Zu 294/AB

 

 

 

Betrifft: Schriftliche Anfrage 499/J-NR/1996;

Ergänzung der Anfragebeantwortung.

 

Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Thomas Barmüller,

Dr. Volker Kier, Partnerinnen & Partner, betreffend FehIentwicklungen im Bereich

des Wohnungsgemeinnützigkeitswesens, insbes. des § 14 Abs. 1 WGG, teile ich in

Ergänzung meiner Anfragebeantwortung vom 9. Mai 1996, 7031/1 -Pr 1/1996, fol-

gendes mit:

 

Vorweg möchte ich dem in der Anfragebeantwortung dargelegten Standpunkt, daß

der Bundesminister für Justiz zur Beantwortung der in der gegenständlichen Anfra-

ge gesteIlten Fragen nicht zuständig ist, noch folgendes hinzufügen: Zwar wird der

Bundesminister für Justiz in der Vollziehungsklausel des Art. lV Abs. 2 Z 1 des WGG

angeführt, dies hat seinen Grund jedoch allein darin, daß die in der Gesetzesbestim-

mung angeführten Angelegenheiten im StreitfaIl von den unabhängigen Gerichten

entschieden werden. Darüber hinaus kommen dem Justizressort diesbezüglich kei-

nerlei Vollzugsaufgaben zu. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. Nr.

139/1979, wurde auch zur Gänze - einschließlich seiner zivilrechtlichen Teile - vom

damaligen Bundesministerium für Bauten und Technik ausgearbeitet; gleiches gilt

(mit Ausnahme der Novellen, die auf einem Initiativantrag beruhen) auch für die

späteren Änderungen dieses Gesetzes und die Erlassung der hiezu ergangenen

Verordnungen (Prüfungsrichtlinienverordnung, Entgeltsrichtlinienverordnung, Geba-

rungsrichtlinienverordnung). Alle diese Rechtsvorschriften wurden vom Bundesmini-

sterium für Bauten und Technik bzw. später (seit der Änderung des Bundesministe-

riengesetzes 1986 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 78/1987) vom Bundesmini-

sterium für wirtschaftliche Angelegenheiten vorbereitet; das Bundesministerium für

Justiz war damit lediglich im Rahmen der Begutachtungsverfahren - durch Erstat-

tung von Stellungnahmen - befaßt. Eine Mitwirkungsbefugnis kommt dem Bundes-

minister für Justiz bloß nach § 23 Abs. 4 WGG bei Erlassung der Verordnung über

die Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung gemeinnütziger

Bauvereinigungen zu.

 

Um den Anfragestellern jedoch eine inhaltliche Antwort auf die von ihnen gestellten

Fragen zu geben, habe ich die Einholung einer Stellungnahme des Bundesministeri-

ums für wirtschaftliche Angelegenheiten veranlaßt. Auf der Grundlage dieser Äuße-

rung kann ich zu den gestellten Fragen foIgendes mitteilen:

 

Zu 1 :

ln Österreich sind, nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesministeriums für wirt-

schaftlichen Angelegenheiten sowie des Österreichischen Verbandes gemeinnützi-

ger Bauvereinigungen (dem Bundesministerium für Justiz Iiegen keine weiteren ln-

formationen vor) im gegebenen Zusammenhang derzeit maximal 30.000 Wohnun-

gen ''ausfinanziert'', wobei das in den Objekten steckende, nur zu verzinsende, aber

nicht zu tilgende Eigenkapital der gemeinnützigen Bauvereinigungen unberücksich-

tigt ist. Das Gesamtvolumen der daraus resultierenden ''Auslaufannuitäten'' beträgt,

bei einer Nettomiete zwischen 5 S/m² und 15 S/m², maximal 250 MilIionen Schilling

jährlich.

 

Auf Grund der Regelung des § 14 Abs. 7 WGG, der die Verwendung dieser Beträge

im einzelnen regelt, dienen diese Beträge nach Tilgung der aushaftenden Darlehen

(§ 14 Abs. 7 Z 1 und 2 WGG) weitaus überwiegend zunächst der objektbezogenen

Erhaltung und Verbesserung (§ 14 Abs. 7 Z 3 WGG); erst der verbleibende Restbe-

trag ist der RückIage zuzuführen (§ 14 Abs. 7 Z 4 WGG).

 

Eine ErmittIung der jeweiIigen Grund- und Baukosten (samt Finanzierungskosten) ist

ohne die Vornahme kostenaufwendiger Erhebungen nicht möglich, weil diese Ko-

sten je nach Objekt verschieden sind und vor allem von der Lage, der Ausstattung,

der Größe und dem Errichtungszeitpunkt abhängen. Das Bundesministerium für

wirtschaftliche Angelegenheiten hat daher diesbezüglich dem Bundesministerium für

Justiz keine lnformationen zur Verfügung stellen können; auch sonst sind in diesem

Zusammenhang keine tauglichen Unterlagen vorhanden.

 

Zu 2:

Praktisch bei allen noch nicht ''ausfinanzierten'' Objekten im Mietwohnungsbestand

der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft erfolgt die Refinanzierung der Grund- und

Baukosten durch bestimmte Entgeltsbestandteile, die zur Teilung und Verzinsung der

aufgenommenen Fremdmittel bzw. nur zur Verzinsung des eingesetzten Eigenkapi-

taIs herangezogen werden (die MögIichkeit eines befristeten und rückzahlbaren Ei-

genkapitaleinsatzes besteht erst seit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz, BGBl.

Nr. 800/1993; siehe § 13 Abs. 2b WGG).

 

Je nach Baualter und durchaus unterschiedlichen Förderkonditionen ist bei einer

durchschnittlichen Betrachtung davon auszugehen, daß die Kapitalmarktdarlehen

nach 20 bis 25 Jahren ab Erstbezug der Objekte und die öffentlichen Förderdarle-

hen nach weiteren 5 bis 10 Jahren getilgt sind, zu einem Zeitpunkt also, in dem je-

denfalls erste Sanierungserfordernisse augenscheinlich werden.

 

lm Jahr 2010 wird es voraussichtlich bundesweit 70.000 ''ausfinanzierte'' Wohnun-

gen mit (nicht valorisierten) AusIaufannuitäten in einer Größenordnung von rund 1

Mrd. S jährlich (entspricht real - zu Werten des Jahres 1995 - etwa 750 MilIionen

SchilIing) geben; dem steht - bezogen auf das gesamte Bundesgebiet - ein dem

MRG unterliegender, schon heute (von den HerstelIungskosten) längst refinanzierter

Mietwohnungsbestand im Ausmaß von rund 350.000 vor dem Jahr 1919 errichteten

Mietwohnungen gegenüber, die im NeuvermietungsfaIl zum Richtwert vermietet

werden können.

 

Zu 3 und 4:

Die rund 200 in Österreich nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz als ge-

meinnützig anerkannten Bauvereinigungen sind etwa je zur Hälfte privatrechtlich or-

ganisierte Unternehmen in den Rechtsformen der Aktiengesellschaft und der Gesell-

schaft mit beschränkter Haftung einerseits sowie Genossenschaften andererseits.

Bei etwa 40 Unternehmen besteht eine MehrheitsbeteiIigung der öffentlichen Hand.

Die durchschnittliche Eigenkapitalausstattung aller gemeinnützigen Wohnungsunter-

nehmen beträgt ca. 11 %, absolut gesehen sind es insgesamt etwa 25 Mrd. S, wo-

von über 80 % langfristig in den Wohnungs- und Grundstücksbeständen gebunden

sind.

 

Sämtliches mit Hilfe der Wohnbauförderung und der steuerlichen Privilegien, der Ka-

pitalleistungen der Unternehmenseigentümer und der Zahlungen der Wohnungsnut-

zer in den Unternehmen gebildetes Eigenkapital soll nach den lntentionen des Woh-

nungsgemeinnützigkeitsgesetzes zugunsten künftiger Wohnungsnachfrager auf

Dauer im ''wohnungswirtschaftlichen Kreislauf'' gebunden bleiben und für ''dem Ge-

meinwohl dienende Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens'' (§ 1 Abs. 2

WGG) eingesetzt werden.

 

Die einzige Durchbrechnung des ',Vermögensbindungsprinzips'' des WGG findet

sich im § 10 Abs. 1 leg. cit, wonach ein jährlicher Gewinn im Ausmaß von derzeit

5 % der eingezahIten Genossenschaftsanteile bzw. des eingezahlten Stamm- oder

GrundkapitaIs an die Unternehmenseigentümer ausgeschüttet werden darf.

 

Anders als der rechtliche Rahmen für die Tätigkeit der gewerblichen Bauträger grün-

det sich das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz - als System, das einerseits auf so-

ziaIer Pflichtnahme und andererseits auf verschiedenen (nur mehr zum Teil förde-

rungsrechtlichen, jedenfalIs aber steuerlichen) Privilegien beruht - auf den verfas-

sungsrechtlichen Kompetenztatbestand ''Volkswohnungswesen'' (Art. 11 Abs. 1 Z 3

B-VG).

 

ln diesem Zusammenhang ist eine Fülle spezifischer, nur für die gemeinnützige

Wohnungswirtschaft geltender Prinzipien und Vorschriften zu sehen, die das einzel-

ne Unternehmen aIs Grundrechtsträger zweifelsohne in seiner Privatautonomie und

Erwerbsfreiheit beschränken (von den begrenzten Gewinnbildungs- und Gewinn-

ausschüttungsmöglichkeiten, den besonderen Gebarungsvorschriften und behördli-

chen Aufsichtsrechten, den ''Unvereinbarkeitsregelungen'' und Bezugsobergrenzen

für die in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Beschäftigten bis hin zu den Ge-

schäftsregeln, der grundsätzlichen Baupflicht etc.). Nach Korinek (''Aspekte der

Wohnungsgemeinnützigkeit'', S. 77 f., FGW-SeIbstverlag, Wien 1992) sind aber

auch im Bereich der Wohnungsgemeinnützigkeit ''übermäßige oder unverhältnismä-

ßige Eingriffe in das Eigentum und in die Privatautonomie ..... verfassungsrechtlich

unzulässig. Eingriffe des Staates in die Erwerbsfreiheit gemeinnütziger Bauvereini-

gungen dürfen durch den Gesetzgeber nur vorgesehen werden, wenn und soweit

sie im öffentlichen lnteresse gelegen sind, die Regelung maßvoll ist, nicht über das

Ziel schießt und die Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht unverhältnismäßig beein-

trächtigt.''

 

Abgesehen davon widerspricht es weder dem österreichischen Bestandrecht noch

dem Europarecht, daß das Entgelt für die Einräumung des Bestand- oder Nutzungs-

rechts letztlich in Summe den Aufwand des Eigentümers für die Herstellung des Ob-

jekts übersteigen kann, bei Mietverträgen, die keinerlei Zinsbeschränkungen unter-

liegen, ist dies sogar die Regel (§ 1 Abs. 4 MRG; § 1 2 Abs. 3 Rückzahlungsbegün-

stigungsgesetz 1971 idF des lll. Hauptstücks des Bundesgesetzes BGBl. Nr.

520/1981).

 

Zu 5:

JeweiIs für Tätigkeiten in ihrem Hauptgeschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG

sind gemeinnützige Bauvereinigungen

a) von der Körperschaftssteuer befreit (§ 5 Z 10 des Körperschaftssteuergesetzes

1988, BGBI. Nr. 401) und

b) im Hinblick auf die Umsatzsteuer teiIweise privilegiert (ermäßigter Steuersatz ge-

mäß § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1 994, BGBl. Nr. 663), zum geringen Teil ihrer Ge-

schäftstätigkeit (''unecht'') befreit (§ 6 Abs. 1 Z. 25 UStG 1994, BGBl. Nr. 663).

 

lm gegebenen Zusammenhang ist auch noch die Gerichtsgebührenbefreiung ge-

mäß § 30 WGG anzuführen.

 

Zu 6:

Abgesehen von der Prüfung durch Prüfer des Revisionsverbandes - wobei Prü-

fungsverantwortlicher der grundsätzlich unabhängige jeweilige Prüfer, nicht der Ver-

band ist -, der unternehmensinternen Kontrolle (Aufsichtsrat) und der gerichtlichen

Nachprüfung von zivilrechtlichen Akten (vor allem der Entgelts- und Preisvereinba-

rungen), üben folgende Stellen eine Kontrolle aus:

 

a) Landesregierungen

Die gesamte Geschäftsführung von gemeinnützigen Bauvereinigungen unterliegt

der Aufsicht und Überwachung der - nach dem Sitz des Unternehmens zuständigen

- Landesregierung im Hinblick auf die Einhaltung der rechtlichen vorgegebenen

Handlungsanordnungen und GebarungsrichtIinien (§ 29 Abs. 1 WGG). ln Ausübung

ihres Prüfungsrechts kann die Landesregierung auch private Sachverständige be-

auftragen (§ 29 Abs. 2 WGG).

 

b) Finanzbehörden

Diese führen eine Kontrolle in steuerrechtlicher Hinsicht durch.

 

c) Rechnungshof

Die Gebarung gemeinnütziger Bauvereinigungen, an denen der Bund, ein Land

oder eine Gemeinde mit mindestens 50 v.H. beteiligt ist, unterliegt der Prüfung

durch den Rechnungshof hinsichtlich Richtigkeit, Gesetzmäßigkeit, Sparsamkeit,

Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.

 

d) LandeskontroIlämter und Landesrechnungshöfe

Diese in einzelnen Ländern bestehenden Einrichtungen führen eine Gebarungskon-

trolle durch.

 

e) WohnbauförderungsstelIen

Die WohnbauförderungssteIIen der Bundesländer unterziehen geförderte Bauvorha-

ben gemeinnütziger Bauvereinigungen einer ProjektskontrolIe.