3529/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Petrovic, Freundinnen und Freunde haben

am 20. Jänner 1998 unter der Nr. 3520/J an mich eine schriftliche parlamentari -

sche Anfrage betreffend das Multilateral Agreement on Investment (MAI) ge -

richtet, die folgenden Wortlaut hat:

“1. Seit wann ist Österreich in die Verhandlungen über den Vertragsentwurf

des MAI eingebunden?

2. Aus welchen Personen setzt sich die österreichische Delegation zusam -

men?

3. Wie lautet die offizielle Position der österreichischen Bundesregierung zu

diesem Vertragswerk?

4. Liegt der derzeit aktuelle Vertragsentwurf bei Ihnen auf und kann Einblick

genommen werden?

5. Welche Vorschläge wurden von österreichischer Seite eingebracht?

6. Welche Rahmenbedingungen, die internationale Investitionsflüsse stören

könnten, sollen eliminiert werden?

7. Wie werden ,,Investitionen" vom MAI definiert? Fallen auch Investitionen

im Bereich der Patente für pflanzliche, tierische und menschliche Gene

darunter?

8. Wie können Sie die Kritik entkräften, daß mit diesem Vertragswerk die

regulativen Möglichkeiten und der staatliche Handlungsspielraum einge -

schränkt werden?

9. Ist es richtig, daß im MAI - Entwurf den Investoren weitgehende Rechte

garantiert werden, die Einhaltung von Arbeits - , Sozial - und Umwelt -

standards aber nur Empfehlungscharakter haben?

10. Was werden Sie unternehmen, daß nicht nur in der Präambel auf die Be -

achtung internationaler Menschenrechtspakte sowie Umwelt - und Sozial -

standards Bezug genommen wird, sondern daß das MAI eindeutige Be -

stimmungen enthält, die ein Absenken bestehender Umwelt - und Sozial -

normen verhindern und die Einführung neuer Standards ermöglichen?

11. Ist es richtig, daß gemäß MAI - Abkommen Regierungen unter Druck

kommen könnten, die Investoren entschädigen zu müssen, wenn sie

Regulierungen oder Verbote im Interesse der öffentlichen Gesundheit

oder des Umweltschutzes erlassen (Beispiel “Ethyl - Fall”, Kanada)?

12. Ist es richtig, daß seit mehr als zwei Jahren verhandelt wird und die

Gewerkschaften nur zufällig davon informiert wurden?

13. Seit wann sind die Gewerkschaften in die Verhandlungen mit eingebun -

den?

14. Inwiefern können Sie den Vorwurf entkräften, daß die Verhandlungen

bisher fernab jeder Öffentlichkeit stattgefunden haben?

15. Ist es richtig, daß das MAI schon im Mai 1998 dem österreichischen

Parlament vorgelegt werden soll?

16. Was werden Sie unternehmen, damit eine öffentliche Diskussion über

dieses Vertragswerk, welches Staaten unabhängig vom politischen Willen

seiner Bürgerlnnen 20 Jahre lang bindet, geführt wird?

17. Wie rechtfertigen Sie diese rigorosen Maßnahmen zum Schutz der Inves -

toren, während die Unterzeichnerstaaten sich schwerwiegenden

Verpflichtungen unterwerfen und die Bevölkerung ungeschützt bleibt bei

gleichzeitiger Tendenz in Richtung Arbeitslosigkeit und Armut?

18. Welche Analysen (,,impact studies”) haben Sie anstellen lassen über die

Auswirkungen der MAI - Bestimmungen auf die ökologischen, arbeitsrecht -

lichen, sozialstaatlichen und steuerlichen Regelungen? Gibt es EU - Stu -

dien über die Auswirkungen des MAI und die Kompatibilität mit der be -

stehenden Umwelt - und Sozialgesetzgebung innerhalb der EU? Wenn ja,

welche?

19. Inwiefern kann der Vorwurf entkräftet werden, der vorliegende Entwurf sei

hauptsächlich ein Instrument zur Durchsetzung von Investoreninteressen

und schränke die Möglichkeit des Interessenausgleiches ein, schwäche

die Regierungen gegenüber ausländischen Investoren und würde die

unternehmerischen Risken und die sozialen und ökologischen Kosten auf

die Gesellschaft abwälzen?

20. Was werden Sie unternehmen, daß in diesem Vertragswerk auch Be -

schwerderechte von Menschen, Gemeinschaften und Staaten gegenüber

multinationalen Unternehmungen eingeführt werden hinsichtlich der Ein -

haltung umweltpolitischer, sozialer und arbeitsrechtlicher Mindest -

standards? Inwiefern sollen die Konzerne für die von ihnen verursachten

sozialen und ökologischen Kosten haftbar gemacht werden?

21. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die Bereiche Besteuerung und

internationale Wettbewerbspolitik in die "Built - in - Agenda" aufgenommen

werden?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Österreich nimmt an den MAI - Verhandlungen seit deren Beginn im Herbst 1995

teil.

Zu Frage 2:

Die österreichische Delegation wird vom Leiter der zuständigen Abteilung des

Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten geleitet, ihre Zusam -

mensetzung im Einzelfall hängt vom jeweiligen Verhandlungsgegenstand ab.

Zu Frage 3:

Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen, mit dem MAI ein umfas -

sendes internationales Abkommen für den Investitionsbereich zu schaffen, das

hohe Liberalisierungs - und Investitionsschutzstandards setzt und über einen

effektiven Streitbeilegungsmechanismus verfügt.

Zu Frage 4:

Der aktuelle Vertragsentwurf liegt im Bundeskanzleramt sowie im Bundesmini -

sterium für wirtschaftliche Angelegenheiten auf, Einsichtnahme ist möglich.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die von der OECD einge -

richtete Internet - MAI - Homepage

(http://www.oecd.org/daf/cmis/mai/maindex.htm) über die eine ausführliche

Darstellung der relevanten Fragen und der jeweilige Verhandlungsstand mit

dem aktuellen Vertragsentwurf abgerufen werden können.

Zu Frage 5:

Im Zuge der Verhandlungen sind von der österreichischen Delegation zahl -

reiche substantielle Vorschläge und Textänderungen mündlich und schriftlich

eingebracht worden. Ganz wesentlich ist die Vorlage der Liste der österreichi -

schen Vorbehalte gegenüber manchen Bestimmungen des MAI - Entwurfes um

der gegenwärtigen österreichischen Gesetzeslage weitgehend Rechnung

tragen zu können.

Zu Frage 6:

Zentrale Zielsetzung des Abkommens ist die Verpflichtung, ausländische

Investoren nicht schlechter zu behandeln als inländische oder solche aus

Drittstaaten mit Meistbegünstigungsklausel. In diesem Sinne werden nicht

Rahmenbedingungen eliminiert, sondern es werden solche geschaffen, die die

Rechtssicherheit im internationalen Wirtschaftsleben erhöhen. Dazu zählen

u.a. die Transparenzbestimmung zur Bekanntmachung investitionsrelevanter

Gesetze, der Schutz vor entschädigungslosen Enteignungen und der ge -

setzeskonforme Transfer von Zahlungen in das und aus dem Gastland.

Zu Frage 7:

Das MAI definiert Investitionen als jede Art von Vermögenswert, den ein Inve -

stor direkt oder indirekt besitzt oder kontrolliert. Verhandlungen darüber, in

welchem Umfang geistige Eigentumsrechte vom MAI erfaßt sein sollen, sind

noch im Gang.

Zu den Fragen 8 und 11:

Schwerpunkt des Abkommens ist - wie schon bei der Beantwortung bei der

Frage 6 erläutert - die Nichtdiskriminierung zwischen inländischen und aus -

ländischen Investoren zur Erhöhung der Rechtssicherheit im grenzüber -

schreitenden Wirtschaftsleben. Dies kann dazu führen, daß der künftige

Handlungsspielraum der Vertragsparteien eingeschränkt wird. Komplementär

dazu können die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die zur Wahrung der

österreichischen Interessen erlassen worden sind, in Form von Vorbehalts -

listen dem Vertragswerk angeschlossen werden, sodaß sie weiter ihre Gültig -

keit besitzen. Damit wird dem Investor eine nicht unwesentliche Erleichterung

bei der Beschaffung der Grundlagen für die Standortentscheidung geboten.

Darüber hinaus bleibt es den Vertragsparteien unbenommen, eine eigen -

ständige Politik zum Schutz der Umwelt, der Einhaltung der sozialen Stan -

dards, der Gesundheit und der Interessen der Verbraucher zu betreiben, sofern

dabei der ausländische Investor nicht schlechter gestellt wird als der

inländische.

Zu den Fragen 9 und 10:

Österreich war das erste Land, das sich im Rahmen der MAI - Verhandlungen

für ein bindendes Verbot der Absenkung von nationalen Umwelt - und

Sozialstandards im Abkommenstext eingesetzt hat. Mittlerweile hat sich die

Mehrheit der Verhandlungsteilnehmer dieser Position angeschlossen, die

Verhandlungen über den konkreten Wortlaut dieser Bestimmungen sind aber

noch nicht abgeschlossen.

Zu Frage 12:

Es ist richtig daß seit mehr als 2 Jahren verhandelt wird. Die TUAC, das ge -

werkschaftliche Beratungsorgan der OECD der auch der ÖGB angehört ist

seit Anbeginn im Konsultativweg in die Verhandlungen eingebunden.

Zu Frage 13:

Die Bundesarbeitskammer nimmt wie die anderen gesetzlichen Interessensver -

tretungen seit Beginn der ÖGB seit Anfang 1997 an den österreichischen

interministeriellen Koordinierungssitzungen zur Erarbeitung der

österreichischen Verhandlungsposition aktiv teil.

Zu Frage 14:

In die innerösterreichische Koordinierung sind alle betroffenen Ministerien, die

Nationalbank und die Bundesländer, sowie die gesetzlichen und freien Interes -

sensvertretungen eingebunden. Nach meiner Auffassung ist durch die Präsenz

dieser politischen Kräfte bei den vorbereitenden Koordinierungssitzungen eine

qualifizierte Öffentlichkeit von den MAI - Verhandlungen informiert worden.

Im übrigen wurde bei der Beantwortung der Frage 4 auf die Möglichkeit der

Information der Öffentlichkeit durch eine Internet - Homepage verwiesen.

Zu Frage 15:

Das Abkommen wird bei der kommenden OECD - Ministertagung 1998 nicht

unterzeichnet. Die Unterzeichnung wird frühestens Ende 1998 erfolgen

können, worauf das Ratifizierungsverfahren zur Beratung und Beschlußfassung

des Vertragswerkes und der erforderlichen Begleitgesetze im Parlament

eingeleitet werden kann.

Die bereits erarbeiteten Unterlagen zum MAI und die zu erwartenden Fristen

sollten ausreichend Gelegenheit für eine tiefgreifende Diskussion der sehr

komplexen Verhandlungsmaterie in der Öffentlichkeit und bei den Sozial -

partnern bieten. In der kommenden Information - und Diskussionsphase wird

sicherlich der gesamte Problemkreis zum MAI neuerlich geprüft werden um die

österreichischen Interessen nachdrücklich zu wahren. Nicht zuletzt gilt die

weitere Prüfungsrunde der Analyse der österreichischen Vorbehaltsliste.

Zu Frage 16:

Das federführende Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ist

wie in der Vergangenheit zur sachlichen öffentlichen Diskussion über das MAI

bereit.

Der derzeitige Abkommensentwurf enthält keine Bestimmung zur Geltungs -

dauer des MAI. Er räumt aber den Vertragsparteien die Möglichkeit ein, aus

dem MAI - Vertrag nach fünf Jahren mit sechsmonatiger Kündigungsfrist auszu -

treten. Eingeschränkt auf eine bis zur Kündigung bereits getätigte Investition

erstrecken sich die Bestimmungen jedoch auf die weitere Dauer von 15 Jahren.

Zu den Fragen 17 und 19:

Grenzüberschreitende Investitionen sind zunehmend der wichtigste Motor der

Weltwirtschaft. Zwischen 1985 und 1996 stiegen die weltweiten jährlichen Inve -

stitionsströme von 25 Milliarden auf 350 Milliarden US - Dollar und erreichten

damit eine höhere Zuwachsrate als jene des Welthandels in derselben

Periode. Im Gegensatz zu reinen Handelsbeziehungen haben

Direktinvestitionen den Vorteil,  daß sie in den jeweiligen Ansiedlungsländern

Arbeitsplätze schaffen. Das gilt auch für Österreich, wo die Investitionen

internationaler Konzerne zahlreiche hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und

zu einem beträchtlichen Technologietransfer in unser Land beigetragen haben.

Die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Inve -

stitionen - das Hauptziel der MAI - Verhandlungen - ist daher eine wesentliche

Voraussetzung für eine weltweite Wohlstandsvermehrung und eine wichtige

weltwirtschaftliche Aufgabe. Auf die weiterbestehende Möglichkeit der MAI - Ver -

tragsparteien, eine eigenständige Umwelt - und Sozialpolitik zu betreiben,

wurde in der Beantwortung auf die Fragen 8 und 11 eingegangen. Das MAI

wird aber nicht nur ein umwelt - und sozialkompatibles Abkommen, sondern

darüber hinaus - nicht zuletzt auf österreichische Initiative - das erste multi -

nationale Wirtschaftsabkommen überhaupt mit bindenden Verboten von Um -

welt - und Sozialdumping sein, was eine signifikante Weiterentwicklung des

internationalen Wirtschaftsrechtes darstellt.

In diesem Zusammenhang bin ich weiters der Auffassung, daß es nicht das Ziel

demokratischer Staaten sein kann, Systeme zu schaffen, die ausschließlich an

der Profitmaximierung einiger weniger Konzerne orientiert sind. Es bleibt die

Aufgabe der Regierungen, den sozialen Zusammenhalt zu sichern und soziale

Gerechtigkeit durchzusetzen, gerade in einer Welt, die von Globalisierung

gekennzeichnet ist. Dazu ist aktives Handeln auch auf internationaler Ebene

notwendig; multilaterale Abkommen wie das MAI oder die Abkommen im

Rahmen der WTO sind kein Freibrief für multinationale Konzerne, sondern

setzen für alle verbindliche Mindeststandards fest.

Zu Frage 18:

Durch eine Einbindung aller betroffenen Ministerien - einschließlich des

Umwelt-, des Sozial- und des Finanzministeriums - in die österreichische

Koordinierung wird sichergestellt, daß das MAI keine unerwünschten

Auswirkungen auf die innerösterreichische Rechtslage haben wird. In

Zweifelsfällen wurde entweder in den Verhandlungen eine Änderung des

Abkommenstextes bewirkt oder eine Ausnahme angemeldet, die es Österreich

erlaubt, innerstaatliche Regelungen auch dann aufrecht zu erhalten, wenn sie

im Widerspruch zu MAI - Verpflichtungen stehen. Aktuelle EU - Studien sind nicht

bekannt, aber das OECD - Sekretariat hat eine Literaturübersicht über das

Verhältnis von grenzüberschreitenden Direktinvestitionen und Umwelt sowie

eine Studie über das Verhältnis des MAI zu internationalen Umweltabkommen

erstellt.

Zu Frage 20:

Normadressat des MAI und seines Streitschlichtungsmechanismus sind aus -

schließlich die Vertragsparteien. Es ist allerdings vorgesehen, die ,,OECD - Leit -

linien für Multinationale Unternehmen«, das ist ein Verhandlungskodex für

grenzüberschreitend tätige Unternehmen, der unter anderem Umwelt - und

Arbeitnehmerschutzbestimmungen enthält, an das MAI anzuschließen. In die -

sem Zusammenhang hat - auch auf österreichische Inititative - in den zuständi -

gen OECD - Gremien eine Diskussion über eine mögliche Überarbeitung dieser

Leitlinien begonnen.

Zu Frage 21:

Eine ,,built - in - agenda” ist zur Zeit nur für den Beihilfenbereich (sogenannte “in -

vestment incentives”) im Gespräch und wird dort von Österreich voll

unterstützt.