3361/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Aumayr, Ing. Reichhold, Dr. Salzl,
Mag. Haupt haben am 10. Dezember 1997 unter der Nr.3402/J an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Verwendung der Milch—
Hygieneverordnung zur wirtschaftlichen Ausgrenzung von Selbstvermarktern
gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
„1. Ab wann wird es in Österreichs Tourismusbetrieben beim Frühstücks-
buffet
a) keine Bauernbutter aus unpasteurisiertem Rahm,
b) keinen Bauerntopfen aus unpasteurisierter Milch,
c) keinen Weich- und Schnittkäse aus bäuerlicher Produktion auf der
Basis von Rohmilch
mehr geben dürfen?
2. Welche Ausstattungs- und Behandlungsvorschriften hat ab diesem
Zeitpunkt ein bäuerlicher Vermarkter von Milch und Milchprodukten zu
befolgen?
3. Ist Ihrem Ressort bekannt, mit welchen Anschaffungs- und Betriebskosten
diese neuen Vorschriften verbunden sind?
4. Ist Ihrem Ressort bekannt, welchen sonstigen rechtlichen Änderungen
und Verpflichtungen ein bäuerlicher Vermarkter von Milch und
Milchprodukten nach Umstellung auf Wärmebehandlung ausgesetzt ist
(z.B. hinsichtlich Gewerberecht)?
5. Ist Ihrem Ressort bekannt, welche Gründe dafür maßgeblich waren, daß
Österreich nur für drei nationale Käsesorten Ausnahmen und Erleichte-
rungen beantragte und bewilligt bekam, während Spanien 89, Deutsch-
land 53, Frankreich 36 und Italien 21 Ausnahmen erhielten?
6. Ist Ihrem Ressort bekannt, wievielen österreichischen gewerblichen und
genossenschaftlichen Milchbe- und -verarbeitungsbetrieben Hygiene-
Ausnahmen - analog zu den seit 1994 zugestandenen Ausnahmen der
EU für ca. 2.000 italienische Be- und Verarbeiter - beantragt und
zugestanden erhielten?
7. Welche Vorkehrungen werden Sie treffen, damit Österreichs Konsumen-
ten besser als bisher vor Milchprodukten aus EU-Mitgliedstaaten mit
de facto niedrigeren Hygienestandards aus Gesundheitsgründen
geschützt werden?“
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Einleitend ist festzuhalten, daß die Milchhygieneverordnung, BGBI.Nr.
897/1993, der Sicherung einwandfreier Milch und Micherzeugnisse dient;
dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn auch für den Direktvermarkter
Mindesthygienestandards festgelegt werden. Diese Mindesthygienestandards
dienen nicht nur zum Schutz der Konsumenten vor gesundheitlichen Schäden,
sondern bewahren auch den Landwirt vor den Konsequenzen, die mit dem
Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Waren verbunden sind.
Rohmilch und Produkte aus Rohmilch, die nicht im Rahmen einer nach
wissenschaftlichen Grundsätzen strukturierten Eigenkontrolle (HACCP)
hergestellt werden, stellen ein potentielles Hygienerisiko dar. Dies wird nicht
nur durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt, sondern auch durch
nationale sowie internationale Berichte über das Auftreten von Lebensmittel-
vergiftungen in der Praxis bestätigt.
In der Milchhygieneverordnung - sowie in der Novelle zur Milchhygiene-
verordnung - wird jedoch den spezifischen Verhältnissen der Direktvermark-
tung Rechnung getragen.
Zu Frage 1:
Die Abgabe von Produkten landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe in "Touris-
musbetrieben“ ist ab 1. Jänner 1998 nur zum Zwecke der Abgabe von
(erhitzten) Speisen möglich. Ausgenommen davon ist die Direktvermarktung
(z.B. "Urlaub am Bauernhof“), die Abgabe in Almwirtschaften und Vergleich-
baren Einrichtungen sowie die Abgabe von Sauerrahmbutter und Käse mit
einer Reifezeit von über 60 Tagen.
Zu Frage 2:
Mit 1. Jänner 1998 (Ende der Übergangsbestimmungen der Milchhygiene-
verordnung, BGBI.Nr 897/1993), hat der bäuerliche Vermarkter beim
Inverkehrbringen von Rohmilch und Erzeugnissen auf Milchbasis die Regelung
der §§ 8 und 10 leg.cit. zu erfüllen: Beabsichtigt der bäuerliche Vermarkter
wärmebehandelte Milch oder Erzeugnisse aus wärmebehandelter Milch
abzugeben, so kommen die entsprechenden Bedingungen für Be— und Ver-
arbeitungsbetriebe zum Tragen.
Um die spezifischen Verhältnisse am Bauernhof unter Wahrung eines
gleichbleibenden Hygieneniveaus zu berücksichtigen, wurden in der
„Verordnung zur Änderung der Milchhygieneverordnung“ Erleichterungen für
jene Landwirte vorgesehen, die eine Wärmebehandlung am Hof selbst
vornehmen:
Landwirte, die Erzeugnisse auf Milchbasis - ausgenommen nichifermentierte
Flüssigerzeugnisse - herstellen, können diese Tätigkeit - unabhängig davon,
ob eine Wärmebehandlung vorgenommen wird oder nicht - durchführen. Die
Anforderungen für diese Tätigkeit sind in § 10 definiert. Sie werden daher
mit Inkrafttreten der Novelle nicht als
"Verarbeitungsbetrieb“ eingestuft.
• Landwirte, die wärmebehandelte Milch oder nicht fermentierte Flüssiger-
Zeugnisse auf Milchbasis herstellen, werden weiterhin als „Be- oder
Verarbeitungsbetrieb“ eingestuft. Für diese Betriebe ist die Möglichkeit
vorgesehen, Ausnahmen von den Bestimmungen gemäß Anhang B Kapitel l
sowie Kapitel V d) in Anspruch zu nehmen, wenn die hygienische Unbe-
denklichkeit gewährleistet werden kann.
• Diese Novelle zur Milchhygieneverordnung bedarf des Einvernehmens des
Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft und des Bundesministers für
wirtschaftliche Angelegenheiten, das nunmehr hergestellt worden ist. Einer
raschen Kundmachung der Verordnung steht nichts mehr im Wege.
Zu Frage 3:
Derartige Kostenschätzungen sind mir nicht bekannt.
Ob die Wärmebehandlungen zu Konsequenzen in anderen Rechtsbereichen,
wie z.B. Gewerberecht, führen, ist mir nicht bekannt.
Zu Frage 5:
Gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 92/46/EWG des Rates (Milch-
hygienerichtlinie) können die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, für
Erzeugnisse auf Milchbasis traditioneller Art, deren Herstellung durch
bestimmte Anforderungen dieser Richtlinie beeinträchtigt werden kann,
Ausnahmen von den Bestimmungen des Artikels 7 Abschnitt A, Nummern 1 bis
4, zu gewähren.
Entsprechend dem Verfahren nach Artikel 31 dieser Richtlinie wurden
Beratungen zur Vorbereitung einer Entscheidung der Kommission geführt.
Veröffentlicht wurde diese Ausnahmebestimmung für Erzeugnisse auf
Milchbasis traditioneller Art als Entscheidung der Kommission vom 29. Juli
1996 mit der Nummer 96/536.
Die Kommission gelangte jedoch zu der Auffassung1 daß eine taxative Liste
von Erzeugnissen auf Milchbasis der einzelnen Mitgliedstaaten nicht ziel-
führend ist. Es wurde daher mit der Entscheidung der Kommission „97/284/EG“
die Liste im Anhang der Entscheidung gestrichen. Die Produkte, die nun dieser
Ausnahmebestimmung unterliegen, werden gemäß den Vorgaben dieser Ent-
scheidung national festgelegt.
Zu Frage 6:
Den Betrieben können im Rahmen der Zulassung durch die Lebensmittel-
aufsichtsbehörde (§ 35 Lebensmittelgesetz 1975) Ausnahmen von den
Bestimmungen der Milchhygieneverordnung, BGBI.Nr. 897/1993, gewährt
werden. Informationen darüber liegen in den Ämtern der Landesregierung auf.
Zu Frage 7:
Produkte der Direktvermarktung dürfen in Österreich sowie in anderen Mitglied-
staaten nur national in Verkehr gebracht werden. Im innergemeinschaftlichen
Handel sind nur Produkte mit einem Genußtauglichkeitskennzeichen in
Verkehr. Sowohl bei österreichischen Erzeugnissen als auch bei Erzeugnissen
anderer Mitgliedstaaten wird dieses Genußtauglichkeitskennzeichen durch die
zuständige Behörde vergeben, wenn alle hygienischen Voraussetzungen
gemäß der Milchhygienerichtlinie und den darauf basierenden Entscheidungen
gegeben sind.