3261/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3359/J-NR/1997 betreffend Nichtumsetzung der
EU-Tierversuchsrichtlinie in Österreich, die die Abgeordneten RAUCH-KALLAT und Kolle-
gen am 26. November 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantwor-
ten:
Zu der Einleitung zur gegenständlichen parlamentarischen Anfrage ist zunächst festzustellen,
daß Österreich einen im internationalen Vergleich hohen Standard hinsichtlich der Tierversu-
che sowie auch hinsichtlich der gesetzlichen Regelung von Tierversuchen aufweist.
Was die in der Begründung der Anfrage enthaltenen hinweise im Hinblick auf die Beantwor-
tung der szt. schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1243/J-NR196 vom
20. September 1996 durch meinen Amtsvorgänger betrifft, so ist es unzutreffend (und wäre
eine Fehlinterpretation), daß aus der „Antwort hervorginge", daß hinsichtlich Art. 5 bzw. der
diesbezüglichen Anhänge betreffend „Unterbringung und Pflege von Tieren“ vom Bundes-
ministerium für Wissenschaft und Verkehr "die sonderbare Auffassung vertreten wird, daß die
Haltung von Versuchstieren nicht unter die
Tierversuchskompetenz zu subsumieren ist.“
Tatsache ist vielmehr:
Art. 5 der Richtlinie 86/609/EWG lautet:
„Artikel 5
Die Mitgliedstaaten sorgen hinsichtlich der allgemeinen Pflege und Unterbringung der Tiere
dafür, daß
a) alle Versuchstiere in einer ihrem Gesundheitszustand und ihrem Wohlbefinden zuträglichen
Weise unter geeigneten Umweltbedingungen und unter Wahrung von zumindest einer ge-
wissen Bewegungsfreiheit untergebracht werden und entsprechend Futter, Wasser und
Pflege erhalten;
b) die Möglichkeiten der Versuchstiere, ihre physiologischen und ethologischen Bedürfnisse
zu befriedigen, nur soweit und eingeschränkt werden, wie dies unbedingt erforderlich ist;
c) die Umweltbedingungen, unter denen die Tiere gezüchtet, gehalten oder verwendet werden,
täglich überprüft werden;
d) Wohlbefinden und Gesundheitszustand der Versuchstiere von einer sachkundigen Person
überprüft werden, damit keine Schmerzen, vermeidbaren Leiden, Ängste oder dauerhaften
Schäden auftreten;
e) Vorkehrungen getroffen werden, um zu gewährleisten, daß festgestellte Mängel oder Lei-
den so schnell wie möglich behoben werden.
Bei der Durchführung der Bestimmungen gemäß Buchstaben a) und b) richten die Mitglied-
staaten sich nach den Leitlinien in Anhang II.“
Die Antwort auf die seinerzeitige Frage, „inwiefern diese EU-Richtlinie in Österreich voll-
zogen wird“, lautete wie folgt..
Die „EU-Tierversuchsrichtlinie“, 861609/EWG, wird hinsichtlich Art. 5 durch §§ 4, 5, 6, 10
Abs. 1 und 11 im Einklang mit der österreichischen Rechtskompetenzlage zum Tierversuchs-
und Tierschutzrecht umgesetzt. Insoferne ist auch die Haltung von Versuchstieren bereits ge-
setzlich geregelt“ (Anmerkung: im Tierversuchsgesetz siehe unten). Und ergänzend wurde
hinzugefügt, daß darüber hinaus „Tierhaltung“ - ganz allgemein - eine Angelegenheit des Tier-
schutzes ist und demgemäß unter der (derzeitigen) Kompetenzlage in Gesetzgebung und Voll-
ziehung in die Zuständigkeit der
Länder fällt.
Die zitierten Regelungen des österreichischen Tierversuchsgesetzes, BGBI.Nr. 501/1989, se-
hen insbesondere vor:
§ 4: Leitende Grundsätze für Tierversuche, ethische Grundsätze etc.
§ 5: Tierversuche dürfen nur von den gemäß § 6 dafür genehmigten Tierversuchseinrichtun-
gen und von Personen, die für die entsprechende Genehmigung im Sinne des § 7
haben, und unbeschadet des § 9 nur nach Vorliegen einer Genehmigung im Sinne des § 8
durchgeführt werden.
§ 6: Genehmigung von Tierversuchseinrichtungen:
(1) Eine Tierversuchseinrichtung ist auf Antrag zu genehmigen, wenn
a) die erforderlichen Anlagen, Geräte und Räumlichkeiten für eine der Gesundheit
und dem Wohlbefinden förderlichen Haltung und Pflege der jeweiligen Versuchs-
tiere und für eine fachgerechte Durchführung der beabsichtigten Tierversuche zur
Verfügung stehen,
b) das erforderliche sachkundige Personal insbesondere auch zur Betreuung der Ver-
suchstiere vor, während und nach dem Versuch vorhanden ist und eine tägliche
Kontrolle der Tiere ermöglicht und
c) die ordnungsgemäße Unterbringung und Pflege der jeweiligen Versuchstiere so-
wie ihre medizinische Versorgung gewährleistet sind, um Belastungen möglichst
zu vermeiden, und
d) sichergestellt ist, daß auch unvorhergesehen auftretende Belastungen der Ver-
suchstiere so rasch wie möglich gelindert oder beseitigt werden.
§ 10: Erteilung (und Widerruf) von Genehmigungen
§ 11: Durchführung von Tierversuchen
Im übrigen wurde weiters auch in der Beantwortung zur Frage 1 der seinerzeitigen schriftli-
chen parlamentarischen Anfrage hingewiesen, daß das österreichische Tierversuchsgesetz in
einer Reihe von Punkten strenger und
umfassender als die „EU-Tierversuchsrichtlinie‘ ist.
So insbesondere:
• Durch den Geltungsumfang, da das österreichische Tierversuchsgesetz alle Tierversuche
"in Angelegenheiten des Hochschulwesens, der wissenschaftlichen Einrichtungen des
Bundes, des Gewerbes und der Industrie, des Gesundheitswesens, des Veterinärwesens
und des Ernährungswesens einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle sowie bezeichnete
Maßnahmen des Umweltschutzes soweit der Bund hierfür zuständig ist“, regelt, und nicht
nur — wie in der EU-Tierversuchsrichtlinie, „Präambel ‚... in der Erwägung...‘ zwischen
den derzeit geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zum Schutz für bestimmte Ver-
suchszwecke verwendeten Tiere bestehenden Unterschiede, die sich auf das Funktionieren
des gemeinsamen Marktes auswirken können ... um diese Unterschiede zu beseitigen ...„,
sowie gemäß Art. 1 es Ziel dieser Richtlinie ist, „die Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche oder andere wissenschaftliche Zwecke
verwendeten Tiere anzunähren, um zu vermeiden, daß sich diese Vorschriften insbesonde-
re durch Wettbewerbsverzerrungen oder Handelshemmnisse nachteilig auf die Schaffung
und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken“.
• Durch die Zielsetzung des Tierversuchsgesetzes, wonach die Zahl der Tierversuche zu
reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern sind.
• Durch die Zulässigkeit von Tierversuchen in einer bloß eingeschränkten Form des § 3
Tierversuchsgesetzes, sofern nämlich „die angestrebten Versuchsziele nicht durch andere
Methoden und Verfahren (Ersatzmethoden) bzw. in den Fällen der beruflichen Ausbildung
durch sonstige Lehrbehelfe, insbesondere durch Film und andere audiovisuelle Mittel
erreicht werden können“, sowie der ausdrücklich normierten Unzulässigkeit von Tier-
versuchen gemäß § 3 Abs. 3 und 4 Tierversuchsgesetz.
• Durch die zwingende behördliche Genehmigungspflicht von Tierversuchen (Ausnahme
§ 9 Abs. 2 Tierversuchsgesetz), im Gegensatz zur „EU-Tierversuchsrichtlinie“, wonach
gemäß Art. 12 Abs. 1 der EU-Tierversuchsrichtlinie ‚"Verfahren festzulegen sind, nach
denen die Versuche selbst oder die Angaben
betreffend die Personen, die diese Versuche
durchführen, der Behörde im voraus zumelden sind" und nur gemäß Art. 12 Abs. 2 EU-
Tierversuchsrichtlinie „bei einem Versuch, bei dem für ein Tier mit erheblichen und mög-
licherweise länger anhaltende Schmerzen zu rechnen ist, dieser Versuch der Behörde be-
sonders angezeigt und begründet oder von der Behörde ausdrücklich genehmigt werden
muß „...„ und (nur) in diesem Falle „die Behörde geeignete gerichtliche oder administrati-
ve Schritte zu veranlassen hat, wenn sie nicht davon überzeugt ist, daß der Versuch für
grundlegende Bedürfnisse von Mensch und Tier von hinreichender Bedeutung ist...“.
1. Teilen Sie nach wie vor die Rechtsauffassung, die Sie in der Beantwortung der parla-
mentarischen Anfrage 1243/J geäußert haben, wonach Sie nicht zur vollständigen
Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie auf der Grundlage der bestehenden Kompe-
tenzzuteilung in Österreich verpflichtet sind?
2. Wenn ja, haben Sie diesbezügliche Rechtsgutachten eingeholt, die Ihnen in dieser An—
gelegenheit Recht geben?
3. Wenn ja (zu Frage 1), haben Sie im Interesse einer voll ständigen Umsetzung der dies-
bezüglichen EU—Richtlinie mit den in diesem Fall Ihrer Meinung nach zuständigen
Bundesländern Kontakt aufgenommen, die möglichst bald eine vollständige Umset-
zung dieser EU-Richtlinie bewirken sollen?
Wenn ja, welche?
Eine Rechtsauffassung, wie sie in der Frage 1 zum Ausdruck kommt, wurde von meinem
Amtsvorgänger nicht geäußert. Die unter 1 gestellte Frage geht offenbar auf eine Fehlinter-
pretation der Antwort zurück.
Soweit Tierversuche in die Vollziehung des Tierversuchsgesetzes, BGBI.Nr. 501/1989,
fallen, ist der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr zwar federführend, aber im
Einvernehmen mit den übrigen für die Vollziehung des Tierversuchsgesetzes zuständigen
und mitverantwortlichen Bundesminister
tätig.
Soweit es sich um den sachlichen und kompetenzrechtlichen Bereich des Tierversuchsgeset-
zes (Bundesgesetz über Versuche an lebenden Tieren) handelt, würde eine „Kontaktnahme“
mit den Bundesländern keinen diesbezüglichen Sinn ergeben.
4. Ist Ihnen derzeit bekannt, ob seitens der EU-Kommission die innerösterreichische
Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie als vollständig erachtet wird?
In einer Sitzung der Vertreter der Competent-Authorities zur Umsetzung der EU-Richtlinie
86/605/EWG Anfang Dezember 1997 bei der EU-Kommission in Brüssel wurde allen Ver-
tretern der EU-Mitgliedstaaten mitgeteilt, daß vom Rechtsdienst der EU-Kommission eine
Prüfung hinsichtlich der Umsetzung dieser Richtlinie in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten
im Gange sei und daß in Kürze nahezu alle Mitgliedstaaten eine Mitteilung erhalten würden,
wo nach Auffassung der EU-Kommission noch ergänzende bzw. legistische Maßnahmen
erforderlich wären. Eine derartige Mitteilung soll im Laufe des Jahres 1998 an die EU-
Mitgliedstaaten erfolgen.
Um eine endgültige Aussage in dieser Frage machen zu können, wird daher sinnvollerweise
einerseits die solchermaßen zu erwartende Mitteilung der Kommission sowie eine darauf
notwendigerweise zu erfolgende österreichische Prüfung dieser Stellungnahme abzuwarten
sein, ehe eine Antwort auf die gestellte Frage gegeben werden kann.
5. Wie können Sie sich erklären, daß auch Dr. Kostelka und Ludmilla Parfuss, die
einen Versuch für ein neues Tierschutzgesetz unternommen haben, in Ihrem Antrag
auf Tierversuche gänzlich vergessen haben; gab es diesbezügliche Kontakte durch Ihr
Ministerium mit den Antragstellern, wenn ja welche, oder ist es möglich, daß dieser
Gesetzesantrag nicht den vollen Tierschutzbereich in der erforderlichen Form
abdeckt?
Zu den in der Frage genannten Antragstellern hat es keine Kontakte des Ministeriums gege-
ben; für eine Antwort wären die
Antragsteller zuständig.
In diesem Zusammenhang ist allerdings davon auszugehen, daß sich der zitierte Antrag mit
jenen Angelegenheiten des Tierschutzes befaßt, wie er gegenwärtig durch die jeweilige
Tierschutzgesetzgebung der Länder normiert wird und eine Einheitlichkeit der Tierschutzge-
setzgebung durch eine entsprechende Bundesgesetz-Regelung zum Ziel hat.
Davon zu unterscheiden ist die Gesetzgebung für Tierversuche bzw. die Zuständigkeit für
die Regelung von Tierversuchen durch ein Bundesgesetz. Das Bundesgesetz über Versuche
an lebenden Tieren (Tierversuchsgesetz), BGBI.Nr. 501/1989, ist bekanntlich vom Gesetz-
geber auf der Kompetenzgrundlage sogenannter "Querschnittsmaterien" erlassen worden.
Das Tierversuchsgesetz gründet sich daher auf folgende (Bundes)Kompetenztatbestände
(siehe hiezu auch BGBI.Nr. 501/1989):
- Veterinärwesen, Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG;
- Gesundheitswesen, Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG;
- Umweltschutz, soweit der Bund gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG zuständig ist;
- Wissenschaftliche Einrichtungen des Bundes, Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG sowie
- Hochschulwesen, Art. 14 Abs. 1 BVG.
6. Gibt es weitere offene Punkte in der Umsetzung der diesbezüglichen EU-Richtlinien?
Siehe hiezu die Antwort zu oben Frage 4.
7. Sind Sie derzeit, durch geeignete Veranlassungen dafür Sorge zu tragen, daß in Öster-
reich in diesem Bereich eine vollständige EU-Rechtsumsetzung gewährleistet ist?
Selbstverständlich.