3521/AB XX.GP

 

zur Zahl 3607/J - NR/1998

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Rasinger, Dr. Leiner und Kollegen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Ausbildung zum Natur -  bzw. Heilprakti -

ker in Österreich, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1. Stellt die Schaltung des Inserates in den Salzburger Nachrichten Ihrer Ansicht

nach einen strafrechtlich relevanten Tatbestand dar?

2. Wenn ja, welche Schritte haben Sie unternommen oder werden Sie dagegen

unternehmen?

3. Steht die oben (in der Anfragebegründung) beschriebene Tätigkeit dieser

Schule Ihrer Meinung nach im Widerspruch zum Ärztegesetz oder anderen

Rechtsnormen?

4. Wenn ja, welche rechtlichen Schritte werden Sie unternehmen?

5. Welche Institute bzw. Schulen, die in Österreich eine Ausbildung zum Natur -

oder Heilpraktiker anbieten oder in ähnlicher Weise gegen das Ausbildungs -

vorbehaltsgesetz verstoßen, sind Ihnen bekannt?

6. Gegen welche dieser Institutionen oder Schulen haben Sie in welcher Form

bereits rechtliche Schritte eingeleitet?

7. Was sind die Ergebnisse dieser rechtlichen Schritte?

8. Gibt es derzeit in Österreich laufende oder abgeschlossene Verfahren sowie

rechtskräftige Verurteilungen im Zusammenhang mit der Ausbildung zum Heil -

bzw. Naturpraktiker oder ähnlicher Tätigkeiten?

9. Wenn ja, gegen welche Institute und was war das Ergebnis?

10. Welche Verschärfungen des Kurpfuscherparagraphen können Sie sich vorstel -

len, um die österreichische Bevölkerung in Zukunft vor selbsternannten Gurus

und Scharlatanen wirksam zu schützen?“

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Eine strafrechtliche Beurteilung der in der Anfragebegründung geschilderten Aktivi -

täten der Paracelsus - Schule“, die bereits zu Anzeigen an die staatsanwaltschaftli -

chen Behörden geführt haben, hat zunächst beim Tatbestand der Kurpfuscherei

nach § 184 StGB anzusetzen. Tatbestandsmerkmal dieses Delikts ist u.a., daß eine

Tätigkeit ausgeübt wird, die den Ärzten vorbehalten ist. Damit wird auf den „Ärzte -

vorbehalt“ nach §§ 1, 2 des Ärztegesetzes abgestellt. Von diesen Bestimmungen

werden aber Ausbildungstätigkeiten und ihre Bewerbung nicht erfaßt. Die in § 1

Abs. 1 („Ausübung der Medizin“) und § 1 Abs. 2 Ärztegesetz („auf medizinisch - wis -

senschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit“) gebrauchten Formulierungen

zeigen nämlich, daß sich diese Regelungen nicht auf die theoretische Erarbeitung

und Lehre von Erkenntnissen selbst, sondern vielmehr auf deren praktische Anwen -

dung, also auf Tätigkeiten am oder für Menschen, beziehen. Der Ausbildungsvorbe -

halt für Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheits -

wesens geregelt sind, findet sich vielmehr im - für das gerichtliche Strafrecht nicht

relevanten - Ausbildungsvorbehaltsgesetz, BGBl. Nr.378/1996. Ein Verstoß gegen

§ 184 StGB ist daher im öffentlichen Anbieten einer Ausbildung und in deren Durch -

führung nicht zu erblicken.

Soweit die Absolventen einer Ausbildung zum Heil - bzw. Naturpraktiker nicht kon -

kret dazu aufgefordert werden, den Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben, er -

gibt sich aus dem Anbieten einer solchen Ausbildung auch kein Verdacht nach

§ 282 StGB („Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen“).

Eine Strafbarkeit wegen Betrugs (§§ 146 ff. StGB) käme etwa dann in Betracht,

wenn österreichische Interessenten durch Irreführung dazu verleitet werden könn -

ten, eine Ausbildungsleistung gegen Bezahlung erheblicher Geldbeträge in An -

spruch zu nehmen, auf die sie sich bei wahrheitsgemäßen Informationen nicht ein -

gelassen hätten. Eine solche Irreführung könnte darin liegen, daß bestimmte, in der

Ausbildung vermittelte Tätigkeiten als in Österreich legal ausübbar bezeichnet oder

Berufsberechtigungen in Aussicht gestellt werden, die in Österreich durch die Aus -

bildung an einer „Paracelsus - Schule" nicht erlangt werden können.

Anläßlich der Prüfung der schon eingangs erwähnten Anzeigen stellte sich aber her -

aus, daß die Interessenten für eine solche Ausbildung sehr wohl darüber informiert

wurden, daß sie in Österreich nur Tätigkeiten ausüben dürfen, die nicht den Ärzten

vorbehalten sind. Die Interessenten wurden einerseits auf die gesetzliche Lage in

Österreich und andererseits auch auf die Bestrebungen hingewiesen, eine Geset -

zesänderung im Sinn einer Zulassung des Heilpraktikerberufs auch in Österreich zu

erreichen. Im Hinblick darauf ist sowohl die für den Betrug erforderliche Täu-

schungseignung als auch ein dem § 282 StGB zu unterstellendes Verhalten zu ver -

neinen.

Zu 5 bis 7:

Außer den Anzeigen wegen der Aktivitäten der „Paracelsus - Schule“ wurde gegen

das Institut für Grundlagenmedizin und alternatives Heilwesen, I.M.A.H., K. H.

GmbH bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch eine Anzeige erstattet. Auch diese An -

zeige wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt, weil ihre strafrechtliche Prüfung

keinen gerichtlichen Straftatbestand ergab.

Zu 8 und 9:

Über die dargestellten Fälle hinaus haben die dazu befragten Oberstaatsanwalt -

schaften über keine weiteren einschlägigen Anzeigen oder Strafverfahren berichtet.

Zu 10:

Das Bundesministerium für Justiz war in jüngerer Vergangenheit mehrmals mit Än -

derungswünschen in Ansehung des Kurpfuschereitatbestands nach § 184 StGB be -

faßt, vor allem in Richtung Ausweitung des Tatbestands im wesentlichen auf „ärztli -

che Kurpfuscherei“, aber auch in Richtung Einschränkung des Tatbestands, um

nicht Ausübende von sonstigen gesetzlichen Gesundheitsberufen zu erfassen. Eine

Änderung des § 184 StGB erscheint jedoch aus kriminalpolitischer Sicht nicht sinn -

voll.

Unabhängig von der grundsätzlichen Hinterfragbarkeit des Ansatzes, Eigeneinschät -

zung und Selbstverantwortung mündiger Patienten in der Therapiewahl mit den Mit -

teln des Kriminalstrafrechts zu beschränken, erscheint eine Ausweitung des in sei -

ner Reichweite bereits jetzt nicht unproblematischen § 184 StGB im Wege eines

noch weiteren Vordringens in das Vorfeld der vom Kriminalstrafrecht primär zu

schützenden Individualrechtsgüter nicht angezeigt. Wenn in bestimmten Entwicklun -

gen eine Gefährdung für das Gesundheitswesen im allgemeinen erkannt wird, ist

dem eher mit intensiver Aufklärung der Bevölkerung und mit der Schaffung und Ver -

stärkung von Ausbildungs - und Berufsausübungsvorschriften zu begegnen. Mit der

Schaffung des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes und insbesondere mit der Verschär -

fung der Verwaltungsstrafbestimmung des § 108 Ärztegesetz (unbefugte ärztliche

Tätigkeit) durch die Novelle BGBl. Nr. 378/1996 (Androhung von Geldstrafe bis

300.000 S, sofern aus der Tat eine schwerwiegende Gefahr für Leib, Leben oder

Gesundheit entstanden ist oder der Täter bereits zweimal wegen unbefugter ärztli -

cher Tätigkeit bestraft worden ist) ist der zweitgenannte Weg ohnedies schon be -

schritten und den in diesem Punkt der Anfrage angesprochenen Schutzbedürfnissen

bereits weitreichend Rechnung getragen worden.

Wenn im Einzelfall eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit eines Patienten ein -

tritt, kommt überdies § 89 StGB zum Tragen, der für die auch nur fahrlässige Her -

beiführung einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicher -

heit eines anderen unter besonders gefährlichen Verhältnissen gerichtliche Strafbar -

keit vorsieht. Schließlich sind auf die Herbeiführung einer Körperverletzung oder Ge -

sundheitsschädigung die einschlägigen Straftatbestände (vor allem die §§ 80, 88,

92, 94, 110 StGB) anzuwenden, nach denen sowohl Ärzte als auch Nicht - Ärzte im

Fall einer schuldhaften Schädigung oder Gefährdung strafrechtlich zur Verantwor -

tung gezogen werden können. Dies macht deutlich, daß der in der Anfrage heraus -

gestellte § 184 StGB nur einen kleinen Teil der im medizinischen Bereich möglichen

strafrechtlichen Verantwortlichkeit abdeckt.

Dem Bundesministerium für Justiz ist - abseits der in den Medien umfangreich er-

örterten Einzelfälle - ein vermehrtes Auftreten von Behandlungsfällen, in denen Pa -

tienten etwa durch nicht anerkannte oder zweifelhafte Therapiemethoden zu Scha -

den gekommen wären, nicht bekannt geworden. Insgesamt erscheint der strafrecht -

liche Schutz der Patienten nach dem StGB - vor allem auch in Verbindung mit der

erwähnten Verwaltungsstrafbestimmung des § 108 Ärztegesetz - durchaus ausrei -

chend.