3352/AB XX.GP

 

Die Abgeordnete Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner, haben am 11. Dezember

1997 unter Nr. 3428/J-NR/1997 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den

folgenden Wortlaut hat:

„1. Für welche Posten in Exekutiv- und Verwaltungsorganen sowie der Gerichtsbarkeit der

Europäischen Union hat die Bundesregierung ein Vorschlags— bzw. Ernennungsrecht?

2. Welche Personen wurden wann für diese Posten vorgeschlagen?

3. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen ausschlaggebend?

4. Wurde für diese Posten eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt? Wenn nein,

warum nicht?

5. Wurde für diese Posten ein Hearing durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?

6. Wann wird wieder eine Entscheidung über Posten in EU-Organen anstehen?

7. Wird es zu diesem Zeitpunkt eine öffentliche Ausschreibung und/oder ein Hearing für

diese Positionen geben? Wenn nein, warum nicht?

8. Stimmt die Meldung im oben zitierten Artikel des KURIER, daß der österreichische

Kandidat nur deshalb nicht den prestigeträchtigen Job als Leiter der Task Force

,,Osterweiterung" erhielt, weil sich Österreich aus Gründen der parteipolitischen Balance

zu wenig dafür stark gemacht hat? Wenn nein, wie begründen Sie dies?

9. Für welche Posten im Verwaltungsbereich der Vereinten Nationen hat die

Bundesregierung ein Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht?

10. Welche Personen wurden wann für diese Posten vorgeschlagen?

11. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen ausschlaggebend?

12. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung

durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?

13. Für welche Posten im Rahmen der Verwaltung der Welthandelsorganisation sowie der

internationalen Finanzorganisationen (Weltbankgruppe, IWF...) hat die

Bundesregierung ein Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht?

14. Welche Personen wurden wann für diese Positionen vorgeschlagen?

15. Welche Qualifikationen waren für diese Positionen ausschlaggebend?

16. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung

durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?

17. Für welche Posten im Rahmen der Verwaltung sonstiger internationaler

Organisationen hat die Bundesregierung ein Vorschlags- oder Ernennungsrecht?

18. Welche Personen wurde wann für diese Posten vorgeschlagen?

19. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen ausschlaggebend?

20. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung

durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?

21. Weshalb wurde vor Erstellung des Dreiervorschlages für die Ernennung eines

österreichischen Richters am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine

öffentliche Ausschreibung und kein Hearing durchgeführt?

22. Ist Ihnen bewußt, daß das im Rahmen des Europarates durchzuführende Hearing zur

Bestellung der Richter im Regelfall eine reine Formsache ist und der vom jeweiligen

Mitgliedstaat erstgereihte Kandidat bestellt wird?

23. Halten Sie grundsätzlich die Durchführung von öffentlichen Ausschreibungen und

Hearings bei Besetzung von hohen Positionen in internationalen Organisationen für

sinnvoll? Wenn ja, was werden Sie unternehmen, daß diese in Zukunft durchgeführt

werden? Wenn nein, warum nicht?“

Ich beehre mir, diese Fragen wie folgt zu beantworten:

Zu Frage 1:

Ein eigenständiges Ernennungsrecht kommt der Bundesregierung bei keinem Posten in

Exekutiv- und Verwaltungsorganen sowie der Gerichtsbarkeit der Europäischen Union zu,

da die Ernennungen jeweils durch den Beschluß von EU-Institutionen erfolgen.

Die Mitglieder des Rates haben jedoch das Recht, im Rahmen des Rates an der

Ernennung bestimmter hochrangiger Funktionen mitzuwirken. Dabei ist es bei der

Ernennung von Mitgliedern der Kommission, des Gerichtshofes, des Gerichts erster

Instanz, des Rechnungshofes sowie des Verwaltungsrates der Europäischen

Investitionsbank üblich, daß je ein von Österreich benanntes Mitglied berücksichtigt wird.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten verfügen hingegen über keinen Rechtsanspruch auf

Mitwirkung bei der Bestellung von Beamten der EU—Institutionen. Bei einigen

Spitzenfunktionen im Beamten bereich (Al, A2) erfolgt zwar eine Kontaktnahme zwischen

der jeweiligen Europäischen Institution und den Mitgliedstaaten. Das Ernennungsrecht

kommt jedoch ausschließlich den Europäischen Institutionen zu.

Bei niederrangigeren Beamtenstellen, deren Ausschreibung im Amtsblatt der

Europäischen Gemeinschaften sowie in den meisten Fällen in verschiedenen

Tageszeitungen erfolgt, werden die Mitgliedstaaten nicht in die Auswahlverfahren

einbezogen.

Zu den Fragen 2 — 5:

Die von Österreich vorgeschlagenen Kandidaten für die genannten Funktionen waren

jeweils durch ihre beruflichen Qualifikationen bestens ausgewiesen.

Die maßgeblichen Qualifikationen und Verfahren, die der Benennung von Dr. JANN für

die Funktion eines Richters des Europäischen Gerichtshofes sowie von Dr. AZIZI für die

Funktion eines Richters des Gerichts erster Instanz zugrundelagen, waren bereits in der

XIX. GP Gegenstand der dringlichen Anfrage Nr. 252/J bzw. der parlamentarischen

Anfrage 253/J. Ich verweise deshalb auf die diesbezüglichen Antworten.

Die Benennungen von Dr. WEBER für die Funktion eines Mitglieds des Europäischen

Rechnungshofes, von Mag. WIESER für die Funktion eines ordentlichen Mitglieds des

Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank sowie von Mag. LUST für die

Funktion des stellvertretenden Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen

Investitionsbank erfolgten bereits nach Inkrafttreten des Beitritts-Begleit—BVG. Sie wurden

deshalb gemäß Art. 23 c Abs. 2 B-VG nach Herstellung des Einvernehmens mit dem

Hauptausschuß des Nationalrates vorgenommen.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß anläßlich des Beitritts zur Europäischen Union für

diese Spitzenfunktionen eine öffentliche Interessentensuche in der Wiener Zeitung

erfolgte.

Zu Frage 6:

Die genannten Positionen sind zu den folgenden Terminen neu zu besetzen:

• Die Europäischen Kommission ist gemäß Artikel 158 EG—V für eine Amtszeit von fünf

Jahren ernannt. Ihr Mandat läuft Ende 1999 aus.

• Das Mandat von Dr. JANN als Richter des Gerichtshofes endet am 6. Oktober 2000.

• Das Mandat von Dr. AZIZI als Richter des Gerichts erster Instanz endet am 31. August

1998.

• Das Mandat von Dr. WEBER als Mitglied des Europäischen Rechnungshofes endet am

31. Dezember 2001.

• Das Mandat von Mag. WIESER als Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen

Investitionsbank endet im Juni 1998.

• Das Mandat von Mag. LUST als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der

Europäischen Investitionsbank ist Ende 1997 ausgelaufen.

Zu Frage 7:

Für die genannten Funktionen hat der Gesetzgeber nicht die öffentliche Kandidatensuche

seitens der Bundesregierung, sondern die parlamentarische Mitwirkung als

zweckentsprechende Form der Legitimierung der österreichischen Vorschläge

vorgesehen.

So hat die Bundesregierung gemäß Art. 23 c Abs. 2 B-VG bei ihrer Mitwirkung an der

Ernennung von Mitgliedern der Kommission, des Gerichtshofes, des Gerichtes erster

Instanz, des Rechnungshofes und des Verwaltungsrates der Europäischen

Investitionsbank das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates

herzustellen.

Zu Frage 8:

Nein, diese Meldung ist nicht zutreffend. Zum Zeitpunkt des zitierten Artikels standen

weder die Strukturen der Task Force fest, noch waren die diesbezüglichen personellen

Entscheidungen der Kommission getroffen.

Zu den Fragen 9 — 12:

Die Postenvergabe im Bereich der Vereinten Nationen (VN) erfolgt entweder im Wege

einer Ernennung durch den Generalsekretär der VN im Einklang mit den von der

Generalversammlung erlassenen Regelungen (Art. 101 Abs. 1 der Satzung der VN>, oder,

wie im Falle einiger VN—Sonderorganisationen, mittels Wahl durch die Mitglieder der

entsprechenden Leitungsgremien. Höhere Funktionen werden in der Regel von den VN

öffentlich ausgeschrieben.

Für die Einstellung der Bediensteten gelten zwei Erfordernisse: Eignung und

geographische Herkunft, wobei ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit, fachlicher Eignung

und Ehrenhaftigkeit verlangt wird (Art. 101 Abs. 3 VN—Satzung>. Die Gleichberechtigung

von Mann und Frau bei Bewerbungen wird durch Art. 8 VN-Satzung garantiert.

Ein Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht von seiten der VN-Mitgliedstaaten für die

Besetzung von Posten besteht nicht. Eine Betrauung von Österreichern mit VN-

Leitungsfunktionen fand in letzter Zeit nicht statt.

Zu den Fragen 13 - 16:

Für den Bereich der Welthandelsorganisation verfügt die Bundesregierung weder über ein

Vorschlags— noch ein Ernennungsrecht.

Was Internationale Finanzorganisationen (Weltbankgruppe, IWF...) betrifft, so ernennt der

Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung:

Den Gouverneur und den stellvertretenden Gouverneur beim Internationalen

Währungsfonds (IWF), bei der Weltbankgruppe, bei den regionalen

Entwicklungsinstitutionen (Afrikanische Entwicklungsbank, Afrikanischer

Entwicklungsfonds, Asiatische Entwicklungsbank, Interamerikanische Entwicklungsbank,

Interamerikanische Investitionsgesellschaft, Europäische Bank für Wiederaufbau und

Entwicklung, Europäische Investitionsbank, und beim Internationalen Fonds für

landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD)).

Jeweils nach seinem Amtsantritt wird der Bundesminister für Finanzen zum Gouverneur

bei allen genannten Institutionen ernannt, mit Ausnahme des IWF (und IFAD). Beim IWF

wird der Gouverneursposten vom Präsidenten der Österreichischen Nationalbank

wahrgenommen.

Der stellvertretende Gouverneur bei allen genannten Institutionen, mit Ausnahme des IWF

(und IFAD), ist der Leiter der für die internationalen Finanzinstitutionen zuständigen

Sektion im Bundesministerium für Finanzen. Beim IWF wird diese Funktion vom für den

IWF zuständigen Mitglied des Direktoriums ausgefüllt. Beim IFAD wird der Leiter der für

die internationalen Finanzinstitutionen zuständigen Sektion im Bundesministerium für

Finanzen zum Gouverneur, ein Vertreter der Österreichischen Botschaft in Rom zum

Stellvertreter ernannt.

Es besteht eine Verknüpfung mit der Funktion, es wird kraft Amtes die jeweilige Person

ernannt. Aufgrund der Verknüpfung mit einer spezifischen Funktion in Österreich ist für

jeden dieser Posten nur eine bestimmte Person möglich.

Zu den Fragen 17 - 20:

Im Rahmen der Donaukommission Budapest haben die Regierungen der Mitgliedsstaaten

für die Funktionen des Generaldirektors, der Direktoren und der Räte ein Vorschlagsrecht.

Dieses geht nach dem Prinzip der Rotation nach Ende einer Amtsperiode (6 Jahre) derzeit

aus Geldmangel der DK bis 1998 verlängert) jeweils auf einen anderen Mitgliedstaat über.

Österreich hat dieses Recht zuletzt im Jahre 1990 ausgeübt und für die Position des

Generaldirektors Bot. Dr. Hellmuth Straßer - aufgrund seiner Qualifikationen -

vorgeschlagen.

Eine öffentliche Ausschreibung oder ein Hearing zur Erstellung des Vorschlags für den

Posten des Generaldirektors der Donaukommission wurden unterlassen, weil hiefür eine

gesetzliche Grundlage fehlt.

Im Bereich des Europarates (ER) besitzen die Regierungen der Mitgliedstaaten lediglich

für die drei „hors cadre“-Funktionäre Generalsekretär, stellvertretender Generalsekretär

und Greffier der Parlamentarischen Versammlung, die von letzterer gewählt werden, ein

Vorschlagsrecht

Für diese Funktionen im Rahmen des Europarates wurden von Österreich in der

Vergangenheit vorgeschlagen: Generalsekretär Dr. Lujo Toncic-Sorinj (1969),

Generalsekretär Dr. Franz Karasek (1979), stellvertretender Generalsekretär Dr. Peter

Leuprecht (1993).

Für die drei „hors cadre“—Funktionen können für das Amt entsprechend qualifizierte

Personen kandidieren, müssen jedoch von einer Regierung offiziell vorgeschlagen

werden. So wurde der im Vorjahr neu gewählte stellvertretende Generalsekretär, Dr. H.-C.

Krüger, von „seiner“ (deutschen) Regierung als Kandidat vorgeschlagen und seine

Kandidatur von der britischen Regierung offiziell unterstützt.

Die Geschichte des ER zeigt, daß zum Generalsekretär bisher nur Kandidaten, die

Mitglied der Parlamentarischen Versammlung, und zum stellvertretenden Generalsekretär

solche, die hohe Funktionäre des ER waren, gewählt wurden. Dr. Lujo Toncic-Sorinj und

Dr. Franz Karasek waren vom Nationalrat bestellte Mitglieder der Beratenden

(Parlamentarischen) Versammlung, während Dr. Peter Leuprecht bereits 13 Jahre

Direktor für Menschenrechte war, als er aus dieser Funktion zum stellvertretenden

Generalsekretärs gewählt wurde. Bei der Wahl des Generalsekretärs kommt dazu, daß

diese, einer gewissen Rotation folgend, Vertreter verschiedener politischer

Gruppierungen sein sollen.

Aus obigem ergibt sich, daß für diese Posten weder öffentliche Ausschreibungen noch

Hearings durchgeführt werden.

Zu den Fragen 21—23:

Eine öffentliche Ausschreibung oder ein Hearing zur Erstellung des Dreiervorschlages für

die Ernennung eines österreichischen Richters am Europäischen Gerichtshof für

Menschenrechte wurde unterlassen, weil hiefür eine gesetzliche Grundlage fehlt.

Es ist richtig, daß in der Vergangenheit im Regelfall - aber auch nur im Regelfall und nicht

ohne Ausnahme - der jeweils erstgereihte Kandidat bestellt worden ist. In diesem Sinn

war bisher ein Hearing bei der Bestellung der Richter nicht üblich. Nunmehr wurde jedoch

erstmals ein solches Hearing des Europarates durchgeführt. Dies zeigt aber, daß es

nunmehr keineswegs klar ist, daß der erstgereihte Kandidat bestellt werden muß.

Grundsätzlich sehe ich die Durchführung von öffentlichen Ausschreibungen als sinnvoll

an, doch wird dies nach der spezifischen Natur der jeweiligen Funktion unterschiedlich zu

beurteilen sein.