3658/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
1017 WIEN
Die Abgeordnete Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner, haben am 25. Februar
1998 unter Nr. 3687/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den
folgenden Wortlaut hat:
1. Das Gesamtfördervolumen im Rahmen der Strukturfonds für die Förderperiode 1994
- 1999 beträgt für Österreich theoretisch 22 Milliarden Schilling. Welche
Förderungsrahmen erwarten Sie sich für die Periode 2000 - 2006?
2. Mit welchem Konzept geht Österreich in die Verhandlungen bezüglich die Reform
der Strukturpolitik im Rahmen der Agenda 2000 bzw. des inoffiziell von der EU -
Kommission bereits vorgelegten darauf aufbauenden Verordnungsentwurfes?
3. Werden Sie sich für eine Reduzierung der Gemeinschaftsausgaben für Agrarpolitik
und - förderungen (derzeit immer noch bei 49 %) und für eine Verlagerung der Mittel
zugunsten der Strukturpolitik einsetzen? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein,
warum nicht?
4. Werden Sie für eine Reform des Kofinanzierungsmodells eintreten? Wenn ja, in
welcher Form?
5. In Zukunft sollen Projekte, die der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen, be -
sonders gefördert werden. Österreich hat zwar inzwischen ebenfalls eine relativ
hohe Arbeitslosenrate, liegt jedoch innerhalb der EU nach offiziellen Statistiken an
vorletzter Stelle. Wie läßt sich so das Fördervolumen für Österreich, zukünftig
hauptsächlich
in Ziel 2 - Gebieten, aufrechterhalten?
6. Wann hat Österreich erste konkrete Vorstellungen bzw. Positionierungen zur Reform
der Strukturfonds bzw. zu Grenzlandförderungen gegenüber der EU - Kommission
vorgebracht?
7. Haben Sie - gemeinsam mit Bundeskanzler Klima - in einem Brief an Kom -
missionspräsident Jacques Santer Sonderförderungen für österreichische Grenz -
regionen gefordert? Wenn ja, ich welchem Ausmaß, für welche Regionen und in
welcher Höhe?
8. Welche Grenzregionen Österreichs müßten aus Ihrer Sicht wie und in welcher Höhe
durch die EU bzw. Kofinanzierungsprojekte gefördert werden, damit die EU -
Osterweiterung von der Bevölkerung akzeptiert wird?
9. Werden Sie sich für eine Verzögerung der EU - Osterweiterung einsetzen, wenn
Österreich nicht oder nicht im gewünschten Ausmaß Regional - oder Grenzland -
förderung erhält?
10. Sind Sie der Auffassung, daß alle Grenzregionen Österreichs zu Ziel 1 - Gebieten
erklärt werden sollen? Wenn ja, wie sind diese definiert?
11. Sind Sie der Auffassung, daß die EU - Erweiterung für Österreich zusätzliche Kosten
bedeuten wird? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein, wie begründen Sie das?
Ich beehre mich diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Das Gesamtfördervolumen im Rahmen der Strukturfonds beträgt für Österreich im Zeit -
raum 1995 bis 1999 (also ab Beitritt zur Europäischen Union) rd. 1,6 Milliarden ECU und
zwar nicht theoretisch, sondern durch entsprechende Entscheidungen der Kommission
festgeschrieben. Diese Mittel können allerdings nur dann in Anspruch genommen werden,
wenn in ausreichendem Maß förderbare Projekte beantragt und ordnungsgemäß durch -
geführt werden. Die Initiative dazu liegt bei den Projektträgern.
Welche Mittel für die Strukturfondsperiode 2000 - 2006 zur Verfügung stehen werden,
steht noch nicht fest. In der Agenda 2000 schlägt die Kommission 210 Mrd. ECU für die
Strukturfonds vor. Welche Anteile auf die einzelnen Mitgliedstaaten entfallen, wird Ge -
genstand
intensiver Verhandlungen in den nächsten Monaten sein.
Zu Frage 2:
Österreich unterstützt die Absicht der Kommission, im Rahmen einer tiefgreifenden Re -
form der Strukturfonds die Voraussetzungen für einen sparsameren und effizienteren
Mitteleinsatz und die Teilnahme neuer Mitgliedstaaten an der Strukturpolitik der Europäi -
schen Union zu schaffen. Die am 18.3.1998 vorgelegten Entwürfe für die Strukturfonds -
verordnungen enthalten hierzu bereits zielführende Ansatzpunkte, insbesondere hinsicht -
lich der thematischen und finanziellen Konzentration der Strukturfonds, der Reduktion der
Ziele und Programme und der vorgesehenen Verwaltungsvereinfachung.
Die Vorschläge der Kommission, die in den kommenden Monaten als Verhandlungs -
grundlage für dieses ehrgeizige Reformprojekt dienen werden, sind jedoch aus österrei -
chischer Sicht in einigen zentralen Punkten noch zu präzisieren und weiterzuentwickeln.
Österreich wird daher in den kommenden Verhandlungen darauf hinwirken, daß folgen -
den Positionen Rechnung getragen wird:
Hinsichtlich des Umfanges der Strukturausgaben tritt die Bundesregierung dafür ein, daß
auf Basis eines Mittelwerts für die Periode 1994 - 1999 in absoluten Zahlen ein Ausgaben -
plafonds festgelegt wird, der unterhalb des von der Kommission vorgeschlagenen Ni -
veaus von 0,46 Prozent des EU - BIP liegt. Die Ausgabenbeträge für die Strukturpolitik
sollen künftig als Ausgabenobergrenzen und nicht mehr als Ausgabenziele definiert wer -
den. Die Zuweisung der Mittel für Ziel 1 soll erst auf der Grundlage der Beratungen über
die Inhalte und den Anwendungsbereich aller vorgeschlagenen Ziele der Strukturfonds
erfolgen.
Die angestrebte Konzentration der Förderung sollte aus österreichischer Sicht nicht nur
über eine schematische Reduktion der “förderfähigen" Bevölkerung, sondern auch auf
dem Wege einer stärkeren inhaltlichen Fokussierung und Differenzierung der Förde -
rungsniveaus erfolgen. Die strikte Anwendung des 75 % BIP - Kriteriums für die künftigen
Ziel 1 - Gebiete ist aus österreichischer Sicht zu begrüßen. Bei der Abgrenzung der För -
dergebiete
im Rahmen des neuen Ziel 2 ist eine problemorientierte Anpassung der
Abgrenzungskriterien und ein größerer Spielraum für spezifische regionalpolitische Prio -
ritäten der Mitgliedstaaten vorzusehen.
Der Vorschlag der Kommission, das neue Ziel 3 nur außerhalb der regionalen Zielgebiete
anzuwenden, ist aus österreichischer Sicht weder inhaltlich noch hinsichtlich der erforder -
lichen Verbesserung der Verwaltungseffizienz zielführend. Österreich wird sich deshalb
für eine horizontale Anwendung des neuen Ziel 3 einsetzen.
Bei der Erarbeitung und Durchführung der Strukturprogramme tritt Österreich für eine
Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und für substantielle Verwaltungsvereinfachungen
ein. Die vorgeschlagene Dezentralisierung der Programmabwicklung und die Klärung der
Rollen von Kommission und Mitgliedstaat im Rahmen der Partnerschaft wird unter der
Voraussetzung unterstützt, daß sie zu keiner weiteren Verlagerung strategischer Funktio -
nen von den Mitgliedstaaten auf die Ebene der Kommission führt.
Der Kohäsionsfond ist im Hinblick auf seinen temporären Charakter in vollem Umfang in
die Reform der Strukturpolitik einzubeziehen.
Zur Unterstützung des Strukturwandels und der Vorbereitung auf die Erweiterung der Eu -
ropäischen Union fordert Österreich ein Sonderprogramm insbesondere für die österrei -
chischen Regionen an der Grenze zu den mittel - und osteuropäischen Beitrittskandidaten.
Zu Frage 3:
Die Bundesregierung wird sich grundsätzlich für einen sparsamen und effizienten Mitte -
leinsatz
im Rahmen aller Rubriken des EU - Haushaltes einsetzen.
Zu Frage 4:
Die zwingende nationale Kofinanzierung der EU - Mittel ist in den Strukturfonds -
verordnungen vorgeschrieben. Da die Europäische Kommission in diesem Zusammen -
hang keine wesentlichen Veränderungen vorgeschlagen hat, wird die EU auch in der
nächsten Strukturfondsperiode vom Prinzip der Kofinanzierung nicht abgehen. Auch aus
österreichischer Sicht erscheinen keine weitgehenden Systemänderungen erforderlich.
Zu Frage 5:
Die vergleichsweise günstigen Arbeitsmarktdaten Österreichs sind unter anderem auf
Erfolge und den erheblichen Mitteleinsatz im Rahmen der präventiven Arbeitsmarktpolitik
Österreichs zurückzuführen. Österreich hat immer die Position vertreten, daß dies nicht
dazu führen darf, daß Österreich bei der Verteilung der Strukturfondsmittel auf die Mit -
gliedstaaten gegenüber anderen Staaten, die vergleichsweise geringe arbeitsmarktpoliti -
sche Anstrengungen unternommen haben, benachteiligt wird. Österreich wird sich daher
bei den Verhandlungen zur Strukturfondsreform gegen eine zu starke Gewichtung des
Kriteriums Arbeitslosigkeit und für eine problemorientierte Anpassung der Verteilungs -
und Abgrenzungskriterien einsetzen.
Zu Frage 6:
Im Juli 1997 präsentierte die Europäische Kommission im Rahmen der Agenda 2000
erstmals ihre Vorstellungen zur Reform der Strukturfonds, die nunmehr mit den am
18.März 1998 veröffentlichten Legislativvorschlägen der Kommission präzisiert wurden.
Im Rahmen der Beratungen auf Ratsebene zur Agenda 2000, die unmittelbar nach Ver -
öffentlichung der Agenda 2000 im Herbst aufgenommen wurden, hat Österreich offiziell
erste konkrete Positionierungen zur Strukturfondsreform vorgenommen. Hierbei wurde
von Österreich auch auf die spezifische Lage der Regionen an der Grenze zu den mittel -
und osteuropäischen Beitrittskandidaten hingewiesen. In der Phase der Ausarbeitung der
Legislativvorschläge
der Europäischen Kommission zur Agenda 2000
habe ich mit dem Herrn Bundeskanzler sodann im Jänner 1998 ein gemeinsames Schrei -
ben an die zuständigen Kommissare gerichtet, in dem ein Sonderprogramm für die im
Nahbereich der Grenze zu den mittel - und osteuropäischen Ländern liegenden Regionen
gefordert wurde.
Zu Frage 7:
Ja. In dem Schreiben wurde auf die spezifische Lage der österreichischen Grenzregionen
hingewiesen und ein Sonderprogramm für die im Nahbereich der Grenze zu den mittel -
und osteuropäischen Ländern liegenden Regionen gefordert. Hierbei wurde auf eine fle -
xible inhaltliche und geographische Gestaltungsmöglichkeit ebenso hingewiesen wie auf
die Notwendigkeit einer ausreichenden Dotation, die auch die Förderung von Basisinfra -
strukturen ermöglicht. Der genaue geographische Anwendungsbereich eines solchen
Sonderprogrammes und die Festlegung des Finanzmittelvolumens wird Gegenstand der
Verhandlungen in den kommenden Monaten sein.
Zu Frage 8:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Bevölkerung in den grenznahen Gebieten
dem Projekt der EU - Osterweiterung um so eher positiv gegenüberstehen wird, wenn sie
an ihren positiven Auswirkungen angemessen teilhaben kann und den möglichen wirt -
schaftlichen Risiken für die Grenzregionen vorgebeugt wird. Ein Element hierzu können
auf die jeweiligen spezifischen Problemlagen abstellende (EU-) Förderungsprogramme
bilden. Die empirischen Grundlagen hierfür sind zur Zeit in Ausarbeitung, eine Festlegung
auf spezifische Grenzregionen bzw. Maßnahmen daher verfrüht.
Zu Frage 9:
Derzeit stehen wir am Beginn eines langen und schwierigen Verhandlungsprozesses auf
Ratsebene. Es wäre daher verfrüht, österreichische Verhandlungspositionen bereits jetzt
vorwegzunehmen.
Zu Frage 10:
Nein. Die Bundesregierung begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, daß
künftig nur jene Regionen der Ebene Nuts II unter das Ziel - 1 der Strukturfonds fallen
sollen, deren Pro - Kopf - Bruttoinlandsprodukt, gemessen in Kaufkraftparitäten, weniger als
75 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnittes beträgt. Die Bundesregierung tritt weiters
dafür ein, daß dieses Kriterium strikt angewendet wird, da eine Aufweichung des Kriteri -
ums anderen Mitgliedstaaten jedenfalls in stärkerem Ausmaß zugute käme und damit nur
zu einer Verschlechterung der Nettozahlerposition Österreichs führen würde. Zur Unter -
stützung des Strukturwandels in den Grenzregionen wurde daher ein integriertes Sonder -
programm gefordert.
Zu Frage 11:
Nein. Gemäß Beschluß der Finanzausgleichspartner vom März 1997 lehnt Österreich ei -
ne Überschreitung der derzeitigen EU - Eigenmittelobergrenze von 1,27 % auch für den
Fall von EU - Neubeitritten ab. Die Durchsetzung dieser Position erscheint aus heutiger
Sicht sehr wahrscheinlich, so daß die geplante Erweiterung keine prozentuelle Erhöhung
der Beiträge Österreichs an die EU zur Folge haben wird. Weiters wird die Bundes -
regierung bei den kommenden Verhandlungen über die Agenda 2000 dafür eintreten, daß
es zu keiner Verschlechterung der österreichischen Nettozahlerposition kommen darf.
Wenn entsprechende effizienzsteigernde Reformen im Agrar - und Strukturbereich durch -
geführt werden - wofür Österreich im Sinne einer sparsamen Haushaltführung der EU je -
denfalls eintreten wird - kann eine Umsetzung dieses österreichischen Zieles ebenfalls
als durchaus realistisch angesehen werden. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß
Österreich durch seine geographische Nähe zu den Beitrittsländern - verbunden mit einer
leistungsfähigen und wettbewerbsstarken Wirtschaft - zu den Hauptnutznießern der Er -
weiterung des Binnenmarktes zählen wird.