3606/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3791/J - NR/1997 betreffend "Der Jurist als
Alleskönner!", die die Abgeordneten Mag. TRATTNER und Kollegen am 27. Februar 1998
an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Mit welchen logistischen Mitteln wollen Sie, Herr Bundesminister, versuchen, aus
den bisherigen Juristen wahre "Alleskönner" zu schaffen?
Die Studien an den österreichischen Universitäten haben der wissenschaftlichen Berufsvor -
bildung, die rechtswissenschaftlichen Studien insbesondere der wissenschaftlichen Beru fsvor -
bildung für jene Berufe zu dienen, für deren Ausübung das Studium der Rechtswissenschaf -
ten gesetzliche Voraussetzung ist. Schon aus diesem Grund muß der Inhalt des Studiums der
Rechtswissenschaften gewissen Kriterien - nämlich den Kriterien der Anforderungen, die in
den Berufsvorschriften für die Rechtsberufe enthalten sind - genügen. In diesen Berufsvor -
schriften wird auf eine umfassende Ausbildung der Studierenden abgestellt. So wäre es z.B.
für einen Richter oder Rechtsanwalt undenkbar, wenn sich seine universitäre Ausbildung nur
auf ein gewisses Rechtsgebiet beschränken würde.
Das Studium der Rechtswissenschaften ist daher durch das Studienrecht (derzeit: Bundesge -
setz über das Studium der Rechtswissenschaften) so gestaltet, daß die Studierenden eine mög -
lichst umfassende Ausbildung erhalten.
Dieses Konzept der generellen Ausbildung hat sich in der Vergangenheit meiner Ansicht
nach gut bewährt. Dies gilt natürlich mit der Einschränkung, daß Verbesserungen eines Studi -
ums immer möglich sein werden und müssen. In der Vergangenheit hat sich beim Studium
der Rechtswissenschaften vor allem das Problem gezeigt, daß ein zu großer Wert auf Detail -
wissen gelegt wird. Dieses Problem führt in einer Zeit, die durch ein rasches Anwachsen so -
wie durch eine immer größer werdende Komplexität der Rechtsmaterien gekennzeichnet ist,
in relativ kurzer Zeit an die Grenzen des Systems, da die Rechtsmaterien sowohl in quantitati -
ver als auch in qualitativer Hinsicht nicht mehr überschaubar sein werden. In diesem Sinne
wird es für die Juristen immer schwieriger werden, eine Ausbildung zum „Alleskönner“ zu
erhalten.
Aus diesem Grund muß auf jene Ausbildungsinhalte mehr Wert gelegt werden, die den zu -
künftigen Juristinnen und Juristen ein optimales „Rüstzeug“ für ihren Berufsweg bieten kön -
nen. Die Ausbildung sollte grundlagenorientierter werden, die Methoden der Rechtswissen -
schaften sollten verstärkt gelehrt werden. Weiters sollten die Zusammenhänge zwischen den
einzelnen Rechtsmaterien gegenüber einem großen Detauwissen mehr Gewicht erhalten.
2. Wäre die Ausbildung zu solchen „Allroundkönnern“ nun etwa eine Aufgabe für
spezielle Fachhochschulen, oder könnte dieses Ziel auch an den bisher dafür vor -
gesehenen juridischen Fakultäten der einzelnen Universitäten erreicht werden?
Dies kommt darauf an, welche Ausrichtung die Studieninhalte des rechtswissenschaftlichen
Studiums haben sollen.
Gemäß dein Universitäts - Studiengesetz - UniStG, BGBl. I Nr.48/1997, zuletzt geändert
durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr.38/1998, haben - wie bereits zu Frage 1 dargelegt - die
Studien an den österreichischen Universitäten der wissenschaftlichen Berufsvorbildung, die
rechtswissenschaftlichen Studien insbesondere der wissenschaftlichen Berufsvorbildung für
jene Berufe zu dienen, für deren Ausübung das Studium der Rechtswissenschaften gesetzli -
che Voraussetzung ist.
Demgegenüber haben die Studien an den Fachhochschulen gemäß dem Bundesgesetz über
Fachhochschul - Studiengänge, BGBl. Nr.340/1993, eine praxis - und anwendungsorientierte
Ausbildung zu vermitteln.
Solange das Studium der Rechtswissenschaften über eine anwendungsorientierte Ausbildung
hinausgeht und neben einer praxisorientierten Ausbildung auch eine wissenschaftlich fundier -
te Berufsvorbil dung vermittelt, wird die Aufgabe der Ausbildung von Juristinnen und Juristen
von den Rechtswissenschaftlichen Fakuläten wahrzunehmen sein.
3. Wie steht Ihr Ressort zur Meinung VOR Justizminister Dr. Michalek, welcher for -
dert, daß ein gemeinsamer, breiter Kern an Lehrinhalten für alle Juristen gewahrt
bleiben müsse und der in diesem Zusammenhang von einem "Irrweg" spricht, wenn
nur noch reine Zivil - und Europarechtler hervorgebracht werden?
Ich stimme der Ansicht von Justizminister Michalek zu, wonach ein gemeinsamer breiter
Kern an Lehrinhalten für alle Juristen gewahrt bleiben muß. Wie bereits zu Frage 1 ausge -
führt, ist eine generelle Ausbildung auch im Hinblick auf die Berufsvorschriften für die
Rechtsberufe weiterhin zu gewährleisten.
4. Wie stehen Sie als ressortzuständiges Regierungsmitglicd zur Kritik des Grazer Uni -
Rektors Wolf Rauch, welcher sich vehement dagegen ausspricht, daß Universitäten
nur der reinen Berufsausbildung dienen sollen?
Ich weise zu diesem Punkt auf die im UniStG normierten Bildungsziele und Bildungsaufga -
ben der Universitäten hin. Gemäß § 2 des UniStG dient die Lehre an den Universitäten und
Hochschulen der Bildung der Studierenden durch die Auseinandersetzung mit der Wissen -
schaft und der Kunst. Sie hat die grundlegenden wissenschaftlichen und wissenschaftlich -
künstlerischen Kenntnisse und Methoden zu vermitteln, die für die beruflichen Tätigkeiten
der Absolventinnen und Absolventen erforderlich sind. Sie dient überdies dem Transfer neuer
wissenschaftlicher und wissenschaftlich -
künstlerischer Erkenntnisse in die Arbeitswelt.
Die Universitäten und Hochschulen nehmen ihre Bildungsaufgaben wahr durch
1. die wissenschaftliche und die wissenschaftlich - künstlerische Berufsvorbildung in den
Diplomstudien,
2. die Heranführung zur Fähigkeit, durch selbständige Forschung zur Entwicklung der Wis -
senschaften beizutragen, und die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in
den Doktoratsstudien und
3. die Weiterbildung insbesondere in den Universitätslehrgängen.
Die Bildungsziele und Bildungsaufgaben der Universitäten und Hochschulen gehen daher
weit über eine reine Berufsausbildung hinaus. Eine Reduktion der Aufgaben der Universitä -
ten auf eine reine Berufsaubildung ihrer Studierenden stand auch nie zur Diskussion.
5. Mit welchen Argumenten wollen Sie hinkünftig versuchen, die verehrte Rektoren -
schaft davon zu überzeugen, daß sich das Jus - Studium den Erfordernissen der Zeit
anzupassen hat und die Universitäten sonst Gefahr laufen, von speziellen Fachhoch -
schulen ausgebootet zu werden?
Das UniStG sieht - im Unterschied zum bisherigen Studienrecht - eine weitreichende Autono -
mie der Universitäten bei der Studienplangestaltung vor. Ich habe daher als Bundesminister
für Wissenschaft und Verkehr keine Möglichkeit, die Inhalte des zukünftigen Studiums der
Rechtswissenschaften mitzubestimmen.
Im Rahmen des Verfahrens zur Studienplangestaltung haben die Universitäten jedoch ver -
schiedene universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen mitzubefassen, die gewährleisten
sollen, daß die Inhalte des Studienplanes nicht nur zeitgemäß sind, sondern auch den Berufs -
anforderungen entsprechen. Weiters hat die Studienkommission vor der Erlassung oder An -
derung des Studienplanes entsprechend den Bildungszielen und Bildungsaufgaben der Uni -
versitäten (siehe Frage 4), den Grundsätzen für die Gestaltung und den Aufgabenstellungen
der Diplomstudien (siehe Frage 2) ein Qualifikationsprofil zu erstellen oder zu ergänzen. Da -
bei sind die Anwendungssituationen, denen die Absolventinnen und Absolventen in Beruf
und Gesellschaft gegenübertreten werden, besonders zu berücksichtigen. Der Studienplan ist
auf der Grundlage des Qualifikationsprofils zu
erstellen.
Wie mir bekannt ist, sind einige Rechtswissenschaftliche Faktultäten bereits dabei, einen neu -
en Studienpian für das Studium der Rechtswissenschaften zu erarbeiten. Die zuständigen uni -
versitären Organe sind sich dabei der Probleme der derzeitigen Ausbildung bewußt (siehe
Frage 1). Die neuen Studienpläne sollen daher so gestaltet sein, daß die zukünftigen Juristin -
nen und Juristen eine optimale, zeitgemäße Ausbildung erhalten.
6. Oder liegt es in Ihrer Intention, daß sich für solche Spezialausbildungen eben nur
Fachhochschulen, aufgrund ihrer speziellen Stuktur, am besten dafür eignen?
Wie ich bereits zu Frage 2 ausgeführt habe, haben die Ausbildung an den Universitäten und
die Ausbildung im Rahmen der Fachhochschul-Studiengänge unterschiedliche Aufgaben und
Ziele. Solange das Studium der Rechtswissenschaften eine generelle, wissenschaftliche Berufs -
vorbildung vermitteln soll, wird diese Ausbildung an den Universitäten anzusiedeln sein.
Meine Intention ist es daher nicht, die Ausbildung im Bereich der Rechtswissenschaften an
einer Fachhochschule einzurichten.