2965/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Harald Ofner, Dr. Martin Graf

und Kollegen haben am 1.10.1997 unter der Nr. 3003/J an mich eine

schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend ueigenartiger

Überwachungsmethoden der Abteilung 1 der BPD Leoben“ gerichtet, die

folgenden Wortlaut hat:

„1) Welcher konkrete Tatverdacht lag gegen die „Freie

Christengemeinde“ vor, daß die Ermittlungen nicht durch die

Kriminalpolizei, sondern die staatspolizeiliche Abteilung zu

fuhren waren?

2) Handelt es sich bei der „Freien Christengemeinde“ um eine Sekte

im Sinne der Sekten-Broschure des Familienministeriums?

Wenn nein, um welcher Art Vereinigung handelte es sich sonst?

3) Von welcher Dienststelle und welchem leitenden Beamten wurde

der Einsatz der überwachungskamera angeordnet?

4) Welcher dringende Tatverdacht lag vor, daß der verdeckte

Einsatz

eines elektronischen Überwachungsmittel - contra legem - als

„unumgänglich“ angesehen wurde?

5) Verhält es sich tatsächlich so, daß - lediglich wegen

technischer unzulänglichkeiten - keine Aufnahmen hergestellt

werden konnten?

6) Wie hoch beziffert sich der finanzielle Aufwand, der mit dem

besagten Einsatz verbunden war?

7) Wurde von den Vorgesetzten des Kriminal-Chef inspektors Radaelli

tatsächlich versucht, den Fall „offensichtlich zu vertuschen“?

Wenn nein, zu welchen Ergebnissen haben die internen Erhebungen

Ihres Ministeriums in dieser Sache geführt?

8) Was werden Sie unternehmen, um das erschütterte Vertrauen des

Bürgers in den Rechtsstaat wiederherzustellen?

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Die Staatsanwaltschaft Leoben hat der BPD Leoben den Auftrag er-

teilt, zu erheben, ob im Zusammenhang mit veranstaltungen der

„Freien Christengemeinde“ (richtig: „Christengemeinschaft Leoben“)

gerichtlich strafbare Tatbestände verwirklicht werden. Die Zu-

ständigkeit der Abteilung für Staats- Personen- und Objektschutz

war aufgrund der entsprechenden Bestimmungen des organisations- und

Geschäftsplans der Bundespolizeidirektionen gegeben.

Zu Frage 2:

Die ‚Christengemeinschaft Leoben“ ist keine gesetzlich anerkannte

Kirche bzw. Religionsgesellschaft. Es gibt Anhaltspunkte, daß die

Gruppe einen hohen Grad an innerer Geschlossenheit aufweist und

deren Mitglieder in psychische Abhängigkeit geraten könnten. Es

liegen daher Indizien vor, daß es sich bei dieser Gruppierung um

eine Sekte im Sinne der von Ihnen zitierten Broschüre des Bundes-

ministeriums für Umwelt, Jugend und Familie handeln könnte.

Zu Frage 3, 4 und 5:

Der Einsatz der Videokamera wurde von den erhebenden Beamten nach

Kontaktaufnahme mit dem Behördenleiter ins Auge gefaßt, da Ihnen

dies als zweckmäßige Maßnahme erschien, um dem staatsanwaltschaft -

lichen Ermittlungsauftrag nachzukommen.

wegen technischer Schwierigkeiten kam es zu keiner Videoauf -

zeichnung.

Zu Frage 6:

Durch den Einsatz kam es angesichts des Unterbleibens der Videoauf-

zeichnung zu keiner finanziellen Belastung.

Zu Frage 7:

Mit der Begründung, daß es zu keinen Videoaufzeichnungen gekommen

war, erstattete die BPD Leoben keinen Bericht an das Bundes -

ministerium für Inneres.

Nachdem das Bundesministerium für Inneres durch das Schreiben des

ChefInsp Radaelli vom Sachverhalt erfahren hatte, wurde die Sicher-

heitsdirektion für das Bundesland Steiermark beauftragt, in Ab-

stimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft die Rechtmäßigkeit

der in Rede stehenden Amtshandlung zu überprüfen.

über allfällig dienst- bzw. disziplinarrechtliche Schritte wird

nach Vorliegen des Ergebnisses der strafrechtlichen Beurteilung

durch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden sein.

Zu Frage 8:

Anläßlich einer staatspolizeilichen Informationsveranstaltung zur

Sektensituation in Österreich am 2. und 3. Juli 1997 wurde klar-

gestellt, daß auch bei Ermittlungen im Zusammenhang mit Gruppie-

rungen, die sektenähnliche Merkmale aufweisen, Videoaufzeichnungen

zu unterbleiben haben.

Ferner weise ich darauf hin, daß in dem am 1.7.1998 in Kraft

tretenden einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes tiber die

Einführung besonderer Ermittlungsmaßnahmen vorgesehen ist, daß

videotiberwachungen dieser Art nur auf Grund richterlicher Anordnung

und unter strikter Kontrolle durch Staatsanwaltschaft und Unter-

suchungsrichter durchgeführt werden dürfen.

Außerdem wird die Durchführung solcher überwachungen ausschließlich

durch eine unmittelbar dem Generaldirektor für die öffentliche

Sicherheit unterstehende Sondereinheit erfolgen.