3166/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Graf, Dr. Ofner, Mag. Haupt und
Kollegen haben am 22. Oktober 1997 unter der Nr. 3155/J an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Kulturzentrum „Haus der
Heimat“ in Wien gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
„1. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die gewünschte Zentralbibliothek
doch noch zustande kommen kann?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?
2. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die Führung des „Hauses der
Heimat“ durch eine finanzielle Unterstützung der Republik Osterreich
gewährleistet ist?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?
3. Sind Sie dafür, die nicht ausbezahlten Guthaben des transferierten
Geldes einer Stiftung zuzuführen, aus der der laufende Betrieb des
„Hauses der Heimat“ finanziert wird?
Wenn ja, wann wird diese Stiftung eingerichtet?
Wenn nein, was passiert mit diesen Guthaben?
4. Hat die Republik Osterreich die Verpflichtung, das kulturelle Erbe der
Altösterreicher deutscher Muttersprache zu erhalten?
Wenn ja, in welcher Form geschieht das?
Wenn nein, warum nicht?
5. Wird die Republik Österreich dem Beitritt Tschechiens zur EU auch dann
zustimmen, wenn bis dahin die menschenrechtswidrigen Benes—Dekrete
nach wie vor gültiges Recht in der tschechischen Republik sind?
Wenn ja, was halten Sie von Menschenrechten in der EU?
6. Wird die Republik Österreich dem Beitritt Sloweniens zur EU auch dann
zustimmen, wenn bis dahin die menschenrechtswidrigen AVNOJ-
Bestimmungen nach wie vor gültiges Recht in der slowenischen Republik
sind?
Wenn ja, was halten Sie von Menschenrechten in der EU?“
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Zur Frage des Zustandekommens der Zentralbibliothek wurde ich informiert,
daß der Verband der Landsmannschaften aus Mitteln des Bundesministeriums
für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten für das Jahr 1997 eine einmalige
projektbezogene Subvention von S 150.000,- für den Ankauf von Büroaus-
stattung für die angesprochene Zentralbibliothek erhält.
Zu Frage 2:
Wie mir mitgeteilt wurde, liegt im Bundeskanzleramt kein diesbezüglicher
Förderungsantrag vor; sollte ein derartiges Ansuchen einlangen, wäre dieses
zu überprüfen, wobei allerdings auf die derzeitige budgetäre Situation Bedacht
zu nehmen ist.
Zu Frage 3:
Dazu ist festzuhalten, daß die gesamten der Republik Österreich aus dem
Komplex "CSSR-Entschädigung“ zufließenden Mittel ausschließlich für die
Entschädigung jenes Personenkreises zu verwenden sind, der durch die
Bestimmungen des Vermögensvertrages CSSR
und des Entschädigungs—
gesetzes CSSR festgelegt worden ist; eine Umwidmung von Mitteln für andere
als die im Vermögensvertrag mit der ehemaligen CSSR genannten Berechtig-
ten würde einen Verstoß gegen einen völkerrechtlichen Vertrag darstellen und
ist daher auszuschließen
Zu den Fragen 4 bis 6:
Es steht für mich außer Zweifel, daß eine pluralistische und demokratische
Gesellschaft die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität aller
Angehörigen einer nationalen Minderheit zu achten hat und darüber hinaus die
geeigneten Bedingungen schaffen sollte, die es Minderheiten ermöglicht, ihre
Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und zu entwickeln. Ausdruck
europäischen Selbstverständnisses muß es sein, daß Staaten auf ihrem je-
weiligen Hoheitsgebiet das Bestehen nationaler Minderheiten schützen.
Gerade die geschichtlichen Umwälzungen in Europa haben gezeigt, daß der
Schutz nationaler Minderheiten für Stabilität, demokratische Sicherheit und
Frieden auf diesem Kontinent wesentlich ist. Es hat sich auch gezeigt, daß es
notwendig ist, ein Klima der Toleranz und des Dialogs zu schaffen, damit sich
die kulturelle Vielfalt für jede Gesellschaft als Quelle und Faktor nicht der
Teilung, sondern der Bereicherung erweisen kann.
Österreich hat im Rahmen seiner Auslandskulturpolitik durch zahlreiche
Veranstaltungen im Ausland, von Konferenzen bis Autorenlesungen, das
kulturelle Erbe Österreichs und der deutschen Muttersprache aktiv unterstützt
und gefördert. Besondere Bedeutung kommt hiebei der Einrichtung von
Österreich-Bibliotheken vor allem in ost- und mitteleuropäischen Staaten zu. In
den letzen Jahren wurden darüber hinaus mehrere neue Kulturinstitute gegrün-
det, so jenes in Prag im Dezember 1996.
Auch gehe ich davon aus, daß sich Fortschritte in den von Ihnen angesproche-
nen Fragen nur in einem Klima gutnachbarlicher Beziehungen erzielen lassen.
In diesem Sinn habe ich anläßlich meines offiziellen Besuchs in Slowenien in
den Gesprächen mit Ministerpräsident Drnovesk und Außenminister Frlec die
wichtigen Anliegen der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien unter-
strichen.
Ich habe mit meinen Gesprächspartnern festgehalten, daß man die Studie über
die jüngste Geschichte der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien, die
zur Zeit von Prof. Karner und Prof. Necak erarbeitet wird, abwarten sollte. Es ist
zu erwarten, daß die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe gegen Ende dieses
Jahres vorliegen werden; auf der Grundlage dieses Gutachtens sollen weitere
bilaterale Gespräche stattfinden. In diesem Zusammenhang habe ich mich für
eine Lösung der Probleme im europäischen Geist ausgesprochen.
Was die von Ihnen angesprochenen Benes-Dekrete anbelangt, weise ich
darauf hin, daß die österreichische Bundesregierung die „Deutsch-Tschechi-
sche Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Ent-
wicklungen“ mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und betont hat, daß
dieser Schritt auch über das deutsch-tschechische Verhältnis hinaus Bedeu-
tung hat.
In der angesprochenen Erklärung hat die tschechische Seite bedauert, daß
durch die nach dem Kriegsende erfolgte Vertreibung sowie zwangsweise
Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei, die
Enteignung und Ausbürgerung viel Leid und Unrecht zugefügt wurde; sie
bedauert insbesondere die Exzesse, die im Widerspruch zu elementaren
humanitären Grundsätzen und auch den damals bestehenden Rechtsnormen
bestanden haben. Die deutsche und die
tschechische Seite stimmen darin
überein, daß das begangene Unrecht der Vergangenheit angehört und die
Beziehungen auf die Zukunft auszurichten sind, wobei jede Seite ihrer Rechts-
ordnung verpflichtet bleibt und respektiert, daß die andere Seite eine andere
Rechtsauffassung hat. Beide Seiten erklärten auch, daß sie ihre Beziehungen
nicht mit aus der Vergangenheit herführenden politischen und rechtlichen
Fragen belasten werden.
Die Bundesregierung sieht in dieser Stellungnahme ein deutliches Signal für
ein friedliches und freundliches Zusammenleben in Europa.