2933/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2957/J-NR/1997 betreffend Fachhochschul -

lehrgänge für Jus und Veterinärmedizin, die die Abgeordneten Mag. TRATTNER und Kolle-

gen am 19. September 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantwor-

teil:

1. Können Sie, Herr Bundesminister, Ihre Aussage: „Ich sehe nicht ein, warum Juristen

an die Universität gehen“ näher definieren?

2. Welche Erkenntnis oder Eingebung veranlaßte Sie dazu eine derartig lautende Aus-

sage zu treffen?

Ein mögliches Gliederungsmerkmal für das Studienangebot ist, ob für sie Berufsfelder - außer

der Lehre und Forschung - bestimmbar sind oder nicht. Für die Jurisprudenz ist dies der Be-

reich der Rechtsberufe. Für die Gestaltung solcher berufsorientierter Studienangebote ist es

zweckmäßig, nicht nur den disziplinären Entwicklungen, sondern auch den Veränderungen in

den Berufsfeldern Rechnung zu tragen. Dies geschieht bei Fachhochschul -Studiengängen, da

eine Analyse möglicher Berufsfelder und Bedarfserhebungen eine Genehmigungsvorausset-

zung darstellt. Bei einer Reihe von universitären Studien, nämlich bei jenen, die die überwie-

gende Zahl ihrer Absolventen für außeruniversitäre Berufe vorbereiten (sollten), wäre diese

fachhochschulische Studiengestaltung" durchaus geboten.

3. Warum sind Ihrer geschätzten Meinung nach Juristen bloße „Anwendungstechni-

ker“, fernab des Fachwissens auf der Höhe unserer Zeit?

Die Fähigkeit, das erworbene Wissen auch anzuwenden, ist das Ziel jedes Bildungsvorganges.

Möglicherweise wird dieses Ziel deshalb zu wenig erreicht, weil der „Anwendungstechniker“

(in der Literatur, die der Frage nachgeht, wie sich berufliches Wissen weiterentwickelt, wird

der Begriff "reflektierender Praktiker“ verwendet) mancherorts als despektierlich gilt. Dies

trifft insbesonders dann zu, wenn, wie auch in der gegenständlichen Frage, „Anwendung“ und

„Techniker“ mit „fernab des Fachwissens auf der Höhe unserer Zeit“ gleichgesetzt werden.

4. Haben Sie mit namhaften Juristen über Ihre diesbezügliche Meinung schon gespro -

chen?

a) Wenn ja, wie lautet deren Reaktion auf Ihre Meinung?

Wie auch aus den Reaktionen in den Medien ersichtlich, sind die Meinungen geteilt. Einerseits

wird die stärkere Orientierung am außeruniversitären Bedarf unterstrichen und Jus als berufs-

bildendes Studium gesehen. Andererseits besteht die schwer nachvollziehbare Befürchtung,

eine praxisbezogene Ausbildung reduziere den Forschungsbedarf und stelle den wissenschaftli-

chen Charakter eines Faches in Frage. Auch spielt das Prestige eine Rolle: Es ist eine Art

„Streit der Fakultäten“ bemerkbar: die Vertreter eines jeden Faches behaupten von dem ihren,

daß es „wissenschaftlicher“ sei als alle übrigen.

5. Sind nicht gerade Rechtsprofessoren, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gutachter und

Universitätslehrer, Forscher und Anwendungstechniker zugleich?

Rechtsprofessoren sind im Rahmen ihrer Tätigkeit Lehrer und Forscher; Gutachter und An-

wendungstechniker sind sie im Rahmen einer Nebentätigkeit oder -beschäftigung.

6. Gelten Ihre über Juristen getätigten Aussagen auch für Veterinärmediziner und Zahn-

ärzte?

7. Warum sollen Ihrer Meinung nach oben angeführte Berufsfelder an die Fachhoch-

schulen verlagert werden?

Der unter Punkt 1 und 2 angeführte Grund gilt für alle Studien, die ihre Absolventen überwie-

gend auf Berufstätigkeiten außerhalb der Forschung vorbereiten.

8. Käme diese Fachhochschulausbildung in Wahrheit denn nicht eher einem " Schnell-

siederkurs" gleich, als einer gediegenen und abgerundeten Fachausbildung?

Aufgrund aller bisherigen Erfahrungen laufen unsere Studienangebote, einschließlich der Fach-

hochschul-Studiengänge, nicht Gefahr „Schnellsiedekurse" zu werden. Eher ist ihre Gediegen-

heit durch Überfrachtung bedroht.

9. Welchen Vorteil weisen Ihrer Meinung nach Fachhochschulen gegenüber herkömm-

lichen Universitäten auf?

Als neue Einrichtungen können die Fachhochschulen nicht bestehende Angebote fortschreiben.

Sie sind gezwungen, das Ausbildungsziel jedes Angebotes zu definieren und zu prüfen, was

einem Erst(oder Diplom)Studium angemessen ist und was eigentlich in den Bereich der Dokto-

ratsstudien oder der Weiterbildung gehört.

10. Muß bei dieser gesamten Verlagerungsdiskussion nicht ein versteckter Versuch

Ihrerseits gesellen werden, das Prinzip von Forschung und Lehre aufzuspalten?

Hochschullehrer haben den Auftrag zu lehren und Forschung zu betreiben. Sie haben ihre

Forschungskompetenz im Rahmen eines langen Qualifikationsprozesses (Doktoratsstudium,

Habilitation) erworben bzw. unter Beweis gestellt. Studierende eines Diplomstudiums sind in

die wesentlichen Inhalte, Methoden und Arbeitstechniken des von ihnen gewählten Faches

einzuführen. genuine Forschungsleistungen haben sie dabei nicht zu erbringen.

11. Würden die für Fachhochschulen obligatorischen Aufnahmetests nicht dazu führen,

daß der Zugang für Jus- und Medizinstudenten plötzlich eingeschränkt wäre?

12. Käme das nicht einem versteckten ‚numerus clausus“, durch die Hintertüre einge -

führt gleich?

Der Aufbau des Fachhochschulsektors erfolgt sehr moderat, u.a. auch um die Entwicklung des

in der österreichischen Tradition neuen Regelungsmechanismus und Finanzierungssystems

beobachten und etwaigen Fehleinschätzungen rechtzeitig gegensteuern zu können. Daher erlau-

ben die für den Fachhochschulbereich aufgewendeten Mittel es nur, eine beschränkte Zahl von

Studierenden aufzunehmen. Auch wäre es nicht verantwortlich und finanzierbar, Studienange-

bote im Fachhochschulbereich auszubauen und die vergleichbaren universitären Studienrich-

tungen, die einen Rückgang an Studienanfängern aufweisen, gleichfalls zu belassen.

Daher wurde im Sinne der im Regierungsprogramm festgelegten Strukturbereinigung des

Postsekundarbereiches die Debatte, die Anlaß für die gegenständliche Anfrage war, nämlich

die nach der Funktion und Gestaltung des Hochschulsektors eingeleitet. Bei einem der Nach-

frage der Volkswirtschaft entsprechenden diversifizierten Studienangebot und einer den An-

forderungen der Berufe gerecht werdenden Dauer eines Erststudiums werden genügend Stu-

dienplätze für alle Studierwilligen zur Verfügung stehen.

13. Welche Berufschancen hätten ihrer Meinung nach derartige Fachhochschulabsolventen

im internationalen Vergleich?

Fachhochschul-Studiengänge führen zu einem ersten Hochschulabschluß. Im EU-Raum ent-

sprechen sie der Richtlinie 89/48/EWG. Die Berufschancen von Absolventen in den in der

Anfrage genannten Ausbildungen sind in der EU, aber auch in den meisten anderen Staaten,

sehr wesentlich durch berufsrechtliche Bestimmungen festgelegt. Diese sind im Rahmen der

Gestaltung der Studienpläne zu berücksichtigen, gleichgültig wie die Bildungsinstitution heißt.

Abschließend ist anzumerken, daß z.B. in der BRD auch an Fachochschulen juristische Stu-

diengänge angeboten werden.