329/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Brigitte Tegischer und Genossen haben am
13.3.1996 an mich eine schriftliche Anfrage mit der Nr. 279/J betreffend
,,Verkehrsprotokoll der AIpenkonvention" gerichtet. Auf die - aus Gründen der besse-
ren Übersichtlichkeit - in Kopie beigeschlossene Anfrage beehre ich mich, folgendes
mitzuteilen:
ad 1
Zunächst möchte ich klarsteIlen, daß die Verhandlungen nicht gescheitert sind, son-
dern ledigIich noch nicht abgeschlossen wurden und, nicht zuletzt auf Betreiben
Österreichs, fortgesetzt werden.
Ich habe bereits anläßlich der letzten Ministerkonferenz vom 27. Februar 1996 in
Brdo eine außerordentliche Ministerrunde, die sich ausschließlich mit den noch offe-
nen Fragen zum Verkehrsprotokoll befassen wird, in Aussicht gestelIt.
ad 2
Das Verhandlungsmandat stand stets im Einklang mit der entsprechenden Position
des Nationalen Komitees, in dem neben den betroffenen Bundesministerien und den
österreichischen Bundesländern samt Verbindungsstelle auch nationale Nichtregie-
rungsorganisationen und die Sozialpartner vertreten sind. Basierend auf dieser brei-
ten Diskussionsplattform war es Österreich und meinem Ressort als dem federfüh-
renden Ministerium von Anfang an möglich, eine harmonisierte und einheitliche
österreichische Position präsentieren zu können, womit sich Österreich aIs seriöser
Vertragspartner im Rahmen der Alpenkonvention etablieren konnte.
ad 3
Da die Alpenkonvention ein multilateraler Vertrag ist, dessen Umsetzung neben
Österreich acht weitere Vertragspartner mitgestalten, wird die Frage der weiteren
Aktivitäten zur lmplementierung der Alpenkonvention nur im Kreis aller Vertragspar-
teien und Signatare der Alpenkonvention diskutiert und beschlossen werden können.
Gerade Österreichs konsequente Haltung zur Frage des Alpentransits hat nicht nur
zu der gegenwärtig geführten breiten Diskussion, sondern auch zu einem schrittwei-
sen Umdenken bei einzelnen Vertragsparteien, wie z.B. Frankreich, geführt.
ad 4
Im Zuge der letzten unter österreichischem Vorsitz abgehaltenen Gesprächsrunde
zum Art. 7 des Verkehrsprotokolls vom 12./13. Februar 1996 in Wien hat sich
gegenständliche Formulierung in den Verhandlungen entwickelt.
Da bekanntlich das Ergebnis dieser VerhandIungsrunde zum Art. 7 anläßlich der
darauffolgenden Ministerkonferenz in Brdo, am 27. Februar, nicht die Zustimmung
aller Vertragspartner finden konnte, ist nun auch die Diskussion zu diesem auch in
Österreich nicht unumstrittenen Abs. 2 wieder offen.
Die Formulierung ,,rechtlich-verbindliche Dokumente" wurde gewählt, um der Ver-
schiedenartigkeit der Rechtsordnungen der einzelnen Vertragspartner Rechnung zu
tragen.
ad 5
lch möchte klarstellen, daß es gegenwärtig keine rechtliche Möglichkeit - sei es
national oder völkerrechtlich - gibt, um die von lhnen angesprochenen Einzelprojekte
in den Nachbarstaaten zu verhindern. Das Verkehrsprotokoll soll für die Alpen-
staaten Kriterien entwickeln, unter welchen derartige Straßenbauvorhaben generell
noch möglich sein dürfen. Die Durchsetzung des österreichischen Anliegens, Eini-
gung über möglichst restriktive Kriterien zu erzielen, gestaltet sich nicht zuletzt des-
halb so schwierig, weil es eine echte Weiterbildung der derzeitigen Rechtssituation
darstellen würde.
Hinsichtlich der Cavallino-Tunnel-Variante unterstütze ich die Haltung, wie sie in der
Resolution der Bürgermeister der betroffenen Gemeinden vom 29. März 1996 zum
Ausdruck kam.
ad 6
Nachdem Österreich bereits zwei Jahre Iang die Forderung, keine neuen hochran-
gigen Straßenverkehrsachsen zur Überwindung des Alpenbogens mehr zu bauen,
vehement in den Verhandlungen vertreten hat, hat sich auch die ARGE ALP in ihrem
BeschIuß vom 29./30. Juni 1995 in Mantua mit der österreichischen Haltung solidari-
siert. lch hoffe, daß die ARGE ALP, in der u.a. auch Bayern und die Lombardei
vertreten sind, ihren Einfluß gerade in Deutschland und in ltalien dazu benützt, um
den österreichischen Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen.
ad 7
Dieser Schwerpunkt wird im Art. 5, Abs. 4 des Entwurfs des Verkehrsprotokolls
behandelt. Gegenwärtig konzentrieren sich die Arbeiten auf den zentralen Artikel 7,
den Artikel mit der größten politischen Aussagekraft. Nach Lösung dieser für Öster-
reich essentieIlen Frage werden auch die restlichen Bestimmungen des Proto-
kollentwurfs Verkehr einer weiteren Überarbeitung unterzogen werden.
ad 8
lch werde auch weiterhin alIes in meinem Zuständigkeitsbereich Mögliche unterneh-
men, um die Alpentransitproblematik im Verkehrsprotokoll einer Lösung zuzufüh-
ren, die den Vorgaben der Alpenkonvention und der Berchtesgadener ResoIution
entspricht. Die Chancen für eine völkerrechtlich bindende Regelung für ein Bauver-
bot von neuen, hochrangigen, grenzüberschreitenden, alpenquerenden
Straßenprojekten sehe ich nach wie vor; ob Österreich sich jedoch - angesichts des
vehementen Widerstandes bzw. der Passivität betroffener Länder - durchsetzen
kann, ist vöIlig offen.
ad 9
Mit der Umsetzung der Alpenkonvention als Schutzinstrument für den Alpenbogen
wurde bereits 1989 begonnen, indem einzelne Arbeitsgruppen mit der Ausarbeitung
von Protokollen beauftragt wurden. Weiters wird gegenwärtig im Rahmen der
Arbeitsgruppe ,,Observatorium" ein alpenweites und dezentral organisiertes lnforma-
tions- und Beobachtungssystem eingerichtet und anhand einzelner Pilotprojekte und
auch im Rahmen der lmplementierung bereits finalisierter Protokolle, erprobt.
Österreich hat sich seit Anbeginn der Arbeiten - nicht zuletzt als Vorsitzland verant-
wortlich für die Ausarbeitung der Alpenkonvention - in zahlreichen lnitiativen als Vor-
reiter für den Alpenschutz etabliert.