingerichtet, der auch mit Vertreterinnen von nicht-staatlichen Einrichtungen
besetzt ist. Eine seiner Aufgaben ist die Erarbeitung von Vorschlägen für die wirksamere
Gestaltung der Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und Opferschutzeinrichtungen.
Gerade im Hinblick auf die Prävention gegenüber Gewalt an Migrantinnen wird gegenwärtig
im Rahmen des Präventionsbeirates an einem detaillierten Konzept gearbeitet.
Auch bei Schulungen von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu einschlägigen
gesetzlichen Regelungen wie etwa dem Gewaltschutzgesetz wird auf die Expertise von
Vertreterinnen solcher Einrichtungen zurückgegriffen. Nächstes Jahr wird überdies ein
gemeinsam von NGO‘s und meinen Schulungsbeauftragten ausgearbeitetes und von der EU
gefördertes Seminar gegen Menschenhandel stattfinden.
Zu Frage 12:
Die in der angeführten EU-Ministerdeklaration angesprochenen Maßnahmen werden jeweils in
geeigneter Weise in Österreich umgesetzt. Für das Jahr 1998 ist in Aussicht genommen,
gemeinsam mit Vertretern von Hilfs- und Beratungsorganisationen sowie mit Vertretern der
Hauptherkunftsländer mehrere Schulungsveranstaltungen durchzuführen.
Zu Frage 13:
Der von Ihnen angeführten Gesetzesbestimmung ist die in der Anfrage behauptete
Gleichbehandlung von Zuhältern und Opfern von Menschenhandel nicht zu entnehmen.