3527/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Rauch - Kallat, Dr. Lukesch, Kopf und Kolle -
gen haben am 22. Jänner 1998 unter der Nr. 3560/J an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Art und Umfang ihrer Bemühungen um
ein freiwilliges “Freisetzungsmoratorium” sowie Zweifel an der Rechtssicherheit
gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
“1. Sind Sie durch die dpa richtig zitiert?
2. Sind Sie durch den Pressedienst der SPÖ richtig zitiert?
3. Sind Sie in “täglich alles” richtig zitiert?
4. Ist die Wiedergabe Ihrer Aussagen in der APA vom 8. November 1997
sinngemäß richtig?
5. Stehen Sie weiterhin zu der Feststellung, es habe ein “gentlemen‘s
agreement” mit der Industrie im Hinblick auf einen freiwilligen Verzicht auf
Freisetzungen gegeben?
6. Wann, zwischen wem und in welcher Form kam das von Ihnen
angesprochene “gentlemen‘s agreement” zustande?
7. Handelt es sich bei diesem “gentlemen‘s agreement” um das Ergebnis
Ihrer
Bemühungen um ein Freisetzungsmoratorium?
8. Welche Schritte haben Sie im Hinblick auf das Zustandekommen eines
freiwilligen Verzichtes auf Freisetzungen bis zum Inkrafttreten einer Gen -
technik - Haftung durch Unternehmen der Gentechnik - Industrie oder ein -
schlägige Forschungseinrichtungen unternommen?
9. Konkret zu welchen Unternehmen der Gentechnik - Industrie und einschlä -
gigen Forschungseinrichtungen haben Sie im Rahmen allfälliger Bemü -
hungen um ein solches “gentlemen‘s agreement" Kontakt aufgenommen,
zu welchem Zeitpunkt (Datum) und in welcher Form?
10. Welche Resonanz haben Ihre allfälligen Bemühungen seitens der Unter -
nehmen der Gentechnik - Industrie und einschlägiger Forschungseinrich -
tungen gehabt?
11. Haben Sie im Rahmen solcher allfälligen Bemühungen um ein Freiset -
zungsmoratorium auch Kontakt zur Firma Pioneer aufgenommen?
12. Wenn ja, wie, wann, in welcher Form und mit welchem Ergebnis?
13. Ab welchem Datum kam es schließlich zu dem von Ihnen wiederholt an -
gesprochenen “gentlemen‘s agreement" im Hinblick auf ein freiwilliges
Freisetzungsmoratorium mit der österreichischen Gentechnik - Industrie
und einschlägigen Forschungseinrichtungen?
14. In welcher konkreten Form wurde das von Ihnen angesprochene “gentle -
men‘s agreement" mit der österreichischen Gentechnik - Industrie und/oder
einschlägigen Forschungseinrichtungen getroffen?
15. Gibt es diesbezüglich eine schriftliche Vereinbarung oder welche Perso -
nen können Sie benennen, die eine, wenn auch mündlich getroffene, so
doch explizite diesbezügliche Vereinbarung bestätigen?
16. Mit welchen Firmen wurde eine derartige Vereinbarung getroffen?
17. Auf welche Faktengrundlage beziehen Sie sich in Ihrer Tatsachen -
behauptung, es habe eine solche Vereinbarung gegeben?
18. Liegen gegebenenfalls schriftliche Erklärungen seitens Vertreter der
österreichischen Gentechnik - Industrie oder einschlägiger Forschungs -
einrichtungen, die - auch unabhängig von einer konkreten Vereinbarung -
zu Ihrem Vorhaben, einen Freisetzungsverzicht seitens der Gentechnik -
Firmen zu erwirken, grundsätzlich positiv Stellung nehmen?
19.
Wenn ja, von welchen Firmen oder Forschungseinrichtungen?
20. Liegen gegebenenfalls schriftliche Erklärungen seitens Vertreter der
österreichischen Gentechnik - Industrie oder einschlägiger Forschungs -
einnchtungen, die - auch unabhängig von einer konkreten Vereinbarung -
zu Ihrem Vorhaben, einen Freisetzungsverzicht seitens der Gentechnik -
Firmen zu erwirken, grundsätzlich negativ Stellung nehmen?
21. Wenn ja, von welchen Firmen?
22. Liegen an Sie persönlich, an Ihr Büro oder Ministerium gerichtete, schrift -
liche Reaktionen seitens Vertreter der österreichischen Gentechnik - In -
dustrie oder einschlägiger Forschungseinrichtungen im Zusammenhang
Ihrer Bemühungen um ein Freisetzungsmoratorium vor?
23. Auf welcher konkreten wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlage
basieren Ihre Aussagen sowie die Ihres Beamten Dr. HASELBERGER
hinsichtlich der Nichtgenehmigung des Pioneer - Antrages?
24. Wurde bei allfälligen Lücken des Antrages von der Möglichkeit nach § 39
(2) GTG Gebrauch gemacht, das Unternehmen aufzufordern, allfällig rele -
vante Unterlagen und Informationen zur Verbesserung des Antrages
nachzureichen?
25. Wenn ja, mit welchem Datum erging eine derartige Aufforderung an die
Firma Pioneer?
26. Ist es in Ihrem Ressort üblich, daß laufende Genehmigungsverfahren
a) durch die Ministerin
b) durch den den Antrag bearbeitenden Beamten
in der Öffentlichkeit qualifiziert werden?
27. Hat Ihr Beamter Dr. HASELBERGER dem ORF das Interview zum
Gegenstand des Freisetzungsantrages der Firma Pioneer mit Ihrem
Wissen und mit Ihrer Genehmigung gegeben?
28. Sofern Sie in "täglich alles” richtig zitiert sind: auf welche rechtliche
Grundlage schließlich stützen Sie Ihr Vorhaben, bis zum Inkrafttreten
einer Gentechnik - Haftung keine Freisetzungen zu genehmigen?
29. Wie entkräften Sie den Verdacht, daß Ihre Haltung gegenüber dem An -
trag der Firm Pioneer primär politisch motiviert war?
30. Wie entkräften Sie den Eindruck, daß Unternehmen, die in Österreich im
Bereich der Biotechnologie tätig sind, hier nicht mit Rechtssicherheit rech -
nen können?”
Diese
Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 4:
Zu den in der Einleitung angeführten Pressemeldungen ist festzuhalten, daß
diese nicht von meiner Pressestelle veranlaßt wurden. Ich kann daher für den
Inhalt dieser Meldungen keine Verantwortung übernehmen. Im übrigen ver -
weise ich auf meine diese Thematik zusammenfassende Antwort zu den Fra -
gen 5 bis 22 und 28.
Zu den Fragen 5 bis 22 und 28:
Ich habe Ende Mai des Jahres 1997 an Firmen und Forschungseinrichtungen,
die an einer Freisetzung möglicherweise interessiert sind, einen Brief gerichtet,
dessen Inhalt ich im folgenden im Sinne der erforderlichen Transparenz wört -
lich wiedergebe:
“Wie das Ergebnis des Gentechnik - Volksbegehrens zeigt, lehnen viele Öster -
reicherinnen und Österreicher die Gentechnik in der österreichischen Landwirt -
schaft und in Lebensmitteln ab.
Das ist eine Tatsache, auf die die Politik ebenso wie die Wirtschaft Rücksicht
nehmen muß. Daran vermag auch die Rechtslage, wie sie sich durch die
Richtlinie 90/
220/EWG und das österreichische Gentechnikgesetz darstellt, nichts zu
ändern.
Aufgrund neuester Studien über die Verbreitung und Weitergabe von Genen,
welche für die Resistenzbildung in Schadinsekten verantwortlich sind, ist die
Verbreitung dieser Gene und damit die Zunahme des Resistenzniveaus we -
sentlich höher als zuvor erwartet.
Es sind daher Probleme einer raschen Resistenzinduktion, einer Kreuzresis -
tenz
sowie der Verlust der Wirksamkeit beispielsweise des biologisch gut
verträglichen BT - Toxins, welches besonders auch im biologischen Pflanzenbau
eingesetzt wird, zu befürchten.
Dazu kommt noch die Frage möglicher Auswirkungen der Antibiotika - Marker
und das Fehlen einer verschuldensunabhängigen Gentechnikhaftung in
Österreich.
Besonders aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz von Frei -
setzungsversuchen ist es in der Vergangenheit zu Konflikten zwischen der
Bevölkerung und den Unternehmen gekommen, die auch großes mediales
Interesse hervorgerufen haben. Dem Ansehen der Unternehmen haben diese
öffentlichen Auseinandersetzungen sicherlich geschadet.
Ich appelliere daher an Sie, aus allen diesen Gründen auf Freisetzungen in
Österreich solange zu verzichten, bis die öffentliche Diskussion abgeschlossen
ist.”
Diesem Appell an die betroffenen Firmen lag die Überlegung zugrunde, daß ich
einerseits aus rechtlichen Gründen kein generelles Freisetzungsverbot in
Österreich verhängen kann, daß es aber andererseits auch an der Wirtschaft
liegt, ihre Herstellerverantwortung wahrzunehmen und die Sorgen der Bevöl -
kerung, aber auch die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit Freiset -
zungen ernst zu nehmen.
Im Nachhang zu diesem Brief habe ich weiters am 8. Juli 1997 diese Firmen
und Forschungseinrichtungen zu einem “Runden Tisch” eingeladen. An diesem
“Runden Tisch” nahm auch die Firma Pioneer, vertreten durch ihren Geschäfts -
führer, teil. In der dabei geführten Diskussion wiesen die meisten Firmen und
Wissenschaftsvertreter zwar auf die Bedeutung des Industriestandortes Öster -
reich
- auch in der Biotechnologie - und auf die Wichtigkeit eindeutiger gesetz -
licher Rahmenbedingungen hin. Es wurde aber von keiner betroffenen Firma
die Aussage getroffen, daß sie sich in der nächsten Zeit über meinen Appell
hinwegsetzen werde. Auch in weiteren Gesprächen mit den Firmen konnte ich
den Eindruck gewinnen, daß es für alle Beteiligten besser wäre, die Zeit zu
einem positiven Diskurs auch mit den Kritikern der Gentechnik zu nützen.
Wie meinem Brief weiters zu entnehmen ist, habe ich keine Aussage über die
Dauer des von mir vorgeschlagenen freiwilligen “Moratoriums” der betroffenen
Firmen und Forschungseinrichtungen getroffen, von einem fünfjährigen Mora -
tonum war überhaupt nicht die Rede. Ich war damals - und bin auch heute
noch - der Auffassung, daß in der gegenwärtigen Phase der Diskussion und
des Dialoges mit allen betroffenen Kreisen alle offenen Fragen genau zu prü -
fen sind, um zu einem möglichst breiten Konsens aller Beteiligten zu gelangen.
Dazu gehört einerseits eine genaue Überprüfung der in meinem Brief erwähn -
ten offenen fachlichen Fragen. Dies geschieht derzeit vor allem auf Ebene der
Europäischen Union, da diese Fragen letztlich nur auf europäischer Ebene
geklärt werden können. In den entsprechenden Expertengremien der Europäi -
schen Kommission wird - nicht zuletzt durch unser gemeinsames Bemühen mit
den skandinavischen Staaten - die Frage möglicher nachteiliger Folgen der
gentechnisch induzierten Resistenzen (Antibiotikaresistenz, BT - Resistenz,
Herbizidresistenz) vor allem auch am Beispiel des in Österreich derzeit verbo -
tenen BI - Maises der Fa. Ciba/Geigy Novartis nochmals genau geprüft.
Dazu gehört - im Sinne einer besseren Akzeptanz durch die Bevölkerung -
weiters auch die Frage des Bestehens entsprechender Haftungsregelungen,
um auch für den Fall des Auftretens derzeit noch nicht vorhersehbarer ne -
gativer Langzeitfolgen für die Umwelt (einschließlich der Gesundheit des
Menschen) die notwendige Sicherheit zu gewährleisten; dazu kommt die
präventive
Wirkung strenger Haftungsregeln.
Ich bin daher überzeugt, daß der bereits in Begutachtung befindliche Entwurf
des Herrn Bundesministers für Justiz für ein neues Gentechnikhaftungsrecht
bzw. eine ehestbaldige Beschlußfassung über dieses Gesetzesvorhaben zu
einer weiteren Versachlichung der Diskussion führen wird.
Zu Frage 23:
Dazu verweise ich auf meine Ausführungen zu den Fragen 26 und 29.
Zu den Fragen 24 und 25:
Da der Antrag der Firma Pioneer sowohl formal als auch fachlich äußerst man -
gelhaft war, erging mit Datum vom 15. Jänner 1997 gemäß § 39 Abs. 2 GTG
an die Firma Pioneer auch die Aufforderung, umfangreiche weitere Informa -
tionen und Unterlagen zur Verbesserung ihres Antrages vorzulegen.
Zu den Fragen 26 und 29:
Nein. Wegen des berechtigten Interesses der Öffentlichkeit an diesem sensi -
blen Vorhaben habe ich es allerdings für gerechtfertigt gehalten zu erklären,
daß ich mir angesichts der schweren Mängel des Antrages einerseits und auf
Grund der mir bereits zugegangenen zahlreichen kritischen Stellungnahmen
(auch von wissenschaftlicher Seite) andererseits zu diesem Zeitpunkt eine
Genehmigung auf Basis der vorhandenen Unterlagen nicht vorstellen konnte.
Hätte die Firma ihren Antrag - auf Druck der Öffentlichkeit - nicht zurückge -
zogen, so hätte sie jedenfalls umfangreiche weitere Informationen und Unter -
lagen zum Antrag, insbesondere auch im Hinblick auf die ökologische Unbe -
denklichkeit der von ihr geplanten Freisetzungsversuche, nachreichen müssen.
Zu Frage 27:
Ja.
Zu Frage 30:
Ich habe immer zum Ausdruck gebracht, daß ich meine Entscheidungen auf
Basis der geltenden Gesetze zu treffen habe. Dies trifft auch für Entscheidun -
gen gemäß § 40 des Gentechnikgesetzes zu, wonach Freisetzungsanträge nur
dann zu genehmigen sind, wenn sichergestellt ist, daß alle Bedingungen des
Gentechnikgesetzes und der Freisetzungsverordnung erfüllt sind, die Freiset -
zung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt wird und
gewährleistet ist, daß aufgrund der getroffenen Vorkehrungen keine nachtei -
ligen Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu erwarten sind.
Die Bevölkerung erwartet aber mit Recht von mir, daß ich bei der Prüfung von
Freisetzungsanträgen diesem Gesetzesauftrag mit besonderer Vorsicht und
Genauigkeit nachkomme.