3027/AB XX.GP
zur Zahl 3078/J-NR/1997
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler und Kollegen haben an mich
eine schriftliche Anfrage, betreffend die Teilnahme eines jugendlichen, mehrfach
vorbestraften Straftäters am „Erlebnispädagogikprojekt“ in Nigeria, gerichtet und fol -
gende Fragen gestellt:
„1. Wurde das Justizministerium von den Plänen des IFS Vorarlberg und vom
Landesgericht Feldkirch darüber informiert, in welchen Staaten und wie oft Er -
lebnispädagogikprojekte durchgeführt werden sollen?
2. Wurde das Justizministerium darüber in Kenntnis gesetzt, daß auch kreuz -
schiffahrten als Ersatz eines Teils der Strafe geplant sind?
3. Wurde das Justizministerium darüber unterrichtet, auf welchen Teilen der Welt -
meere die Straftäter ihre Kreuzfahrt, anstelle der Freiheitsstrafe, absolvieren
dürfen?
4. Worin liegt der Resozialisierungsgedanke bei diesen Projekten?
5. Glauben Sie, daß durch diese finanzierten Teilnahmen von Aufenthalten in
fremden Staaten bzw. durch die Teilnahme an geplanten Kreuzschiffahrten -
auf Kosten der zuständigen
Jugendämter - die Resozialisierung und die Moti -
vation des Straftäters, sich in Zukunft rechtstreu zu verhalten, mehr gewährlei-
stet wird, als durch andere kostengünstigere, adäquate Maßnahmen im In -
land?
6. Gibt es bereits Erfahrungswerte von anderen Gerichten in Österreich, die
ebenfalls wie das Landesgericht Feldkirch die Möglichkeit einräumten, an sol -
chen „Projekten“ bzw. „Kreuzfahrten" teilzunehmen?
7. Wenn ja, welcher Art sind die Maßnahmen und in welchen Ländern, Erdteilen
wurden sie durchgeführt und in welchen „Hotelkategorien“ bzw. auf welchen
„Hochsee-kreuzfahrtschiffen“ wurden die Straftäter betreut?
8. Gibt es bereits Erfahrungswerte, wie hoch der Prozentsatz an Rücktallstätern
im Vergleich zu anderen Resozialisierungsmaßnahmen im Inland ist?
9. Sind diese Projekte nur auf mehrfach vorbestrafte Täter abgestellt?
10. Ist bereits von Anfang an geplant gewesen, daß neben strafbaren Handlungen
gegen fremdes Vermögen auch Straftäter, die gegen Leib und Leben versto -
ßen, in den Genuß dieser Erlebnisprojekte und kreuzschiffahrtmöglichkeiten
kommen?“
Zunächst ist vorauszuschicken, daß die in der Anfrage angesprochenen Erleb -
nispädagogikprojekte nicht zum vollziehungsbereich des Bundesministers für Justiz
gehören, sondern als Maßnahmen der Jugendfürsorge gemäß Art. 12 Abs. 1
Z 1 B-VG in die alleinige Vollziehungszuständigkeit der Länder fallen.
Vor diesem kompetenzrechtlichen Hintergrund beantworte ich nun die Fragen wie
folgt:
Zu 1 bis 3:
Das Bundesministerium für Justiz wurde weder von den zuständigen Stellen des
Landes Vorarlberg noch vom Landesgericht
Feldkirch über die in Rede stehenden
erlebnispädagogischen Maßnahmen informiert. Eine solche Information wäre auch
in keiner Weise indiziert gewesen.
Nach dem - zum Teil aus Anlaß der Anfrage gewonnenen - Informationsstand des
Bundesministeriums für Justiz betrauen die Behörden des Bundeslandes Vorarlberg
im Rahmen ihrer bundes- und landesgesetzlichen Zuständigkeit zur sozialen Fürsor -
ge den privaten Verein „Institut für Sozialdienste (IfS)“ mit verschiedenen Tätigkeiten
auf den Gebieten der Alten-, Behinderten- und Jugendfürsorge. Zu den sozial -
pädagogischen Aktivitäten dieses Vereins zählt auch die Durchführung von erleb -
nispädagogischen Projekten, die unter anderem aus Mitteln des Landes Vorarlberg
finanziert werden. Das Bundesministerium für Justiz hat zu diesen Projekten weder
organisatorische noch finanzielle Berührungspunkte. Bei diesen Projekten handelt
es sich um Maßnahmen, die ausschließlich im Verantwortungsbereich des Bundes -
landes Vorarlberg geplant und durchgeführt werden. Für die zuständigen Stellen
dieses Bundeslandes und das Institut für Sozialdienste war eine Verständigung des
Bundesministeriums für Justiz von diesen Maßnahmen weder auf Grund irgendwel -
cher Vorschriften geboten noch aus sonstigen Überlegungen angebracht.
Auch das Landesgericht Feldkirch hatte keine Veranlassung, etwa im Zusammen -
hang mit dem konkreten Fall das Bundesministerium für Justiz über die Erlebnispäd -
agogikprojekte zu informieren. Gemäß § 16 Abs. 2 Z 12 StVG fallen alle mit der be -
dingten Entlassung zusammenhängenden Anordnungen in die Zuständigkeit des
Vollzugsgerichts. Im besonderen gilt dies auch für die Erteilung von Weisungen, für
deren Aufhebung oder Abänderung aus Anlaß der Gewährung der bedingten Ent -
lassung oder während der dabei bestimmten Probezeit. In dem in der Anfrage ange -
sprochenen Fall handelte es sich um eine solche Weisung nach §§ 50, 51 StGB (zu
unterscheiden von dem in der Anfrage verwendeten Begriff der Auflage nach § 19
JGG). Die Weisungserteilung stellt somit einen Akt der unabhängigen Gerichtsbar -
keit dar. Richterliche Hoheitsakte oder die Absicht, sie zu erlassen, sind aber dem
Bundesministerium für Justiz nur dann mitzuteilen, wenn hiezu eine ausdrückliche
gesetzliche oder durch Verordnung geregelte Verpflichtung besteht.
Eine solche Informationspflicht trifft die Gerichte im hier interessierenden Zusam -
menhang nicht. Mit der bedingten Entlassung endet der Strafvollzug; der Entlassene
gewinnt grundsätzlich die volle
persönliche Freiheit zurück. Wenn ihm das Vollzugs -
gericht eine Weisung erteilt, schränkt es damit seine Freiheit - allerdings in anderer
Weise als durch den Strafvollzug - ein. Diese Freiheitsbeschränkung darf nach dem
Willen des Gesetzgebers nur angeordnet werden, um künftiges Wohlverhalten zu
fördern. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinn wiederholt ausgesprochen, daß
die Weisung nach den §§ 50, 51 StGB nicht als Ersatz für ein Strafübel dienen oder
an die Stelle der bedingt erlassenen Strafe treten dürfe. Der durch eine Weisung
herbeigeführte Zustand ist also nicht etwa als modifizierte - administrative Agenden
im Bereich der Justizverwaltung berührende - Sonderform des Strafvollzugs anzuse -
hen. Für die Gerichte besteht daher kein Anlaß, das Bundesministerium für
Justiz über beabsichtigte oder erteilte Weisungen zu verständigen.
Zu 4 und 5:
Ich ersuche um Verständnis dafür, daß ich mich weder zu den diesen Erlebnispäd -
agogikprojekten innewohnenden Grundgedanken äußern noch Bewertungen über
die Effizienz dieser Maßnahmen anstellen kann, zumal es sich dabei - wie einleitend
bereits erwähnt - nicht um eine Angelegenheit meines Zuständigkeitsbereichs han -
delt.
Zu 6 bis 8:
Außer dem Landesgericht Feldkirch, das bisher nur in dem in der Anfrage genann -
ten Fall eine Weisung zur Teilnahme an erlebnispädagogischen Maßnahmen erteilt
hat, ist es sonst nur noch beim Landesgericht Linz, und zwar in vier Fällen, zu sol -
chen Weisungen gekommen. Aus den insgesamt somit fünf Fällen der Anwendung
erlebnispädagogischer Mittel im Rahmen einer Weisung ist es aber nicht möglich,
auch nur einigermaßen aussagekräftige Erfahrungswerte abzuleiten. Dies gilt umso
mehr, als bei zwei von den vier Fällen beim Landesgericht Linz die erlebnispädago -
gische Maßnahme vorzeitig beendet werden mußte, weil sich im Projektverlauf -
zum Teil bereits während der Vorbereitung - die mangelnde Eignung der Jugendli -
chen hiefür nachträglich herausgestellt hatte. Zudem können die Wirkungen des
Projekts in dem der Anfrage zugrundeliegenden Fall derzeit noch nicht beurteilt wer -
den.
Im übrigen handelt es sich bei der Erteilung einer Weisung im Sinne der §§ 50, 51
StGB nicht um die Einräumung einer Möglichkeit, sondern um einen richterlichen
Auftrag. Die mutwillige Nichtbefolgung dieses Auftrags trotz förmlicher Mahnung
zieht nach § 53 Abs. 3 StGB den Widerruf der bedingten Entlassung und damit den
Vollzug des Strafrestes nach sich, wenn dies nach den Umständen geboten er-
scheint, um den Entlassenen von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Zu 9 und 10:
Zunächst sei neuerlich darauf hingewiesen, daß die Durchführung von Erlebnispäd -
agogikprojekten und damit auch die Auswahl der dafür in Frage kommenden Ju -
gendlichen nicht zu meinem Vollziehungsbereich gehört.
Bei der Entscheidung darüber, ob einem Rechtsbrecher eine Weisung im Sinn der
§§ 50, 51 StGB erteilt wird, hat sich das Gericht ausschließlich mit den Fragen aus -
einanderzusetzen, ob der Auftrag in Inhalt und Zielsetzung dem künftigen Wohlver -
halten des Betroffenen förderlich und ob damit nicht ein unzumutbarer Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte oder die Lebensführung des Rechtsbrechers verbunden ist.
Sind diese beiden Kriterien erfüllt, kann das Gericht auch auf therapeutische Pro -
gramme zurückgreifen, wie sie von verschiedenen öffentlichen und privaten Institu -
tionen etwa für sozial oder psychisch gefährdete oder entwöhnungsbedürftige Per -
sonen durchgeführt werden. Einfluß auf Inhalt und Form der Durchführung dieser
therapeutischen Maßnahmen kann das Gericht aber nicht nehmen.