3336/AB XX.GP

 

B e a n t w o r t u n g

der Anfrage der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

betreffend Grünbuch der Kommission

„Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt“ (Nr. 3448/J)

Zur beiliegenden Anfrage weise ich einleitend darauf hin, daß der Inhalt des

Grünbuches nur teilweise in das Aufgabengebiet des Bundesministeriums für

Arbeit, Gesundheit und Soziales fällt, da es sich überwiegend mit der Fi -

nanzierung von betrieblichen Pensionssystemen und der privaten Altersversor -

gung und deren Auswirkungen auf die Kapitalmärkte befaßt. Weiters werden

steuerliche Aspekte behandelt. Dies alles fällt in die Zuständigkeit des Bun -

desministeriums für Finanzen, das auch als federführendes Ressort eine Stel -

lungnahme zum Grünbuch an die Kommission abgegeben hat. Die nachfolgen -

den Ausführungen beziehen sich daher primär auf jene Fragen, die im Zusam -

menhang mit der gesetzlichen Pensionsversicherung stehen und die sich auf die

Mobilität der Arbeitnehmer beziehen.

Frage 1:

Wie wird der Inhalt des Grünbuches und die darin aufgeworfenen Problemberei-

che von österreichischer Seite beurteilt?

Antwort:

Das Grünbuch der Kommission verweist in seiner Einleitung auf die in den

nächsten Jahrzehnten in allen Ländern der EU in ähnlicher Form zu erwar -

tenden demographischen Veränderungen und die damit einhergehenden Her -

ausforderungen an die Systeme der Alterssicherung.

Gerade vor diesem zu erwartenden demographischen Hintergrund wie auch an -

gesichts der anhaltenden Diskussion über die Vor- und Nachteile umlagefinan -

zierter oder kapitalgedeckter Altersvorsorgesysteme wurde bereits 1995 bei Prof

Rürup (Technische Universität Darmstadt) das Gutachten „Perspektiven der

Pensionsversicherung in Österreich“ in Auftrag gegeben.

Im Juni 1997 wurde dieses Gutachten fertiggestellt und anschließend im Rah -

men einer Enquete einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt: Das Gutachten be -

leuchtet die längerfristigen Perspektiven des österreichischen Pensionssystems

insbesondere unter den Aspekten der langfristigen Finanzierbarkeit, des Ver -

trauensschutzes, der Verteilungsgerechtigkeit und der gesellschaftlichen Akzep -

tanz.

Durch die nachfolgende intensive Reformdiskussion, die schließlich in das kürz -

lich verabschiedete Reformpaket mündete (ASRÄG 1997), wurde ein wichtiger

Aspekt des Gutachtens, nämlich die Behandlung der Frage, ob kapitalgedeckte

Systeme den Anforderungen der Zukunft besser gewachsen sind, ein wenig in

den Hintergrund gedrängt;

Nach einer breiten wissenschaftlichen Beurteilung wird in dem erwähnten Gut -

achten der Umstieg auf kapitalgedeckte Systeme als keine Lösung der Finanzie -

rungsfrage der Altersvorsorgesysteme betrachtet, u.a. deshalb, weil auch kapi -

talgedeckte Systeme nicht demographieresistent und unbeeinflußt von den

Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind.

Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung scheint auch das Grünbuch der Kommission

zu gelangen, wenn angeführt wird, daß „allgemeine Maßnahmen in Verbindung

mit Zusatzrentensystemen... keine Universallösung für die Probleme des demo -

graphischen Wandels sind“. Kein System der Altersvorsorge kann mittel - und

langfristig losgelöst von den zukünftigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen

und demographischen Rahmenbedingungen betrachtet werden.

In einer sozialen Marktwirtschaft bedarf es gerade deshalb der obligatorischen

Teilnahme aller Erwerbstätigen - ohne Rücksichtnahme auf die individuelle Ri -

sikosituation - an einem breit angelegten System der gesetzlichen Altersvorsor -

ge. An einem System, welches jederzeit in der Lage sein muß, für breite Bevölke -

rungsschichten - unter Bedachtnahme auf ihre Leistungsfähigkeit - eine am Le -

bensstandard orientierte sichere Versorgung im Alter zu gewährleisten.

Diese Funktion eines Regelsicherungssystems übernimmt in Österreich die um -

lagefinanzierte, obligatorische und erwerbszentrierte gesetzliche Pensionsversi -

cherung, die größtmögliche Flexibilität bei der Anpassung an wechselnde Ver -

hältnisse bietet, gleichzeitig aber sozialen Erfordernissen auf breiter Basis

Rechnung trägt.

Beides, die große Flexibilität wie auch die Möglichkeit, sozialen Gesichtspunk -

ten auf breiter Basis Rechnung zu tragen, wird durch die jüngste Reform, dem

bereits erwähnten Sozialrechts - Änderungsgesetzes 1997, deutlich belegt.

Daher muß der umlagefinanzierten gesetzlichen Pensionsversicherung auch in

Zukunft das mit Abstand größte Gewicht zukommen.

Darüberhinaus stehen ergänzende Angebote der kapitalgedeckten zweiten Säule

(betriebliche Altersvorsorge) und dritten Säule (private Vorsorge) zur Verfü -

gung.

Zur Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer hat die Kommission ei -

nen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der darauf abzielt, die bereits erworbenen

Ansprüche aus einem ergänzenden Altersversorungssystem aufrecht zu erhal -

ten, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz ins Ausland verlegt.

Der Richtlinienvorschlag beruht auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung: Ein

Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz ins Ausland verlegt, soll seine Ansprüche

aus dem ergänzenden System dann nicht verlieren, wenn er sie bei einem Ar -

beitsplatzwechsel im Inland nicht verloren hätte Die österreichische Rechtslage

entpricht den Grundzügen dieses Vorschlages.

Eine gemeinschaftliche Maßnahme sollte sich auf diese Gleichbehandlungs -

pflicht beschränken. Die Schaffung materieller Ansprüche, wie z.B. die Begren -

zung von Wartefristen würde dem freiwilligen Charakter der betrieblichen Zu -

satzsysteme entgegenstehen und voraussichtlich zu ihrer Reduzierung führen.

Damit wäre genau das Gegenteil des angestrebten Zieles erreicht. Allerdings

sind noch Fragen der Besteuerung von Beiträgen und Leistung zu Mären

(Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen).

Bevor über zusätzlichen Handlungsbedarf über den geplanten Richtlinienvor -

schlag hinausgehend diskutiert wird, erscheint es sinnvoller, zunächst die Dis -

kussion zu diesem Vorschlag weiterzuführen und nach seiner eventuellen Ver -

abschiedung durch den Rat seine Auswirkungen in der Praxis zu beobachten. Da

die Regelungen der betrieblichen Altersversorgung in den Mitgliedstaaten sehr

unterschiedlich gestaltet sind, sollten erst anhand von Erfahrungen weitere

Schritte angedacht werden.

Frage 2:

Hat Österreich eine Stellungnahme zu diesem Grünbuch abgegeben?

Wenn ja, wie lautet der Inhalt?

Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Die österreichische Regierungsstellungnahme zum Grünbuch wurde der Kom-

mission vom Bundesministerium für Finanzen als federführendem Ressort mit

Schreiben vom 13. Jänner 1998, GZ 23 3700/65-V/14/97, übermittelt (Anlage).

Die Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer haben ihre

Stellungnahmen jeweils gesondert übermittelt.

Frage3:

Die im Grünbuch angeführten Statistiken und Tabellen enthalten in den mei-

sten Fällen keine österreichischen Vergleichsdaten. Wie lauten die jeweiligen

Daten für Österreich?

Antwort:

Der dem Grünbuch angeschlossene Tabellenteil basiert größtenteils auf Zahlen -

material aus den Jahren 1993 - 1995. Anläßlich einer von der Kommission or -

ganisierten informellen Sitzung zum Grünbuch in Brüssel am 6. November 1997

wurde von mehreren Mitgliedstaaten die Unvollständigkeit bzw. Mangelhaftig -

keit der Tabellen kritisiert. Die Kommission hat daher die Mitgliedstaaten um

Übermittlung der aktuellen Daten für das Jahr 1996 zusammen mit der natio -

nalen Stellungnahme ersucht.

Von der Kommission wird auf Basis dieser Informationen eine überarbeitete

Version des Grünbuches in der Ersten Hälfte des Jahres 1998 erstellt werden.

Die für Österreich verfügbaren Daten zur 2. und 3. Säule der Altersversorgung

sind der Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen angeschlossen.

Eine Vervollständigung der im Grünbuch enthaltenen Tabellen wurde vom

Bundesministerium für Finanzen aus Gründen mangelnder Aktualität sowie

aufgrund der auch von der Kommission zugestandenen Unvollständigkeit nicht

durchgeführt.

Frage 4:

Werden aus diesem Grünbuch politische Konsequenzen in die zukünftige öster-

reichische Gesetzgebung einfließen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Politische Konsequenzen für die zukünftige Gesetzgebung bestehen derzeit

nicht. Es ist jedenfalls die überarbeitete Fassung des Grünbuches sowie die

nachfolgende Diskussion abzuwarten. Wie in der Stellungnahme des Bundes -

ministeriums für Finanzen zum Grünbuch betont wurde, wird die 3. Stufe der

WWU wesentliche Veränderungen für Pensionskassen und Lebensversicherun -

gen bringen, deren Auswirkungen vorerst beobachtet und analysiert werden

sollten.

Hinsichtlich des Arbeitsrechts wird die Verabschiedung des derzeit diskutierten

Richtlinienvorschlages zur Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer

abzuwarten sein. Wird dieser Richtlinienvorschlag vom Rat angenommen, ist

Österreich zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Soweit derzeit absehbar

ist, würde arbeitsrechtlich nur ein geringer Anpassungsbedarf bestehen.

Frage 5:

Wie stehen Sie grundsätzlich zur weiteren Ausgestaltung einer zweiten und

dritten Säule der Pensionsversicherung in Österreich?

Antwort:

Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt wurde, muß der umlagefinanzierten gesetzli-

chen Pensionsversicherung auch in Zukunft das mit Abstand größte Gewicht

zukommen. Darüberhinaus spricht nichts dagegen, wenn zusätzliche Angebote

der kapitalgedeckten zweiten Säule (betriebliche Altersvorsorge) und der dritten

Säule (private Vorsorge) in Anspruch genommen werden.

Dies wird insbesondere dort sinnvoll sein, wo die gesetzliche Pensionsversiche-

rung eine den Lebensstandard sichernde Altersversorgung, wie etwa bei Ein -

kommen über der Höchstbeitragsgrundlage, nicht voll erfüllen kann. Zur Abdek -

kung derartiger Versorgungslücken sind betriebliche und private Vorsorgeele -

mente durchaus geeignete Instrumente, da sie in besonderem Maße auf persön -

lichen und familiären Bedarf abgestimmt werden können.

Die Neugestaltung der steuerlichen Förderung der zusätzlichen bzw. freiwilligen

Altersvorsorge ist auch ein wesentliches Ziel der Steuerreformkommission. Nach

Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen sollten aber weitere Maßnahmen

erst nach Vorliegen der Empfehlungen der Steuerreformkommission diskutiert

werden.