3440/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde
haben am 22. Jänner 1998 unter der Nummer 3573/J eine schriftliche Anfrage an mich
gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
“1. Kann der Außenminister die Echtheit dieses Abkommens bestätigen?
2. Ist dieses Abkommen tatsächlich in Kraft getreten?
3. Wie lautet der vollständige Text dieses Abkommens?
4. Wurde das BMaA mit der Frage der Echtheit bzw. Wirksamkeit dieses “Abkommens"
befaßt ?
5. Hat das BMaA gegenüber Restjugoslawien die Diskriminierung von Kosova -
Albanerinnen diplomatisch thematisiert; mit welchen Resultaten?
6. Halten Sie es für wahrscheinlich, daß Slobodan Milosevic Dr. Ibrahim Rugova als
legitimen Vertreter der Kosova-AlbanerInnen bzw. das Untergrund -Bildungssystem
der Albanerlnnen anerkannt hat? Gibt es dafür nachweisbare Hinweise?
7. Das Wissenschaftsministerium hat dieses Abkommen im Wege der österr.
Vertretungsbehörde in Restjugoslawien erhalten. Welche Überprüfung der Echtheit
von Urkunden, die für die Vollziehung in Österreich maßgeblich sind, wurde
vorgenommen?
8. Wie geht die österr. Vertretung in Restjugoslawien im allgemeinen mit derartigen
,,Abkommen” um bzw. welche Schulung haben die dort Tätigen betreffend die
Beurteilung von derartigen Urkunden?
9. Halten Sie es für wahrscheinlich, daß Slobodan Milosevic ein Abkommen mit “Kosova"
(Bezeichnung für einen autonomen Albanerinnen - Staat im Kosovo) akzeptiert bat?
10. Welche für die österr. Vollziehung maßgeblichen "Abkommen" zwischen
Restjugoslawien und Kosova wurden seitens der österr. Vertretung in Restjugoslawien
nach Österreich übermittelt und wie wurde ihre Authentizität geprüft?”
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Fragen 1 und 9:
Die Existenz dieses Abkommens (“Dogovor”; zu Deutsch: Vereinbarung, Abmachung)
wird weder von den Parteien noch von der internationalen Staatengemeinschaft in Abrede
gestellt.
Zu Frage 2:
Das Abkommen ist in erster Linie als politische Vereinbarung zu werten. Es ist als mit
Unterzeichnung in Kraft stehend anzusehen, da es nichts Gegenteiliges vorsieht und
keine Seite die Gültigkeit in Abrede stellt. Trotz wiederholten Zusammentretens der im
vorletzten Absatz der Vereinbarung vorgesehenen “3 + 3 - Kommission” wurde das
Hauptanliegen des Abkommens, nämlich die Normalisierung des Bildungssystems im
Kosovo, noch nicht umgesetzt.
Zu Frage 3:
Der serbische, von Präsident Milosevic und Dr. Rugova unterzeichne Text liegt samt von
kosovarischer Seite angefertigter englischer Übersetzung und Annex (“Initial Measures for
Normalization of Educational System in Kosova”) dieser Anfragebeantwortung bei.
Zu Frage 4:
Durch die Anerkennung der Zeugnisse, Urkunden oder Bestätigungen der
albanischsprachigen “Universität Prischtina” wird kosovarischen Studenten die Möglichkeit
höherer Bildung in Österreich eingeräumt. Im Lichte der von den Parteien unbestrittenen
Existenz der genannten Vereinbarung wurde österreichischerseits daher die Anerkennung
der “Universität Prischtina” durch die jugoslawischen Stellen festgestellt. Durch diese
Vorgangsweise konnte eine Diskriminierung kosovarischer Studenten vermieden werden.
Zu Frage 5:
Die Situation in der einstmals autonomen serbischen Provinz Kosovo, die zu über 90%
von Albanern (sog. Kosovaren) bewohnt ist, gibt zu größter Sorge Anlaß. Sie bildet einen
der zentralen Bereiche der Beratungen in den zuständigen internationalen Gremien und
Organisationen (EUIGASP, OSZE, Europarat, Vereinte Nationen etc.), an denen
Österreich initiativ und aktiv mitarbeitet. Darüber hinaus wird dieses Thema in allen
bilateralen Kontakten mit Vertretern der Bundesrepublik Jugoslawien aufgebracht, und
zwar sowohl auf Beamten - wie auf politischer Ebene. Die Kosovo - Problematik wurde
anläßlich des Besuchs des damaligen Außenministers der Bundesrepublik Jugoslawien
(und nunmehrigen Präsidenten Serbiens) Milan Milutinovic in Wien am 6. März 1997 und
des Besuchs des damaligen Vizevorsitzenden der Sozialistischen Partei Serbiens (und
nunmehrigen Außenministers) Zivadin Jovanovic in Wien am 23. Juni1997 zur Sprache
gebracht. Zuletzt wurde der Kosovo auf hoher bilateraler Ebene anläßlich des Besuches
des Generalsekretärs des jugoslawischen Außenministeriums am 26. Jänner 1998 in
Wien thematisiert.
Bedauerlicherweise haben bislang weder die bilateralen Demarchen Österreichs noch
jene der genannten internationalen Organisationen - an deren Zustandekommen
Österreich stets aktiv teilnahm - eine Verbesserung der Situation im Kosovo bewirken
können.
Zu Frage 6:
Die genannte Vereinbarung wurde von Slobodan Milosevic, damals Präsident Serbiens,
und Dr. Ibrahim Rugova unterzeichnet. Eine Anerkennung einer politischen Funktion
Rugovas seitens der Bundesrepublik Jugoslawien ist daraus nicht zu entnehmen, doch
kann die Anerkennung der im Annex genannten albanischsprachigen
Bildungseinrichtungen durch die Behörden Serbiens bzw. der Bundesrepublik
Jugoslawien aus dem Abkommen abgeleitet werden.
Zu Frage 7:
Das Abkommen ist in erster Linie als politische Vereinbarung zu werten. Der
Abkommenstext ist bekannt, und keine der betroffenen Parteien hat die Existenz und
Echtheit in Abrede gestellt.
Zu Frage 8:
Die Österreichische Botschaft Belgrad berichtet - im Rahmen ihrer Aufgabe der
Berichterstattung über relevante Ereignisse im Gaststaat - regelmäßig über Entwicklungen
im Bildungsbereich sowie über solche im Zusammenhang mit dem Kosovo. Sie unterhält
Kontakte zu verschiedenen im Kosovo - Kontext maßgeblichen Stellen und
Persönlichkeiten und bereist den Kosovo in regelmäßigen Abständen. Außerdem wirkt die
Botschaft an den Arbeiten im Rahmen der EU - Missionschefs in Belgrad betreffend
Möglichkeiten der Unterstützung des Aufbaus einer Zivilgesellschaft und der Vermittlung
vertrauensbildender Maßnahmen im Kosovo lautend mit.
Zu Frage 10:
Bislang ist lediglich die den Gegenstand der Anfrage bildende Vereinbarung zwischen den
Stellen Serbiens bzw. der Bundesrepublik Jugoslawien und maßgeblichen Vertretern der
Kosovaren bekannt. Die Existenz der Vereinbarung wurde weder von den Parteien noch
von der internationalen Staatengemeinschaft in Abrede gestellt.