3285/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Heidrun Silhavy, Mag. Walter Guggenberger und
Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Ausschließung
von Blinden als Trauzeugen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
„1. Sind Sie der Meinung, daß die oben (in der Anfragebegründung) erwähnten
Bestimmungen, welche blinde Personen als Trauzeugen ausschließen, sach-
lich gerechtfertigt sind?
2. Wenn ja, warum?
Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diese Diskriminierung
zu beenden?
3. Werden Sie weitere in Ihren Aufgabenbereich fallenden legistischen Ma-
terialien auf diskriminierende Bestimmungen überprüfen und diese beseiti-
gen?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die Form der Trauung ist im § 47 des aus dem Jahr 1983 stammenden Personen-
standsgesetzes geregelt. Demnach hat der Standesbeamte die Verlobten in Gegen-
wart von zwei Zeugen einzeln und nacheinander zu fragen, ob sie die Ehe miteinan-
der eingehen wollen, und nach Bejahung der
Frage auszusprechen, daß sie recht-
mäßig verbundene Eheleute sind. Nach § 24 Personenstandsgesetz hat der Stan-
desbeamte die Eheschließung nach der Zeremonie in Anwesenheit der Eheschlie-
ßenden und der Zeugen im Ehebuch zu beurkunden. Die Eintragung ist von den
Ehegatten, den Zeugen, einem allenfalls zugezogenen Dolmetscher und dem Stan-
desbeamten zu unterschreiben.
Der Gesamtvorgang der Eheschließung besteht somit zum Teil aus Abläufen, die
optisch und akustisch wahrzunehmen sind, zum Teil aber auch aus nur optisch
wahrnehmbaren Sequenzen. Der § 28 Abs. 2 der auf Grund des Personenstandsge-
setzes erlassenen Personenstandsverordnung bestimmt, daß die Trauzeugen min-
destens 18 Jahre alt sein müssen, die Sprache, in der die Trauung stattfindet, ver-
stehen müssen und nicht nach ihrer Körper- oder Geistesbeschaffenheit unvermö-
gend sein dürfen, ein Zeugnis abzulegen. Im Schrifttum (Zeyringer;
Personenstandsrecht2 Anm 4 zu § 28 PStV; Kurnik, ÖStA 1995, 61) wird die Auffas-
sung vertreten, daß § 28 der Personenstandsverordnung Blinde als Trauzeugen
ausschließe. Dieser Auslegung wird man jedenfalls im Hinblick auf die nur optisch
wahrnehmbaren Teilvorgänge der Eheschließung grundsätzlich zustimmen können.
Als diskriminierend gegenüber blinden Menschen ist diese Bestimmung aber des-
halb nicht anzusehen. Abgesehen davon, daß darin blinde Menschen gar nicht aus-
drücklich erwähnt werden, erscheint das Abstellen auf die körperlichen (und geisti-
gen) Fähigkeiten, ein Zeugnis abzulegen, bei der Umschreibung der Voraussetzun-
gen für die Zeugenschaft durchaus sachgerecht.
Zu 3:
Das zu den Fragen 1 und 2 Ausgeführte gilt auch für diejenigen Bestimmungen des
Zivilrechts, des Zivilverfahrensrechts und des Strafverfahrensrechts, die in einer
dem § 28 Abs. 2 Personenstandsverordnung vergleichbaren Weise für eine Zeugen-
schaft bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Wahrnehmungsfähigkeit festle-
gen (5. § 591 ABGB, § 320 Z 1 ZPO, § 151 Z 3 StPO, § 57 Abs. 3 lit. a NotO). So-
weit sonst in Bestimmungen des ABGB, des Notariatsaktsgesetzes und der
Notariatsordnung, insbesondere bei der Errichtung eines letzten Willens, bei der
Aufnahme von Notariatsakten oder bei Beglaubigungen, auf blinde Menschen Be-
zug genommen wird, handelt es sich durchwegs um Regelungen zum Schutz der
Betreffenden vor Benachteiligungen. Eine
Beseitigung dieser Bestimmungen wäre
nicht im Interesse blinder Menschen.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß das Bundesministerium für Justiz aus Anlaß
der Aufnahme eines Verbots der Diskriminierung behinderter Menschen in die Bun-
desverfassung die zu seinem Wirkungsbereich gehörenden Rechtsvorschriften und
deren Anwendung unter Beteiligung der Vertreter von Behindertenorganisationen
auf ihre Eignung, Behinderte zu diskriminieren, überprüfen wird.