3331/AB XX.GP
Beantwortung
der Anfrage der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde
betreffend die in Österreich noch weitgehend unbekannte
Krankheit MCS (Multiple Chemical Sensitivities),
(Nr.3377/1)
Zur beiliegenden Anfrage führe ich folgendes aus:
Einleitend ist zunächst festzustellen, daß es sich bei dem Begriff MCS‘ nach derzeitiger medi -
zinischer Erkenntnis uni keine Krankheit im eigentlichen Sinn handelt, sondern um eine (von
manchen Seiten als „Verlegenheitsdiagnose“ bezeichnete) Umschreibung für subjektiv geäußerte,
an verschiedenste Erkrankungen erinnernde Beschwerden, ohne daß laborchemische oder körper -
liche Anzeichen für die entsprechende Erkrankung gefunden werden können. Häufig werden
seitens des Betroffenen Umwelteinwirkungen (chemische Stoffe, aber auch Strahlen, Magnet -
felder etc) als Ursachen angegeben, ohne daß im Einzelfall überhaupt eine Belastung oder in
krankheitsrelevanten Konzentrationen nachzuweisen ist. So hat etwa eine an der Universitäts -
klinik Erlangen durchgeführte Untersuchung ergeben, daß nur in sehr wenigen Fällen eine tat -
sächliche Belastung mit chemischen Stoffen (und da auch nur in Konzentrationsbereichen, die
nicht als beschwerdeauslösend qualifiziert werden können) vorliegt, sich aber unter den Patienten,
die über angeblich „umweltbedingte“ Beschwerden klagten, ein außerordentlich hoher Anteil mit
psychischen Störungen - vor allem Somatisierungs - störungen - befindet. Diese Störungen
äußern sich durch vielfältige, unspezifische körperliche Symptome. Erklärt wird dies damit, daß
im Rahmen der Abwehr von schmerzhaften psychischen Affekten ein Ausweichen auf eine
körperliche Ebene erfolgt und innere Konflikte so externalisiert und auf eine vermeintliche äußere
Gefahrenquelle (wie z. B. chemische Stoffe)
zurückgeführt werden.
Der Leidensweg dieser Patienten liegt nicht - wie in der parlamentarischen Anfrage behauptet
wird - darin, daß der Bezug zu irgendwelchen Chemikalien nicht erkannt wird (welcher auch
tatsächlich oft nicht gegeben ist), sondern darin, daß die psychosomatische Komponente nicht
berücksichtigt wird. Die Patienten kaufen möglicherweises neue Möbel oder gar eine neue
Wohnung, die Beschwerden selbst bessern sich dadurch - wenn überhaupt - nur vorübergehend,
da die eigentliche Ursache bestehen bleibt.
Zu Frage 1:
Nachdem es für MCS keine Meldepflicht gibt, sind auch keine diesbezüglichen Zahlen verfügbar.
Zu Frage 2:
Ärzte sind verpflichtet, sich fort - bzw. weiterzubilden. Dafür sind entsprechende Strukturen, z.B.
im Rahmen der Ärztekammer und den Universitäten, vorhanden.
Da es sich - wie bereits ausgeführt - bei MCS weder um eine bestimmte Krankheit noch um ein
konkretes Beschwerdebild handelt, hilft den Betroffenen nur die eingehende individuelle ärztliche
Abklärung der Krankheitssymptome. Aufklärungs - oder Vorsorgemaßnahmen wie bei be-
stimmten Krebsarten sind in diesem Fall nicht angezeigt.
Zu Frage 3:
Der Vergleich mit Allergien ist unzutreffend. Bei einer Allergie besteht ein nachweisbarer Zu -
sammenhang zwischen den Beschwerden und der Einwirkung des Allergens. Die therapeutischen
Empfehlungen sind somit nachvollziehbar. Bei MCS besteht kein nachweisbarer Zusammenhang
zwischen den Beschwerden und der Einwirkung eines bestimmten Stoffes, daher sind in Richtung
der in der Anfrage angesprochene therapeutische Maßnahmen nicht begründbar.
Im Falle einer psychischen Ursache der Beschwerden wären ein Wohnungsumbau oder der
Konsum spezieller Lebensmittel bestenfalls ein Placebo ohne eine darüber hinausgehende Aus -
sicht auf Besserung der Symptomatik.
Zu Frage 4:
Das Pflegegeld gebührt bei Zutreffen der Anspruchsvoraussetzungen, wenn aufgrund einer
körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der
Betreuungs - und Hilfsbedarf von zumindest mehr als 50 Stunden monatlich voraussichtlich
sechs Monate andauern wird. Für den Anspruch auf Pflegegeld ist nicht die Art der Erkrankung,
sondern der im konkreten Fall erforderliche Pflegebedarf maßgebend. Eine Gesetzesänderung ist
daher nicht erforderlich.