304/AB
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 294/J-NR/96
betreffend Benachteiligung von erwachsenen Lehrlingen an
Berufsschulen, die die Abgeordneten Marianne Hagenhofer und
GenossInnen am 14 . März 1996 an mich richteten, wird wie folgt
beantwortet :
1 . Welche konkreten Ergebnisse brachten in dieser Frage die
damit befaßten Länderkonferenzen (Kuchler Konferenzen) ?
Antwort :
Die Besprechungen, die eine Einschulung von Erwachsenen als
außerordentliche Schüler an der Berufsschule thematisch behan-
delten, zeigen folgende Punkte auf:
1 . Grundsätzlich müßte der kooperative Bildungsauftrag der
Berufsschule ausgeweitet werden.
2 . Gemäß § 46 Schulorganisationsgesetz und § 20 Schulpflicht-
gesetz sind jene Personen pflichtig in die Berufsschule
aufzunehmen, die aufgrund eines Lehrvertrages bei einem
Lehrberechtigten fachlich ausgebildet werden. Demnach sind
auch erwachsene Lehrlinge bei bestehendem Lehrvertrag
schulpflichtig.
Die in der Anfrage genannte Gruppe von Erwachsenen erfüllt
diese gesetzliche Voraussetzung nicht, da sie mit der
Arbeitsstiftung keinen Lehrvertrag aufweisen kann.
2 . Welcher Art sind die im Brief des BMUK (GZ 25 .075/330-21/95
genannten, für die Bereinigung der Situation "notwendigen
gesetzlichen Änderungen''?
Antwort :
Es müßte für die erwähnte Gruppe von Erwachsenen der Bildungs-
auftrag der Berufsschule vor allem im Schulorganisationsgesetz
und im Schulpflichtgesetz sowie im Pflichtschulerhaltungs-
Grundsatzgesetz ausgeweitet werden.
Der § 5 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes besagt,
daß öffentliche Berufsschulen unter Bedachtnahme auf eine für
die Schulführung erforderliche Mindestschülerzahl in solcher
Zahl und an solchen Orten zu bestehen haben, daß alle der
Berufsschulpflicht unterliegenden Personen eine ihrem Lehrberuf
entsprechende Berufsschule bei einem ihnen zumutbaren Schulweg
besuchen können.
Welche Mindestschülerzahl vom Standpunkte eines schulpolitisch
und wirtschaftlich vertretbaren Bestandes einer Berufsschule
erforderlich ist, ist der Festsetzung durch die Landesaus-
führungsgesetzgebung vorbehalten.
Die Berufsschulpflicht ist in den §§ 20 bis 23 Schulpflicht-
gesetz geregelt .
Lehrberufe sind im Sinne der Lehrberufsliste gemäß § 7 des
Berufsausbildungsgesetzes zu verstehen.
§ 51 des Schulorganisationsgesetzes führt über die Klassen-
schülerzahl aus :
Die Klassenschülerzahl an der Berufsschule darf 30 nicht über-
steigen und soll 20 nicht unterschreiten. Sofern hiervon aus
besonderen Gründen ( z .B. zur Erhaltung der Verfachlichung oder
zur Aufnahme der Berufsschulpflichtigen) ein Abweichen erfor-
derlich ist, hat darüber die nach dem Ausführungsgesetz zustän-
dige Behörde nach Anhörung des Schulerhalters und des Landes-
schulrates zu entscheiden. Die Ausführungsgesetzgebung hat zu
bestimmen, daß der Unterricht in den sprachlichen und
praktischen Unterrichtsgegenständen statt für die gesamte
Klasse in Schülergruppen zu erteilen ist . Die Ausführungs-
gesetzgebung kann ferner weitere Unterrichtsgegenstände bestim-
men, in denen der Unterricht statt für die gesamte Klasse in
Schülergruppen zu erteilen ist .
3 . Welche finanziellen Auswirkungen wären mit den gesetzlichen
Änderungen verbunden?
Antwort :
Die Bestimmungen über die Berufsschulen, die berufsbildende
Pflichtschulen sind, gliedern sich aus den folgenden verfas-
sungsgesetzlichen Gründen in zwei Unterteilungen :
a) unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht und
b) grundsatzgesetzliche Bestimmungen über die äußere
Organisation.
Auf dem Gebiete des Schulwesens sind Gesetzgebung und Vollzie-
hung gemäß Artikel 14 Abs . 1 BVG Bundessache, soweit in den
folgenden Absätzen des Artikel 14 BVG nichts anderes bestimmt
ist . Die aufgrund des Artikel 14 Abs . 1 BVG erlassenen Bundes-
gesetze sind daher unmittelbar anwendbares Bundesrecht, hin-
gegen steht dem Bund nach Artikel 14 Abs . 3 lit . b Bundesver-
fassungsgesetz hinsichtlich der äußeren Organisation der
öffentlichen Pflichtschulen nur die Grundsatzgesetzgebung zu.
Die aufgrund dieser Kompetenzgrundlage erlassenen Grundsatz-
gesetze bedürfen zur Realisierung der Ausführungsgesetze, die
von den Ländern zu erlassen und zu vollziehen sind.
Eine Kompetenzausnahme besteht nur bezüglich der Bundesberufs-
schule für Uhrmacher in Karlstein, NÖ.
4 . Werden Sie konkrete Schritte - von gesetzlichen Anderungen
abgesehen - unternehmen, um die Benachteiligung erwach-
sener Lehrlinge an Berufsschulen zu beseitigen?
4.1. Wenn ja welche?
4 .2. Wenn nein, warum nicht?
5. Welcher Art könnte die in Aussicht gestellte Unterstützung
seitens des BMUK sein, wenn ein Bundesland die Ausweitung
der Einschulung außerordentlicher Schüler plant?
6. Halten sie die Vorschreibung von Schulgebühren für
außerordentliche Schüler durch die Länder für gerecht-
fertigt? -
6.1. Wenn nein: was werden Sie unternehmen, um sie abzuschaffen
6.2. Wenn ja: wie begründen Sie diese Meinung?
Antwort :
In der Berufsschule können auch Aufnahmswerber, die nach Alter
und geistiger Reife zur Teilnahme am Unterricht der betreffen-
den Schulstufe geeignet sind, als außerordentliche Schüler
aufgenommen werden, wenn diese Personen nicht schulpflichtig
sind. Gemäß § 4 Abs . 5 des Schulunterrichtsgesetzes ist die
Aufnahme außerordentlicher Schüler nur dann zulässig, wenn
dadurch keine Klassenteilung erforderlich ist. Da die Eröffnung
von zusätzlichen Klassen bzw. die Teilung in Schüler- und
Leistungsgruppen die äußere Organisation der Berufsschulen
berührt, wären vor Änderung der rechtlichen Grundlagen vorerst
die Länder, die für die Berufsschulen die Schulerhalter sind,
zu befassen. Der Begriff ''Lehrling'' ist vom Lebensalter unab-
hängig. Es besteht lediglich eine altersmäßige Untergrenze,
jedoch keine Obergrenze. Gemäß § 46 Schulorganisationsgesetz
und § 20 Schulpflichtgesetz sind Personen schulpflichtig und in
die Berufsschule aufzunehmen, die aufgrund eines Lehrvertrages
bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet werden. In
diesem Fall treten auch für Erwachsene keine Benachteiligungen
ein. Der § 5 des Schulorganisationsgesetz weist zwar im
generellen auf die Schulgeldfreiheit hin, es ist jedoch auch
der § 14 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes zu
beachten, wo darauf hingewiesen wird, daß an Berufsschulen
sowie im Betreuungsteil sonstiger Pflichtschulen Lern- und
Arbeitsmittelbeiträge eingehoben werden können. Nach Rück-
sprache mit den Ländern ist festzustellen, daß die notwendigen
gesetzlichen Änderungen derzeit nicht durchführbar sind, da
wegen der finanziellen Beteiligung der Länder und Gemeinden von
diesen keine Zusage zu erwarten ist.