3420/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Gredler Partnerinnen und Partner haben
am 11. Dezember 1997 unter der Nr. 3425/J an mich eine schriftliche parla-
mentarische Anfrage betreffend Vorschlagsrecht der Bundesregierung für
durch Österreicherinnen und Österreicher zu besetzende hohe Positionen in
internationalen Organisationen gerichtet die folgenden Wortlaut hat:
1. Für welche Posten in Exekutiv- und Verwaltungsorganen sowie der Ge-
richtsbarkeit der Europäischen Union hat die Bundesregierung ein Vor-
schlags- bzw. Ernennungsrecht?
2. Welche Personen wurden wann für diese Posten vorgeschlagen?
3. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen aus-
schlaggebend?
4. Wurde für diese Posten eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt?
Wenn nein, warum nicht?
5. Wurde für diese Posten ein Hearing durchgeführt? Wenn nein, warum
nicht?
6. Wann wird wieder eine Entscheidung über Posten in EU-Organen an-
stehen?
7. Wird es zu diesem Zeitpunkt eine öffentliche Ausschreibung und/oder ein
Hearing für diese Positionen geben? Wenn
nein, warum nicht?
8. Stimmt die Meldung im oben zitierten Artikel des KURIER, daß der öster-
reichische Kandidat nur deshalb nicht den prestigeträchtigen Job als
Leiter der Task Force "Osterweiterung" erhielt, weil sich Österreich aus
Gründen der parteipolitischen Balance zu wenig dafür stark gemacht hat?
Wenn nein, wie begründen Sie dies?
9. Für welche Posten im Verwaltungsbereich der Vereinten Nationen hat die
Bundesregierung ein Vorschlags— bzw. Ernennungsrecht?
10. Welche Personen wurden wann für diese Posten vorgeschlagen?
11. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen aus-
schlaggebend?
12. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung
durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
13. Für welche Posten im Rahmen der Verwaltung der Welthandelsorganisa-
tion sowie der internationalen Finanzorganisationen (Weltbankgruppe,
IWF...) hat die Bundesregierung ein Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht?
14. Welche Personen wurden wann für diese Positionen vorgeschlagen?
15. Welche Qualifikationen waren für diese Positionen ausschlaggebend?
16. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung
durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
17. Für welche Posten im Rahmen der Verwaltung sonstiger internationaler
Organisationen hat die Bundesregierung ein Vorschlags- oder Ernen-
nungsrecht?
18. Welche Personen wurden wann für diese Posten vorgeschlagen?
19. Welche Qualifikationen waren für die Ernennung dieser Personen aus-
schlaggebend?
20. Wurde für diese Posten ein Hearing oder eine öffentliche Ausschreibung
durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
21. Weshalb wurde vor Erstellung des Dreiervorschlages für die Ernennung
eines österreichischen Richters am Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte keine öffentliche Ausschreibung und kein Hearing durchge-
führt?
22. Ist Ihnen bewußt, daß das im Rahmen des Europarates durchzuführende
Hearing zur Bestellung der Richter im Regelfall eine reine Formsache ist
und der vom jeweiligen Mitgliedstaaten erstgereihte Kandidat bestellt
wird?
23. Halten Sie grundsätzlich die Durchführung von öffentlichen Ausschreibun-
gen und Hearings bei Besetzung von hohen Positionen in internationalen
Organisationen für sinnvoll? Wenn ja, was werden Sie unternehmen, daß
diese in Zukunft durchgeführt werden? Wenn nein, warum nicht?“
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Der Bundesregierung kommt bei keinem Posten in Exekutiv- und Verwaltungs-
organen sowie der Gerichtsbarkeit der Europäischen Union ein eigenständiges
Ernennungsrecht zu, da die Ernennungen jeweils durch den Beschluß von EU-
Institutionen erfolgen.
Die Mitglieder des Rates haben jedoch das Recht, im Rahmen des Rates an
der Ernennung bestimmter hochrangiger Funktionen mitzuwirken. Dabei ist es
bei der Ernennung von Mitgliedern der Kommission, des Gerichtshofes, des
Gerichtes erster Instanz, des Rechnungshofes sowie des Verwaltungsrates der
Europäischen Investitionsbank üblich, daß je ein von Österreich benanntes Mit-
glied berücksichtigt wird.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten verfügen hingegen über keinen
Rechtsanspruch auf Mitwirkung bei der Bestellung von Beamten der EU-
Institutionen. Bei einigen Spitzenfunktionen im Beamtenbereich (Al, A2) erfolgt
zwar eine Kontaktnahme zwischen der jeweiligen
Europäischen Institution und
den Mitgliedstaaten. Das Ernennungsrecht kommt jedoch ausschließlich den
Europäischen Institutionen zu.
Bei niederrangigeren Beamtenstellen1 deren Ausschreibung im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften sowie in den meisten Fällen in verschiedenen
Tageszeitungen erfolgt1 werden die Mitgliedstaaten nicht in die Auswahlverfah-
ren einbezogen.
Zu den Fragen 2 bis 5:
Die von Österreich vorgeschlagenen Kandidaten für die genannten Funktionen
waren jeweils durch ihre beruflichen Qualifikationen bestens ausgewiesen.
Die maßgeblichen Qualifikationen und Verfahren, die der Benennung von
Dr. JANN für die Funktion eines Richters des Europäischen Gerichtshofes so-
wie von Dr. AZIZI für die Funktion eines Richters des Gerichts erster Instanz
zugrundelagen, waren bereits in der XIX. Gesetzgebungsperiode Gegenstand
der Dringlichen Anfrage Nr. 252/J bzw. der parlamentarischen Anfrage
Nr. 253/J. Ich verweise deshalb auf die diesbezüglichen Antworten.
Die Benennungen von Dr. WEBER für die Funktion eines Mitgliedes des Euro-
päischen Rechnungshofes, von Mag. WIESER für die Funktion eines ordent-
lichen Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank sowie
von Mag. LUST für die Funktion des stellvertretenden Mitgliedes des Verwal-
tungsrates der Europäischen Investitionsbank erfolgten bereits nach Inkrafttre-
ten des Beitritts-Begleit-Bundesverfassungsgesetzes. Sie wurden deshalb ge-
mäß Art. 23c Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz nach Herstellung des Einver-
nehmens mit dem Hauptausschuß des Nationalrates vorgenommen.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß anläßlich des Beitritts zur Europäischen
Union für diese Spitzenfunktionen eine öffentliche Interessentensuche in der
Wiener Zeitung erfolgte.
Zu Frage 6:
• Die Europäische Kommission ist gemäß Artikel 158 EG-V für eine Amtszeit
von fünf Jahren ernannt. Ihr Mandat läuft Ende 1999 aus.
• Das Mandat von Dr. JANN als Richter des Gerichtshofes endet am 6. Okto-
ber 2000.
• Das Mandat von Dr. AZIZI als Richter des Gerichts erster Instanz endet am
31. August 1998.
• Das Mandat von Dr. WEBER als Mitglied des Europäischen Rechnungs-
hofes endet am 31. Dezember 2001.
• Das Mandat von Mag. WIESER als Mitglied des Verwaltungsrates der Euro-
päischen Investitionsbank endet im Juni 1998.
• Das Mandat von Mag. LUST als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungs-
rates der Europäischen Investitionsbank ist mit Ende 1997 ausgelaufen.
Zu Frage 7:
Für die genannten Funktionen hat der Gesetzgeber nicht die öffentliche Kandi-
datensuche seitens der Bundesregierung, sondern die parlamentarische
Mitwirkung als zweckentsprechende Form der Legitimierung der
österreichischen Vorschläge vorgesehen.
So hat die Bundesregierung gemäß Art. 23c Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz
bei ihrer Mitwirkung an der Ernennung von Mitgliedern der Kommission, des
Gerichtshofes, des Gerichtes erster Instanz, des Rechnungshofes, des Verwal-
tungsrates der Europäischen Investitionsbank das Einvernehmen mit dem
Hauptausschuß des Nationalrates
herzustellen.
Zu Frage 8:
Nein, diese Meldung ist nicht zutreffend. Zum Zeitpunkt des zitierten Artikels
standen weder die Strukturen der Task Force fest, noch waren die diesbezüg-
lichen personellen Entscheidungen der Kommission getroffen.
Zu den Fragen 9 bis 12:
Die Postenvergabe im Bereich der Vereinten Nationen erfolgt entweder im
Wege einer Ernennung durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen im
Einklang mit den von der Generalversammlung erlassenen Regelungen
(Art. 101 Abs. 1 der Satzung der Vereinten Nationen), oder, wie im Falle
einiger Vereinte Nationen-Sonderorganisationen, mittels Wahl durch die
Mitglieder der entsprechenden Leitungsgremien. Höhere Funktionen werden in
der Regel von den Vereinten Nationen öffentlich ausgeschrieben.
Für die Einstellung der Bediensteten gelten zwei Erfordernisse: Eignung und
geographische Herkunft, wobei ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit,
fachlicher Eignung und Ehrenhaftigkeit verlangt wird (Art. 101 Abs. 3 Vereinte
Nationen-Satzung). Die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei
Bewerbungen wird durch Art. 8 Vereinte Nationen-Satzung garantiert.
Ein Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht von seiten der Vereinte Nationen-Mit-
gliedstaaten für die Besetzung von Posten besteht nicht. Eine Betrauung von
Österreichern mit Vereinte Nationen—Leitungsfunktionen fand in letzter Zeit
nicht statt.
Zu den Fragen 13 bis 16:
Für den Bereich der Welthandelsorganisation verfügt die Bundesregierung
weder über ein Vorschlags- noch ein Ernennungsrecht.
Was Internationale Finanzorganisationen (Weltbankgruppe1 IWF...) betrifft, so
ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung:
Den Gouverneur und den stellvertretenden Gouverneur beim Internationalen
Währungsfonds (IWF), bei der Weltbankgruppe, bei den regionalen Entwick-
lungsinstitutionen - Afrikanische Entwicklungsbank, Afrikanischer Entwicklungs-
fonds, Asiatische Entwicklungsbank, Interamerikanische Entwicklungsbank,
Interamerikanische Investitionsgesellschaft, Europäische Bank für Wiederauf-
bau und Entwicklung, Europäische lnvestitionsbank1 und beim Internationalen
Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD).
Jeweils nach seinem Amtsantritt wird der Bundesminister für Finanzen zum
Gouverneur bei allen genannten Institutionen ernannt, mit Ausnahme des
Internationalen Währungsfonds (und IFAD). Beim Internationalen Währungs-
fonds wird der Gouverneursposten vom Präsidenten der Oesterreichischen
Nationalbank wahrgenommen.
Der stellvertretende Gouverneur bei allen genannten Institutionen, mit Ausnah-
me des Internationalen Währungsfonds (und IFAD)1 ist der Leiter der für die
internationalen Finanzinstitutionen zuständigen Sektion im Bundesministerium
für Finanzen. Beim Internationalen Währungsfonds wird diese Funktion vom für
den IWF zuständigen Mitglied des Direktoriums ausgefüllt. Beim IFAD wird der
Leiter der für die internationalen Finanzinstitutionen zuständigen Sektion im
Bundesministerium für Finanzen zum Gouverneur, ein Vertreter der
Österreichischen Botschaft in Rom zum
Stellvertreter ernannt.
Es besteht eine Verknüpfung mit der Funktion, es wird kraft Amtes die jeweilige
Person ernannt. Aufgrund der Verknüpfung mit einer spezifischen Funktion in
Österreich ist für jeden dieser Posten nur eine bestimmte Person möglich.
Zu den Fragen 17 bis 20:
Im Rahmen der Donaukommission Budapest haben die Regierungen der Mit-
gliedstaaten für die Funktionen des Generaldirektors, der Direktoren und der
Räte ein Vorschlagsrecht. Dieses geht nach dem Prinzip der Rotation nach
Ende einer Amtsperiode jeweils auf einen anderen Mitgliedstaat über.
Österreich hat dieses Recht zuletzt im Jahr 1990 ausgeübt und für die Position
des Generaldirektors Botschafter Dr. Hellmuth STRAßER - aufgrund seiner
Qualifikationen - vorgeschlagen.
Eine öffentliche Ausschreibung oder ein Hearing zur Erstellung des Vorschlags
für den Posten des Generaldirektors der Donaukommission wurden nicht
durchgeführt, weil hiefür eine gesetzliche Grundlage fehlt.
Im Bereich des Europarates besitzen die Regierungen der Mitgliedstaaten le-
diglich für die drei ,,hors cadre“-Funktionäre Generalsekretär, stellvertretender
Generalsekretär und Greffier der Parlamentarischen Versammlung, die von
letzterer gewählt werden, ein Vorschlagsrecht.
Für diese Funktionen im Rahmen des Europarates wurden von Österreich in
der Vergangenheit vorgeschlagen: Generalsekretär Dr. Lujo TONCIC-SORINJ
(1969), Generalsekretär Dr. Franz KARASEK (1979), stellvertretender Gene-
ralsekretär Dr. Peter LEUPRECHT (1993).
Für die drei »hors cadre"-Funktionen können für das Amt entsprechend qualifi-
zierte Personen kandidieren, müssen
jedoch von einer Regierung offiziell vor-
geschlagen werden. So wurde der im Vorjahr neu gewählte stellvertretende
Generalsekretär, Dr. H.-C. KRÜGER, von „seiner“ (deutschen) Regierung als
Kandidat vorgeschlagen und seine Kandidatur von der britischen Regierung
offiziell unterstützt.
Die Geschichte des Europarates zeigt, daß zum Generalsekretär bisher nur
Kandidaten, die Mitglied der Parlamentarischen Versammlung, und zum stell-
vertretenden Generalsekretär solche, die hohe Funktionäre des Europarates
waren, gewählt wurden. Dr. Lujo TONCIC-SORINJ und Dr. Franz KARASEK
waren vom Nationalrat bestellte Mitglieder der Beratenden (Parlamentarischen)
Versammlung, während Dr. Peter LEUPRECHT bereits 13 Jahre Direktor für
Menschenrechte war, als er aus dieser Funktion zum stellvertretenden
Generalsekretär gewählt wurde. Bei der Wahl des Generalsekretärs kommt
dazu, daß diese, einer gewissen Rotation folgend, Vertreter verschiedener
politischer Gruppierungen sein sollen.
Aus obigem ergibt sich, daß für diese Posten weder öffentliche Ausschreibun-
gen noch Hearings durchgeführt werden.
Zu Frage 21:
Eine öffentliche Ausschreibung für die Erstellung des Dreiervorschlages für die
Ernennung eines österreichischen Richters am Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte und ein Hearing wurden nicht durchgeführt, weil hiefür eine
gesetzliche Grundlage fehlt.
Zu Frage 22:
Es ist richtig, daß in der Vergangenheit im Regelfall - aber auch nur im
Regelfall und nicht ohne Ausnahme - der jeweils erstgereihte Kandidat bestellt
worden ist. In diesem Sinn war bisher ein
Hearing bei der Bestellung der
Richter nicht üblich. Nunmehr wurde jedoch erstmals ein solches Hearing
durchgeführt. Dies zeigt aber, daß es nunmehr keineswegs klar ist, daß der
erstgereihte Kandidat bestellt werden muß.
Zu Frage 23:
Grundsätzlich sehe ich die Durchführung von öffentlichen Ausschreibungen als
sinnvoll an, doch wird dies nach der spezifischen Natur der jeweiligen Funktion
unterschiedlich zu beurteilen sein.