3269/AB XX.GP

 

Beantwortung

der parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten

Haller, Mag. Haupt und Kollegen betreffend

die Problematik der Grenzgänger im Bereich

der Krankenversicherung (Nr. 3333/J).

Zu der aus der Beilage ersichtlichen parlamentarischen Anfrage teile ich ein-

leitend folgendes mit:

Die Anfrage bezieht sich unter dem Titel „Problematik der Grenzgänger of-

fensichtlich auf die Auswirkungen von Art.28 und 33 der Verordnung (EWG)

Nr.1408171 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, die ua eine Zuord-

nung von deutschen „Alleinpensionisten“ mit Wohnort in Österreich hinsichtlich ihrer

Krankenversicherung und der Beitragspflicht treffen. Diese Regelungen sind kein

Grenzgängerspezifikum, sondern beziehen sich auf alle Pensionisten, die einen

Krankenversicherungsschutz auf Grund eines Rentenanspruchs nach den Rechts-

vorschriften eines einzigen oder mehrerer EWR-Mitgliedstaaten haben, aber keinen

im Wohnortstaat. Diese Regelungen sehen vor, daß deutsche „Alleinpensionisten“

mit Wohnort in Österreich die Sachleistungen der Krankenversicherung vom öster-

reichischen Träger des Wohnortes aushilfsweise nach dessen Rechtsvorschriften

erhalten, als ob sie österreichische Pensionisten wären (Art.28 der Verordnung).

Hinsichtlich der Beiträge sieht Art.33 Abs.1 der Verordnung vor, daß der Träger, der

eine Rente schuldet, die Beiträge für Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft von

der geschuldeten Rente einbehalten kann.

Im Unterschied zu dieser EG—Rechtslage sah das bis zum Inkrafttreten des

EG-Rechts wirksame bilaterale österreichisch-deutsche Abkommen über soziale Si-

cherheit nach Art.17 Abs.1 jedoch vor, daß diese Personen in der österreichischen

Krankenversicherung der Pensionisten zu Lasten der deutschen Rentenversicherung

zu versichern waren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die frü-

her maßgebliche innerstaatliche deutsche Rechtslage zunächst keine Beiträge für

die deutsche Krankenversicherung der Rentner kannte und daher das Abkommen

ausdrücklich vorsah, daß auch für die in Deutschland wohnenden österreichischen

Pensionsbezieher keine Beiträge von der österreichischen Pension einzubehalten

sind. Im Rahmen der deutschen ,,Kostendämpfungsgesetze‘ wurde aber bereits ab

1.1.1983 eine Beitragspflicht in der deutschen Krankenversicherung der Rentner

eingeführt. Unter Berücksichtigung der unveränderten zwischenstaatlichen Rechts-

lage ergab sich daraus für die im jeweils anderen Vertragsstaat wohnenden Einfach-

pensionisten gegenüber anderen Pensionsbeziehern eine sozialpolitisch nicht ge-

rechtfertigte Besserstellung, die durch eine Revision des Abkommens beseitigt wer-

den sollte.

Diese beabsichtigte Änderung der bilateralen Rechtslage, die sich im Hinblick

auf unterschiedliche Auffassungen in anderen Bereichen verzögerte, entsprach auch

der Rechtslage der genannten Verordnung (EWG) Nr.1408/71, die im Rahmen des

EWR-Abkommens seit 1.1.1994 im Verhältnis zu allen EWR-Mitgliedstaaten anzu-

wenden ist und die bisherige bilaterale Rechtslage ersetzt hat.

Obwohl somit das auslösende Moment für diese geänderte Rechtslage eine

innerstaatliche deutsche Rechtsänderung darstellt, möchte ich aus sozialpolitischer

Sicht betonen, daß es dem Wesen einer Versicherung entspricht, daß ein Mindest-

maß an Äquivalenz zwischen Leistungen und Beiträgen besteht. Gerade in der ge-

setzlichen Krankenversicherung mußten - wie Sie wissen - auch in Österreich erst

jüngst Sparmaßnahmen getroffen werden, um die Aufgabenerfüllung weiterhin fi-

nanziell zu gewährleisten.

Zu den einzelnen Punkten der parlamentarischen Anfrage teile ich ergänzend

folgendes mit:

Zu Frage 1:

Es ist nicht Aufgabe des im Bereich der sozialen Sicherheit bestehenden EG-

Rechts (aber auch nicht des bilateralen Rechts), die in den einzelnen Mitgliedstaaten

bestehenden Systeme der sozialen Sicherheit zu harmonisieren. Diese Systeme ha-

ben sich auf Grund historischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten in ihrer Ausge-

staltung durchaus unterschiedlich entwickelt. Ein unterschiedliches Beitrags- und

Leistungsniveau in einigen Mitgliedstaaten kann daher als systemimmanent be-

zeichnet werden. Kern der Aufgaben des EG-Rechts in diesem Bereich ist daher

nicht die Harmonisierung, sondern die Koordinierung von durchaus unterschiedli-

chen Systemen der sozialen Sicherheit im Falle von grenzüberschreitender Erwerbs-

tätigkeit. Die in der Anfrage erwähnten „minderen Leistungen der österreichischen

Gebietskrankenkassen“ sind aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar‘ zumal die öster-

reichische Krankenversicherung zweifellos auch im internationalen Vergleich als ein

hochstehendes System mit der deutschen Krankenversicherung vergleichbaren Lei-

stungen anzusehen ist. Weiters muß berücksichtigt werden, daß vom Prinzip der

Sachleistungsgewährung durch den aushelfenden Krankenversicherungsträger nach

seinen „eigenen“ Rechtsvorschriften auch aus praktischen Überlegungen nicht ab-

gegangen werden kann, weil ansonsten die Leistungserbringung durch Ärzte, Kran-

kenanstalten uä. nach dem „Leistungskatalog“ des jeweiligen ausländischen Rechts

erfolgen müßte, was aus Verwaltungstechnischen Gründen (genaue Kenntnis des

jeweiligen ausländischen Rechts), aber insbesondere auch aus rechtlichen Gründen

nicht durchführbar wäre. Sowohl das bilaterale als auch das EG-Recht müssen da-

her auch aus diesen Gründen an dem geltenden bewährten Prinzip festhalten.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat mitge-

teilt, daß derzeit auf 5.679 Bezieher einer deutschen Alleinrente mit Wohnort in

Österreich die Verordnung (EWG) Nr.1408/71 anzuwenden ist. Eine Aufschlüsse-

lung der Leistungsbezieher nach der Staatsangehörigkeit erfolgt nicht, weil sie für

Zwecke der Sozialversicherung rechtlich nicht relevant ist.

Zu Frage 3:

An die Stelle einer kostenlosen Krankenversicherung ist für die Betroffenen

eine Beitragsbeteiligung wie für alle anderen aus der deutschen Krankenversiche-

rung der Rentner anspruchsberechtigten Personen getreten.

Der den Pensionsbeziehern belastende Beitrag beträgt 50 % des jeweiligen

Beitragssatzes zur Krankenversicherung (durchschnittlich 13,3 %), wobei die ande-

ren 50 % durch einen Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers gedeckt

sind.

Zu Frage 4:

Diesbezüglich verweise ich auf meine einleitenden Erläuterungen. Darüber

hinaus muß berücksichtigt werden, daß auch nach dem innerstaatlichen österreichi-

schen Sozialversicherungsrecht Bezieher einer Ausgleichszulage einen entspre-

chenden Krankenversicherungsbeitrag zu leisten haben.

Zu den Fragen 5 und 6:

Bei den Regelungen handelt es sich um einen jahrzehntelangen Rechtsbe-

sitzstand der EG. Änderungen, die im übrigen der Einstimmigkeit aller Mitgliedstaa-

ten bedürfen, sind nicht zu erwarten und aus sozialpolitischer Sicht auch nicht anzu-

streben. Für ehemalige Grenzgänger befürwortet Österreich aber auf EG-Ebene in-

soweit eine Besserstellung, als eine Leistungsinanspruchnahme sowohl im Wohn-

ortstaat als auch im früheren Beschäftigungsstaat ermöglicht werden soll. Gegen

diese bereits von der Kommission inituerte Änderung haben sich aber bisher einige

Mitgliedstaaten ausgesprochen.