3629/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.3653/J - NR/1998, betreffend LKW - Fahrverbote

und Schwerverkehrsabgabe, die die Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde am 16.

Februar 1998 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

1. Warum vertritt Österreich gegenüber der EU in der Frage des Transits keine ebenso

konsequente Position wie die Schweiz? Warum wurden nicht bereits früher Maß -

nahmen gesetzt, die den Umwegtransit von der Schweiz über Österreich hintan halten?

Antwort

Österreich und die Schweiz als Alpenländer haben hinsichtlich ihrer Geographie und der

Topographie eines ökologisch sensiblen Alpenraumes und hinsichtlich der dadurch verschärften

negativen Auswirkungen des Verkehrs auf Bevölkerung und Umwelt eine grundsätzlich

vergleichbare Ausgangslage. Hinsichtlich der Tatsache, daß gemäß dem Prinzip der kommuni -

zierenden Gefäße verkehrspolitische Maßnahmen der einen Seite meist unmittelbare Aus -

wirkungen im jeweiligen Nachbarstaat mit sich bringen, haben Österreich und die Schweiz eine

gleiche Problemlage und hinsichtlich der Lösung der durch den Verkehr verursachten negativen

Auswirkungen auf Bevölkerung und Umwelt gleiche verkehrspolitische Prinzipien: Verlage -

rung des Verkehrs von der Straße auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie die Schiene,

Förderung des Kombiverkehrs, Herstellung eines für Mensch und Umwelt auf Dauer ver-

träglichen “modal split”, Herstellung der Kostenwahrheit im Verkehr. Daraus resultiert auch

eine gleiche Zielsetzung für den Transitverkehr, nämlich die dauerhafte Lösung der Transit  -

problematik mit der EU.

Ich möchte betonen, daß die oben genannten Zielsetzungen seitens Österreichs immer konse -

quent auf allen Ebenen vertreten wurden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die

gemeinsame Regierungsposition für den Verkehrsministerrat am 17.3.1998 sowie auf meinen

Bericht über die Ergebnisse dieses Ministerrates zu verweisen (BEILAGEN 1 und 2).

Zur Frage, inwieweit Maßnahmen gesetzt wurden, um den Umwegtransit von der Schweiz über

Österreich hintanzuhalten, ist anzuführen, daß derartige Maßnahmen schon 1992 gesetzt

wurden, indem die Leerfahrten genehmigungspflichtig gemacht wurden und diese genehmi -

gungspflichtigen Leerfahrten in der Folge in das Transitregime des 1993 abgeschlossenen

Transitvertrages, der ja dann als Protokoll Nr.9 in den Beitrittsvertrag zur EU Eingang gefun -

den hat, einbezogen wurden. Auf diese Weise konnte bereits ein bestimmter Teil der aus der

Schweiz kommenden “Umwegleerfahrten” wieder rückverlagert werden.

Weiters wurden schon bei der Ausarbeitung des Mandates der Europäischen Kommission für

Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz im Bereich Landverkehr, das im März 1995

beschlossen wurde, aufgrund der österreichischen diesbezüglich konsequent vertretenen

Position, daß das Problem des Umwegverkehrs aus der Schweiz dringend einer Lösung zu -

zuführen ist, folgende Grundsätze in das Mandat aufgenommen: Die Vermeidung von Ver -

kehrsumleitungen sowie die Lösung der Umweltprobleme in den Alpen, die durch den Schwer -

lastverkehr entstehen. Diese Grundsätze sind nunmehr im Abkommensentwurf für ein Land -

verkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz fest verankert. Auch setzt sich Öster -

reich konsequent für eine Schutzklausel ein, die eine schrittweise Rückverlagerung des beste -

henden Umwegverkehrs und eine Vermeidung allfälligen zukünftigen Umwegverkehrs garan -

tiert, wobei ein Nicht - Erreichen dieses Ziels ganz konkrete Gegenmaßnahmen nach sich zieht

(siehe auch Frage 6).

2. Worauf führen Sie die mangelhafte Verhandlungsstrategie Österreichs in Verkehrs -

fragen zurück! Warum wurden nicht bereits Verkehrsanliegen mit anderen Angel -

genheiten der EU, in denen Einstimmigkeit erforderlich ist, verhandlungstechnisch in

Beziehung gebracht?

Antwort:

Zur von Ihnen angesprochenen Verhandlungsstrategie Österreichs in Verkehrsfragen ist

auszuführen, daß Österreich bestrebt ist, seine Interessen im Verkehrsbereich mittels der Suche

von Bündnispartnern und mittels Überzeugungskraft von Sachargumenten durchzusetzen. In

diesem Zusammenhang finden laufend zahlreiche Kontakte und bilaterale Treffen auf Beamten -

ebene und Ministerebene statt. Durch diese Überzeugungsarbeit versucht Österreich auch im

Plenum des Verkehrsministerrates seine Interessen durchzusetzen. Ein Junktim mit anderen

Fragen, bei denen Einstimmigkeit erforderlich ist, wird üblicherweise nur als ultima ratio

angesehen. Auch darf nicht vergessen werden, daß ein derartiges Junktim im Verkehrsminister -

rat schwierig herzustellen ist, da dort ein Großteil der Beschlüsse mittels qualifizierter Mehrheit

erfolgt. Einstimmigkeitsbeschlüsse sind im Wesentlichen nur mehr im Außenministerrat und im

Finanzministerrat möglich.

3. Gibt es eine mit dem Finanz - und dem Wirtschaftsministerium akkordierte Vorgangs -

weise in den Fragen des Gütertransits und der entsprechenden Fahrverbote?

Antwort:

Ja. Es ist darauf hinzuweisen, daß vor den jeweiligen Fachministerräten immer eine inter -

ministerielle Koordination auf Beamtenebene und im Rahmen des Ministerrates eine Koordina -

tion und Festlegung einer Regierungsposition auf Ministerebene erfolgt. Dies ist eine von der

Regierung festgelegte Vorgangsweise. Im übrigen darf ich auf die Beantwortung der Frage 1

verweisen.

4. Werden Sie darauf dringen, daß sich der Bundeskanzler und der Vizekanzler persön -

lich im Rahmen der Etl für die Wahrung der österreichischen Standards beim Tran -

sitverkehr und für die Einführung einer “Infrastrukturmaut” einsetzen? Soll die

Transitfrage zur Chefsache werden?

Antwort:

Da es, wie bereits in Frage 3 angesprochen, zum Thema Transitverkehr eine einhellige Regie -

rungsposition gibt, versteht es sich von selbst, daß diese, bei für Österreich elementaren Fragen

wie dem Transitverkehr, auch auf der Ebene von Kanzler und Vizekanzler vertreten wird.

5. Werden Sie mit höchster Unterstützung die drohende Harmonisierung der EU am 17.

3. durch eine Klage beim EuGH anfechten und den strallenpolizeilichen Charakter der

Maßnahmen als nationale Angelegenheit damit zu wahren versuchen? Welche Chan -

cen rechnen Sie sieh dabei aus? Gibt es Präzedenzfälle?

Antwort:

Zum jetzigen Zeitpunkt argumentiert Österreich gegenüber der EU, daß sie nicht berechtigt ist,

in die straßenpolizeilichen Vorschriften eines (oder aller) Mitgliedstaaten einzugreifen.

Die tw. Aufhebung des Wochenendfahrverbotes mit dem Ziel der Liberalisierung des Dienst -

leistungverkehrs führt weiters zu einer Verbilligung des Güterverkehrs (und zu einer Schwä -

chung der Konkurrenzsituation von Eisenbahn und Kombiniertem Verkehr) und läuft somit der

von der EU selbst geforderten Internalisierung externer Kosten diametral entgegen.

Unabhängig von der vorstehend dargelegten grundlegenden Haltung beabsichtigt das Ressort,

entsprechende Studien zu vergeben, die die Position Österreichs untermauern helfen sollen.

Sollte die Richtlinie gegen den Einspruch Österreichs beschlossen werden, wird sich Österreich

nicht scheuen, eine Klage beim EuGH einzubringen.

6. Welche anderen Maßnahmen werden Sie zur Einschränkung des Transitverkehrs und

zum Schutz der Bevölkerung ergreifen? Wodurch werden Sie die Verlagerung auf den

Kombi - Verkehr forcieren, nachdem die Zunahme des Straßentransitverkehrs die

Gesamtleistung der Bahn im Güterbereich übersteigt?

Antwort:

Bezüglich der Beschränkung des Transitverkehrs darf ich nochmals auf den zwischen Öster -

reich und der EU geschlossenen Transitvertrag bzw. auf das Protokoll Nr.9 des Beitrittsver -

trages verweisen, durch das die Schadstoffbelastung der Bevölkerung durch den Schwerlast -

verkehr sukzessive um 60% verringert werden sollen. Auch auf die im Rahmen der Land -

verkehrsverhandlungen zwischen der EU und der Schweiz verankerten Grundsätze der Lösung

der Umwegverkehrsproblematik und der zu erarbeitenden Lösung der Umweltprobleme in den

Alpen, die durch den Schwerlastverkehr entstehen, darf ich ebenso nochmals hinweisen wie auf

die Schutzklausel, die für den Fall verankert werden soll, daß es aufgrund der Verkehrspolitik

von Drittstaaten zu keiner schrittweisen und nachhaltigen Reduktion der Umwegverkehre

kommt. Diese Maßnahmen, welche insbesondere bzw. in erster Linie Anpassungen der Mauten

(nach oben) betreffen, sollen von der Kommission auf Antrag des betroffenen Mitgliedstaates

(Österreichs) beschlossen werden. Durch diese Schutzklausel wurde auch die Wirkung des

Transitregimes über dessen Gültigkeitsdauer hinaus verlängert werden, da diese Schutzklausel

auf unbestimmte Zeit gelten würde.

Was die Einschränkung des Transitverkehrs der Mittel -  und Osteuropäischen Länder betrifft, so

hat Österreich mit nahezu allen diesen Ländern moderne, verkehrsträgerübergreifende Ab -

kommen geschlossen, die auf eine weitestgehende Verlagerung des Schwerverkehrs auf

umweltfreundliche Verkehrsträger wie Schiene oder Schiff sowie auf den Einsatz von Fahr -

zeugen mit hohen technischen Sicherheits - und Umweltstandards abzielen. In diesen Ab -

kommen ist jede Verkehrsart einschließlich der Leerfahrten und somit auch der Transitverkehr

einem restriktiven Kontingentregime unterstellt. Weiters ist beabsichtigt, auch diese Länder in

ein ökologisches Transitregime, wie es das Ökopunktesystem ist, einzubeziehen.

Hinsichtlich Ihrer Frage zur Förderung des Kombinierten Verkehrs darf ich darauf hinweisen,

daß Österreich gerade in diesem Bereich beispielgebend sowohl im EU/EWR - Bereich als auch

verglichen mit den Mittel- und Osteuropäischen Ländern ist. Zum Beispiel werden in Österreich

nicht unbeträchtliche Investitionsbeihilfen im Bereich der Förderung des Kombinierten Ver -

kehrs gewahr( (1996: 81 Mio. ATS). Österreich tätigt jedoch auch diesbezügliche Investitionen

im Ausland (z.B. Ausbau des Terminals Sopron, Investitionen für den KV - Umschlag in Ljublja -

na und Maribor). Die Rollenden Landstraßen werden im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen

Leistungen unterstützt, für Nutzer des Kombinierten Verkehrs ist ein Rückvergütungsregime für

den Straßenverkehrsbeitrag vorgesehen. Außerdem wird der Kombinierte Verkehr durch eine

Reihe von verkehrspolitischen Maßnahmen gefördert wie zum Beispiel liberalisierte Korridore

zu den Verbindungen der Rollenden Landstraße, liberalisierte Zonen um die Kombiverkehrs -

terminals, Befreiung vom Sonn - und Feiertagsfahrverbot sowie vom Nachtfahrverbot für Nutzer

des Kombinierten Verkehrs usw.

Auch möchte ich in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Förderprogramm für den

Kombinierten Verkehr auf der Brenner - Strecke hinweisen: Dieses besteht in einer Erhöhung der

Kapazität und einer gleichzeitigen Reduzierung der Tarife um bis zu 30%. Schon in der ersten

Woche konnte eine Steigerung der Auslastung auf durchschnittlich über 90% festgestellt

werden und eine gleichzeitige Zunahme der Sendungen um 21%. Da diese Förderaktion

offensichtlich vom Markt äußerst positiv angenommen wird, kann daraus der Schluß gezogen

werden, daß hiermit zwei wesentliche Voraussetzungen für ein gegenüber der Straße wettbe -

werbstähiges Bahnangebot geschaffen wurden. genügend Kapazität und ein gegenüber der

Straße attraktiver Preis. Aufgrund der positiven Wirkung dieser Förderaktion wird derzeit

geprüft, diese zu verlängern. Jedoch ist es - um eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der

Bahn gegenüber der Straße insbesondere im Bereich der Tarifgestaltung gewährleisten zu

können - dringend erforderlich, die Kostenwahrheit auf der Straße herzustellen.

7. Wann beginnen die Verhandlungen über eine Verlängerung des Transitvertrages, von

welchen Grundbedingungen wird Österreich ausgehen? Wie weit sind Absprachen mit

der Schweiz geplant?

Antwort:

Grundsätzlich ist zu dieser Frage anzumerken, daß eine Verlängerung des Transitvertrages darin

bestehen sollte, die positiven Wirkungen des Transitvertrages (z.B. Reduzierung der Schadstoff -

emissionen des Schwerverkehrs um 60%) dauerhaft zu erhalten. Die Grundlage für diese

Vorhaben wurde schon im Rahmen der Beitrittsverhandlungen durch die Erklärung Nr.34 des

Beitrittsvertrages geschaffen, mit der sich die Europäische Union und die Kommission ver -

pflichtet haben, einen entsprechenden Vorschlag für eine Rahmenregelung zur Lösung der

Umweltprobleme vorzulegen, die durch den Lastkraftwagenverkehr verursacht werden. Diese

Rahmenregelung hat geeignete Maßnahmen über Straßenbenutzungsgebühren, Schienenwege,

Einrichtungen des Kombinierten Verkehrs und technische Normen für Fahrzeuge zu umfassen.

Dies bedeutet, daß der oben genannten Zielsetzung entsprechende Rahmenbedingungen zu

schaffen sind und in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß Österreich

dieses Thema zu einem Schwerpunktthema seiner EU - Präsidentschaft machen wird.

Zur Frage, inwieweit Absprachen mit der Schweiz geplant sind, darf ich nochmals auf meine

Beantwortung der Frage 1 sowie auf den im Mandat für Landverkehrsverhandlungen mit der

Schweiz enthaltenen Grundsatz hinweisen, daß zur Lösung der durch den Schwerlastverkehr auf

der Straße in den Alpen verursachten Umweltprobleme ein Zusammenhang zwischen dem für

die Schweiz geschaffenen Regime für den Landverkehr und den Rahmenbedingungen der

Gemeinschaft herzustellen ist.

 

 

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