3144/AB XX.GP
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 3203/J der Abgeordneten Franz Kampichler und Kollegen vom
5. November 1997, betreffend die steuerliche Belastung für Invalidenfahrzeuge, beehre ich
mich folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Es ist nicht zutreffend, daß in Deutschland lnvalidenfahrzeuge dem ermäßigten Umsatz—
steuersatz unterworfen sind. Gemäß Z 51 der Anlage zum deutschen Umsatzsteuergesetz
unterliegen nur "Rollstühle und andere Fahrzeuge für Kranke und Körperbehinderte, auch mit
Motor oder anderer Vorrichtung zur mechanischen Fortbewegung (Position 8713 der
Kombinierten Nomenklatur)“ dem ermäßigten Steuersatz. Wie den Erläuterungen zu dieser
Bestimmung zu entnehmen ist, fallen hierunter nur Fahrstühle und ähnliche Fahrzeuge für
Kranke und Körperbehinderte, die entweder durch Motor oder von Hand mit Hebeln oder
Kurbeln angetrieben werden oder deren Räder unmittelbar von Hand bewegt werden oder die
von anderen Personen geschoben werden. Nicht erfaßt von der Begünstigung sind hingegen
unter anderem Fahrzeuge, die lediglich zur Benutzung durch Körperbehinderte umgebaut
sind, wie etwa Personenkraftwagen mit Handkupplung oder Handgashebel.
Das bedeutet, daß die in der Anfrage angesprochenen Elektromobile für Gehbehinderte,
Invalide und Senioren, die bis 31. Dezember 1996 in Österreich dem ermäßigten Steuersatz
von 12% unterlagen, in Deutschland nicht unter die aufgezeigte Begünstigung fallen, sondern
dem Normalsteuersatz unterliegen. Dem ermäßigten Steuersatz von 12% unterlagen in
Österreich nur Elektrofahrzeuge der Positionen 8703 (Personenkraftwagen),
8704 (Lastkraftwagen) und 8711 (Krafträder) der Kombinierten Nomenklatur. Die in
Deutschland dem ermäßigten
Steuersatz unterliegenden Rollstühle und ähnliche Fahrzeuge
der Position 8713 der Kombinierten Nomenklatur unterlagen in Österreich immer dem
Normalsteuersatz.
Die generelle Einräumung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Invalidenfahrzeuge
wurde aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen auch nicht den EU-Mehr-
wertsteuer-Richtlinien, an die Österreich seit dem EU-Beitritt gebunden ist, entsprechen.
Nach dem Anhang H der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie kann zwar für medizinische Hilfsmittel
und sonstige Vorrichtungen, die üblicherweise für die Linderung und die Behandlung von Be-
hinderungen verwendet werden, und die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von
Behinderten bestimmt sind, ein ermäßigter Umsatzsteuersatz vorgesehen werden. Ein
Personenkraftwagen jedoch, der allenfalls mit einer entsprechenden Behinderteneinrichtung
ausgestattet ist, ist als Personenkraftwagen unter die Position 8703 der Kombinierten
Nomenklatur zu subsumieren und dient auch nicht der Linderung und Behandlung von Be-
hinderungen. Für ein derartiges Fahrzeug wäre daher, auch wenn es ausschließlich von
einem Behinderten verwendet wird, die Einräumung eines ermäßigten Steuersatzes nicht zu-
lässig. Der Grund hierfür besteht darin, daß nach der Definition der Umsatzsteuer als einer
allgemeinen Verkehr- und Verbrauchsteuer die Berücksichtigung sozialer Komponenten -
noch dazu, wenn sie beim Leistungsempfänger liegen - nur schwer möglich ist. So müßte
etwa bei einer Umsatzsteuerermäßigung für Invalidenfahrzeuge der liefernde Unternehmer in
jedem Einzelfall nachweisen können, daß das Fahrzeug tatsächlich an einen Behinderten
verkauft wurde und ausschließlich von diesem verwendet wird, wobei auch der Grad der Be-
hinderung geprüft werden müßte. Würde man diese Nachweise nicht verlangen, so könnte
jede Person einen Personenkraftwagen mit einer einfachen Behinderteneinrichtung steuer-
begünstigt erwerben. Aus diesem Grund werden in den meisten Staaten - so auch in Öster-
reich - die aus sozialpolitischer Sicht förderungswürdigen Anschaffungen nicht im Rahmen
der Umsatzsteuer, sondern durch die Sozialgesetzgebung erfaßt.
Was die Rollstühle und ähnliche Fahrzeuge betrifft, bei denen von der ausschließlichen Ver-
wendung durch Behinderte ausgegangen werden kann und somit Mißbräuche kaum möglich
sind, so könnte bei weiter Auslegung der oben angeführten EU-Bestimmung die Anwendung
eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes - wie in Deutschland - vorgesehen werden. Jedoch
erscheint es auch hier zweckmäßiger, derartige Anschaffungen durch sozialrechtliche Maß-
nahmen, insbesondere im Rahmen der Sozialversicherung und der öffentlichen Fürsorge
(Sozialhilfe), zu fördern. Das ist für die betroffenen Personen schon deshalb günstiger als
etwa ein ermäßigter Umsatzsteuersatz, weil es hier zu einem gänzlichen oder zumindest
teilweisen Ersatz der Gesamtkosten (und nicht nur zur Ermäßigung der Umsatzsteuer)
kommen kann. Da in Österreich die
Sozialversicherungs- und Fürsorgeleistungen - auch
betreffend den Ersatz von Hilfsmitteln für Behinderte - sehr weitreichend sind, ist derzeit nicht
beabsichtigt, Hilfsmittel für Behinderte in den ermäßigten Umsatzsteuersatz einzubeziehen.
Zu 2. und 4.:
Da Invalidenfahrzeuge auch in Deutschland dem Normalsteuersatz unterliegen, kann es zu
keinem Wettbewerbsnachteil für österreichische Händler gegenüber deutschen Händlern aus
dem Titel eines ermäßigten Steuersatzes kommen.
Zu 3.:
Wie bereits ausgeführt, ist die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Invaliden—
fahrzeuge nicht vorgesehen, sodaß sich die Frage einer Umschichtung des Steuerauf-
kommen derzeit in dieser Form nicht stellt.