3617/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat, Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner haben
am 25. Februar 1998 unter der ZI. 3716/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage
gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
1) Aus welchem Grund strebt Österreich keine Resolution zur Menschenrechtslage in
China im Rahmen der UN - Kommission für Menschenrechte an?
2) Werden Sie eine solche Resolution unterstützen, wenn sie von einem einzelnen
anderen EU - Staat (wie im letzten Jahr von Dänemark) oder einem Drittstaat
eingebracht wird? Wenn nein, warum nicht?
3) Welche Schlüsse ziehen Sie aus der oben zitierten Reaktion Chinas auf die
Entscheidung der EU - Außenminister?
4) In welchen Bereichen hat sich aus Ihrer Sicht die Menschenrechtssituation in China
dermaßen gewandelt, daß eine Befassung bzw. Resolution im Rahmen der UN -
Menschenrechtskommission nicht mehr notwendig erscheint?
5) Welche konkreten Maßnahmen werden im Rahmen des von den EU - Außenministern
angesprochenen “neuen Dialogs” mit China ergriffen?
6) Was unternimmt Österreich bzw. die EU, um eine vollständige Freilassung aller
politischer Gefangenen in China zu erreichen?
7) Was unternimmt Österreich bzw. die EU, um die Menschenrechtssituation in Tibet zu
verbessern?
8) Würden Sie einen Entschließungsantrag des Parlaments zur Menschenrechtssituation
in
Tibet, in dem die Verwirklichung der politischen, religiösen und
kulturellen Rechte
der Tibeter sowie Verhandlungen zwischen China und der tibetischen Exilregierung
verlangt werden, begrüßen? Wenn nein, warum nicht?
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Ad 1):
Die chinesische Gesellschaft zeigt, trotz des weiterhin gegebenen
Machtmonopolanspruches der Kommunistischen Partei, in den letzten Jahren
Öffnungstendenzen in wirtschaftlicher (gemischte Wirtschaft), aber auch politischer
(Mehrfach - Kandidaturen bei Gemeindewahlen) und menschenrechtlicher Hinsicht. Dabei
ist trotz der grundsätzlich weiterhin besorgniserregenden Menschenrechtssituation eine
Öffnung der chinesischen Haltung gegenüber der Staatengemeinschaft und insbesondere
gegenüber internationalen Menschenrechtsmechanismen feststellbar, woraus positive
Impulse für reale Verbesserungen erwartet werden können. Darüber hinaus sind in der
Verfassung und einfachen Gesetzgebung nunmehr bessere Voraussetzungen gegeben,
den Schutz fundamentaler Menschenrechte sicherzustellen. Insbesondere hat die Reform
der Straf - und Strafprozeßordnung die rechtlichen Grundlagen für einen effektiven Schutz
der Grundrechte verbessert.
Die jahrelange Einbringung einer Resolution bei der VN - Menschenrechtskommmission,
auch durch Österreich, war bereits auf prozeduraler Ebene angesichts des Fehlens der
erforderlichen Mehrheit ohne Erfolg. Die Tatsache, daß die Menschenrechtskommission
immer wieder mehrheitlich feststellte, für die Menschenrechtslage in China nicht
zuständig zu sein, barg letztlich die prinzipielle Gefahr, die Autorität dieses wichtigen
Organs der Vereinten Nationen zu untergraben. Daher wurden im Rahmen der EU im
vergangenen Jahr intensive Überlegungen angestellt, in welcher Weise die mit der
Einbringung des Resolutionsentwurfes verbundenen Zielsetzungen auch anderweitig
erreicht werden könnten. Die Wiederaufnahme des Menschenrechts - dialogs mit China
und die Erstellung eines Kooperationsprogramms der Europäischen Kommission im
menschenrechtlichen Bereich sind Ergebnis dieser Überlegungen.
Ad 2):
Im Sinne eines geschlossenen Auftretens der EU in Fragen der Gemeinsamen Außen -
und Sicherheitspolitik wurde beschlossen, daß kein Mitgliedstaat eine allfällige Resolution
eines Drittstaates zur Frage der Menschenrechte in China miteinbringen würde; ein
solcher Entwurf liegt im übrigen nicht vor.
Ad 3):
Die zitierte Meldung der Austria Presse Agentur ist bekannt, doch ist eine solche
Äußerung vor dem Gesamthintergrund der von China gesetzten tatsächlichen Schritte zu
sehen.
Ad 4):
China
hat im Menschenrechtsbereich u. a. folgende Maßnahmen gesetzt:
• Wiederaufnahme ohne Vorbedingungen des Menschenrechtsdialoges mit der EU: Seit
vergangenem Herbst wurden drei Treffen auf Troika - Beamtenebene (Luxemburg
23.124.10.97 und Peking 2.13.12.97 sowie informelles Treffen am 23/24.2.1998 in
Peking) abgehalten. Die nächste formelle Runde findet im Mai d.J. in London statt. Das
Thema Menschenrechte ist auch ein wesentliches Thema beim EU - China - Gipfeltreffen
am Rande von ASEM II in London im April 1998.
• Bisher kam es in diesem Zusammenhang zu einem eingehenden Meinungsaustausch
über eine Reihe menschenrechtlicher Fragen und Anliegen der Union, die Anzeichen
der chinesischen Seite zur Verbesserung problematischer Bereiche erkennen lassen.
• Zusage der Prüfung der von der EU beim ersten Treffen in Luxemburg übergebenen
Dissidentenliste.
• Am 23.124.2.1998 fand erstmals ein EU - chinesisches Rechtsseminar zum Themen -
bereich Menschenrechte in der Justizverwaltung in Peking statt.
• Zusage einer Tibet - Reise durch die EU - Troika im Mai dieses Jahres.
• Eine Reihe von Maßnahmen im rechtlichen Bereich, insbesondere:
• Unterzeichnung des VN - Paktes über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte
durch China im Oktober 1997. Die Ratifizierung wurde für absehbare Zeit in Aussicht
gestellt.
• Die Unterzeichnung des VN - Paktes über politische und bürgerliche Rechte wurde
zugesichert.
• China hat angekündigt, seine internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen
betreffend Hongkong, insbesondere die Berichtsverpflichtungen nach den beiden
Menschenrechtspakten, weiter zu honorieren.
• China hat bereits die UN - Konventionen gegen Folter, zum Schutz der Rechte des
Kindes, zur Rassendiskriminierung und zur Eliminierung der Diskriminierung der Frau
ratifiziert.
• Verbesserungen im neuen, letztes Jahr in Kraft getretenen Strafprozeßrecht, sowie in
anderen mit dem Strafrecht verwandten Gesetzen.
• Verstärkung der internationale Kooperation, insbesondere:
- Besuch der UN - Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierung vom 6. - 15.10.1997 über
chinesische Einladung; der MRK wird ein Bericht über diese Mission vorliegen.
- Offizielle Einladung an die UN - Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary
Robinson, zu einem Besuch nach China.
- Besuch einer IKRK - Delegation in China im Februar 1998.
- Freilassung des prominenten Regimekritikers Wei Jingsheng und anderer politischer
Häftlinge.
- Menschenrechtliche Dialoge mit einer Reihe von Staaten.
- Treffen von offiziellen chinesischen Vertretern mit Vertretern von Amnesty
International.
Ad 5):
Der im Herbst 1997 wiederaufgenommene Menschenrechtsdialog EU - China wurde in
Peking am 23.124.2. d.J. weitergeführt, wobei eine Reihe menschenrechtlicher Anliegen in
sehr offener Weise behandelt worden sind. Der Dialog wurde durch die Abhaltung eines
Kolloqiums zum Themenbereich Menschenrechte in der Justizverwaltung ergänzt,
welches
Bestandteil des von der Europäischen Kommission im Rahmen des
Menschenrechtsdialoges ausgearbeiteten Kooperationsprogrammes zur Stärkung der
Rechtsstaatlichkeit in China bildet.
An diesem zweitägigen Seminar, an dem chinesischerseits hochrangige Vertreter von
Ministerien (Außen -, Innen - und Justizministerium) und Forschungseinrichtungen, von
EU - Seite Menschenrechtsexperten bzw. Beamte teilnahmen, wurden folgende
Themenbereiche erörtert:
• Strafverfahren und Menschenrechte
• Gefängnisverwaltung und Menschenrechte
• Verwaltungsverfahren und Menschenrechte
• Rechtserziehung und - information.
Die Diskussionen waren auf beiden Seiten von großer Offenheit und Ernsthaftigkeit
gekennzeichnet. Alle Teilnehmer unterstrichen die Notwendigkeit, eine zweite derartige
Veranstaltung zu planen, um auf den Pekinger Diskussionen aufzubauen und
unbehandelt gebliebene Themenstellungen zu erörtern (dazu gehören insbesondere
Fragen der Folterprävention und der Todesstrafe).
Die nächste - formelle - Runde des Menschenrechtsdialogs findet im Mai in London statt,
dabei soll auch eine Begegnung mit nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen
vorgesehen werden. Sodann soll für jede EU - Präsidentschaft zumindest eine formelle
Runde vorgesehen werden; die österreichische Präsidentschaft wird demnach eine
Runde - möglichst in Peking - organisieren.
Auch die Fortführung des Rechtsseminars wird unter österreichischer Präsidentschaft
aktuell; darüber hinaus soll es erstmals zu einem Experten - Treffen über die Rechte der
Frau kommen.
ad 6):
Im Rahmen des regen bilateralen Besuchsaustausches wird immer wieder die Frage der
vollständigen Freilassung von politischen Gefangenen angesprochen. Insbesondere wird
auch auf die in der EU - Liste genannten Fälle von prominenten Regimekritikern verwiesen;
zuletzt erfolgte dies anläßlich meines Besuches im März dieses Jahres in Peking.
Weiters wird die Frage der politischen Gefangenen wiederholt im Rahmen des MR-
Dialogs und auch bei anderen Treffen der EU mit Vertretern Chinas angeschnitten.
ad 7):
Auch die Frage Tibets wird immer wieder im bilateralen sowie multilateralen
Besuchsaustausch thematisiert. Auch diesbezüglich sind gewisse Fortschritte zu
verzeichnen; so finden z. B. wieder Besuche von offiziellen Delegationen in Tibet statt. Im
Rahmen des MR - Dialogs der EU mit China wird im Mai d.J. eine Troika - Mission nach
Tibet auf Botschafterebene stattfinden. Der Schwerpunkt soll dabei auf folgende drei
Fragen gelegt werden:
-
Religionsfreiheit
- Ethnische Zusammensetzung in Tibet (einschließlich sich zeitweilig aufhaltender Han
Chinesen - 6 Monate oder mehr)
- Wirtschaftliche und soziale Situation der verschiedenen ethnischen Gruppen in Tibet.
Auch anläßlich meines jüngsten Besuches in Tibet habe ich diese Fragen angesprochen
und darüberhinaus mit praktischen Förderungsmaßnahmen konkrete Beiträge zur
Achtung der Menschenrechte zu leisten gesucht.
ad 8):
Die Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundes und unterliegt der
Beurteilung des Nationalrates. Die Bundesregierung tritt allerdings beständig für die
Rechte der tibetischen Bevölkerung und für direkte Kontakte zwischen der Volksrepublik
China und dem Dalai Lama ein. Direkte parlamentarische Kontakte mit chinesischen
Volksvertretern könnten eine wertvolle Unterstützung dieser Haltung sein.