3687/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haller, Mag. Haupt, Dr. Salzl haben am 26. Fe -

bruar 1998 unter der Nr. 3730/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend Maßnahmen gegen "Elektrosmog" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

“1. Wie hoch wäre der finanzielle Aufwand für eine Dokumentation jener Erkran -

kungsfälle, die nicht direkt auf organische Ursachen zurückzuführen sind,

a) für den Humanbereich

b) für den Veterinärbereich?

2. Wie hoch wäre der finanzielle Aufwand, diese Fälle auf ihre mögliche Exposi -

tion mit nichtionisierenden Strahlen hin zu überprüfen

a) für den Humanbereich

b) für den Veterinärbereich?

3. Da ab heuer im Rahmen des Gesundheitsförderungsgesetzes jährlich 100 Mil -

lionen Schilling für Gesundheitsdokumentation und Datenvernetzung im “Fonds

gesundes Österreich” zur Verfügung stehen werden: Werden Sie versuchen,

mit der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu vereinbaren,

diese wichtige Aufgabe der Überprüfung von Auswirkungen nichtionisierender

Strahlen anhand konkreter Fälle aus diesem Förderungstopf finanzieren zu

lassen?

4. Sollten Sie dies schon versucht haben: Was war das Ergebnis Ihrer diesbezüg -

lichen Verhandlungen mit der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und

Soziales?

5. Ist Ihrem Ressort bekannt, welcher der

a) im ICNIRP,

b) im WHO - EMF - Projekt

tätigen Fachleute gleichzeitig in Diensten der einschlägigen Anlagenindustrie

und - anwendung stehen?

6. Welche “anderen Projekte” (AB 3411, Punkt 4) sollen gemeinsam mit dem

WHO - EMF - Projekt die nichtthermischen Effekte elektromagnetischer (ein -

schließlich gepulster) Felder “mit hohem finanziellem Aufwand unter koordinier -

ter Nutzung möglicher Synergien auf internationaler Ebene” untersuchen?

7. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand bzw. der österreichische Anteil daran an

diesen verschiedenen Projekten?

8. Wann ist mit den von Ihnen angesprochenen neuen WHO - Empfehlungen zu

rechnen?”

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Einleitend weise ich darauf hin, daß - wie schon in der Anfragebeantwortung der

ehemaligen Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz zur parla -

mentarischen Anfrage Nr. 55/J aus 1996 und in meiner Anfragebeantwortung zur

parlamentarischen Anfrage Nr. 3460/J aus 1997 ausgeführt - die Frage einer mögli -

chen Gefährdung des Menschen durch nichtionisierende Strahlung nach dem heu -

tigen Stand von Wissenschaft, Medizin und Technik dahingehend beantwortet wer -

den kann, daß bestimmte Wirkungen dieser Strahlung auf biologisches Gewebe

(Wärmewirkung, Reizwirkung) sehr gut erforscht sind und somit auch Grenzwert -

festlegungen möglich sind, daß andererseits aber biologische Effekte dieser Strah -

lung in der einschlägigen Literatur beschrieben werden, deren gesundheitliche Aus -

wirkungen noch nicht ausreichend abgeklärt werden konnten. Letztere Tatsache be -

dingt einen hohen Forschungs - und Bewertungsaufwand, der keinesfalls auf natio -

naler Ebene bewältigt werden kann.

Eine Verharmlosung oder Vernachlässigung biologischer Effekte, deren gesundheit -

liche Relevanz trotz vergleichsweise hohem Forschungsaufwand bisher nicht abge -

klärt werden konnte, ist den oben zitierten Anfragebeantwortungen nicht zu ent -

nehmen.

Vielmehr habe ich in meiner Beantwortung der Anfrage Nr. 3460/J hiezu ausgeführt:

“Zur Frage der nichtthermischen Effekte in Zusammenhang mit der Exposition ge -

genüber nichtionisierender Strahlung vertreten sowohl ICNIRP als auch die WHO

aufgrund des aktuellen Standes von Wissenschaft, Medizin und Technik den Stand -

punkt, daß derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die eine zusätz -

liche Berücksichtigung der nichtthermischen Effekte bei der Festlegung von Gesund -

heitsschutzgrenzwerten rechtfertigen würden. Gesicherte nichtthermische Effekte

treten erst bei Feldstärken auf, die höher liegen als die Grenzwerte, die aufgrund

thermischer Effekte festgelegt wurden.

Man ist sich der Existenz unterschiedlichster biologischer Effekte jedoch bewußt und

auf internationaler Ebene bestrebt, diese zu erforschen. Aus diesem Bestreben wur -

de auch von der WHO im Jahre 1996 das Internationale WHO - EMF - Projekt initiiert,

dessen Zielsetzung es ist, innerhalb von fünf Jahren die bestehenden Wissens -

lücken zu schließen, wobei die Forschungsprojekte international koordiniert werden,

um unnötige Parallelität zu vermeiden und die vorhandenen Geldmittel bestmöglich

zu nutzen."

Weiters möchte ich klarstellen, daß ich mich in meiner Beantwortung zur Anfrage

Nr. 3460/J keineswegs strikt gegen nationale Forschungsprojekte ausgesprochen

habe. Ich habe in meiner damaligen Stellungnahme zu Frage 14 darauf hinge -

wiesen, daß es die WHO schon vor zwei Jahren übernommen hat, die Forschung

auf dem Gebiet der elektromagnetischen Felder auf internationaler Ebene zu koor -

dinieren, Österreich voll in das Internationale WHO - EMF - Projekt integriert ist, im

Forschungs - Koordinations - Komitee dieses WHO - Projekt sowohl Vertreter der

Europäischen Union und nationale Vertreter als auch Repräsentanten der sonstigen

potentiellen Geldgeber vertreten sind und ich daher einen nationalen Alleingang für

nicht zweckmäßig halte.

Ich kann keinen Sinn darin erkennen, Maßnahmen international kompetenter

Organisationen wie der WHO auf nationaler Ebene mit zwangsläufig geringerer

Fachkompetenz nachzuvollziehen. Ebenso habe ich die Notwendigkeit eines

nationalen Forschungsschwerpunktes verneint, da die dafür notwendigen finan -

ziellen Mittel in Österreich nicht aufzubringen sind. Eine derartige

Schwerpunktaktion stellt beispielsweise das NERP - Programm (National EMF

Research Program) in den USA dar, das bei einer Laufzeit von 5 Jahren mit 65

Millionen US$ dotiert ist.

Eine - keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende - Aufstellung der mit Stand

1994 aufgewendeten Mittel für Forschung auf dem Gebiet der elektromagnetischen

Felder ist der in der Anfrage erwähnten Studie dokumentierter Forschungsresultate

über die Wirkung elektromagnetischer Felder (dreibändige ÖFZS - Studie) zu entneh -

men. Ebenso ist dieser Studie zu entnehmen, daß beispielsweise im Jahre 1993

weltweit mehr als 300 Forschungsprojekte auf dem Gebiet der elektromagnetischen

Felder bearbeitet wurden.

Zu der in der gegenständlichen Anfrage aufgeworfenen Frage einer Intensivierung

der Reisetätigkeit höherer Ministerialbeamter im Zusammenhang mit den Aktivitäten

internationaler Gremien ist festzustellen, daß Einflußnahmen auf internationale Pro -

jekte, die Einbindung allfälliger österreichischer Projekte in überregionale Projekte

und das Sammeln von Wissen und Erfahrungen anderer aus erster Hand nur durch

Teilnahme an derartigen Veranstaltungen möglich ist, wenn man sich nicht selbst

vom aktuellen Wissensstand abkoppeln will.

Zu den Fragen im einzelnen:

Zu den Fragen 1 und 2:

Eine Dokumentation jener Erkrankungsfälle, die nicht direkt auf organische

Ursachen zurückzuführen sind, und deren Korrelation mit nichtionisierenden

Strahlen, würde nach Aussage führender Wissenschafter auf dem Gebiet der

Statistik bzw. der Medizinischen Statistik nicht zu den gewünschten Informationen

führen.

Eine Überprüfung einer Korrelation spezifischer Erkrankungsfälle z.B. eines

bestimmten Karzinoms mit einem physikalischen Agens, wie 50 Hertz Magnet -

feldern, wie sie etwa in der Nähe von Stromleitungen auftreten, würde bei einem zu

untersuchenden Kollektiv von größenordnungsmäßig 500 Erkrankungsfällen und

1000 bis 1500 Kontrollpersonen nach internationalen Erfahrungen voraussichtlich

Kosten in der Höhe von 25 bis 50 Millionen Schilling verursachen.

Die Zuständigkeit des Bundes und damit meine Zuständigkeit auf dem Gebiet des

Strahlenschutzes gründet sich auf den Kompetenzbestand Gesundheitswesen, somit

auf die menschliche Gesundheit (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG). Ich gehe aber davon

aus, daß das oben Ausgeführte auch für den Veterinärbereich gilt.

Zu den Fragen 3 und 4.

Ziel des Gesundheitsförderungsgesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 die “Erhaltung,

Förderung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung im ganzheitlichen

Sinn und in allen Phasen des Lebens” sowie die “Aufklärung und Information über

vermeidbare Krankheiten sowie über die die Gesundheit beeinflussenden seeli -

schen, geistigen und sozialen Faktoren”. Nach Ansicht des Bundesministeriums für

Arbeit, Gesundheit und Soziales fallen die in der Anfrage angesprochenen Projekte

nicht unter diese Zielsetzungen.

Zu Frage 5:

Soweit bekannt ist, kommen die in den Gremien von ICNIRP tätigen Wissenschafter

insbesondere aus dem Bereich der Universitäten oder sonstigen nationalen For -

schungseinrichtungen, wie dem NRPB ( National Radiation Protection Board) in

Großbritannien oder dem BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) in der Bundesrepublik

Deutschland.

Die Fachleute, die im Rahmen des WHO - EMF - Projektes in den wissenschaftlichen

Arbeitsgruppen tätig sind und die Forschungsergebnisse sichten, bewerten und zu -

sammenfassen, um schließlich gesundheitsrelevante Empfehlungen abzugeben,

kommen wie bei ICNIRP aus dem Bereich der Universitäten oder sonstigen natio -

nalen Forschungseinrichtungen. Die Fachleute des “Allgemeinen beratenden Komi -

tees" sind Vertreter der das WHO - EMF - Projekt unterstützenden zuständigen natio -

nalen staatlichen Stellen, der EU, sowie Vertreter anderer UNO - Organisationen, wie

der IARC, der Internationalen Krebsagentur. Im “Forschungskoordinationsbeirat" des

WHO - EMF - Projektes sind auch Repräsentanten der Anwender und der Industrie so -

wie Repräsentanten der von Anwendern und von Geräteherstellern finanzierten For -

schungseinrichtungen vertreten. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß ein

nicht unwesentlicher Teil der Forschungsmittel von den ,,Verursachern", also der

Industrie und den Anwendern, aufgebracht wird. Die Bewertung der Forschungser -

gebnisse und die Formulierung von Schlußfolgerungen aus diesen Ergebnissen er -

folgt aber durch von Industrie und Anwendern unabhängige Wissenschafter.

Zu Frage 6

Hier sind insbesondere laufende Projekte, wie das schon erwähnte NERP - Pro -

gramm, das bei einer fünfjährigen Laufzeit mit 65 Millionen US $ dotiert ist, und For -

schungsprogramme des Department of Energy (DOE) in den USA zu nennen, sowie

allfällige Projekte der EU im Zuge des 5. Rahmenprogrammes.

Zu Frage 7:

Österreich hat der WHO zugesagt, das WHO - EMF - Projekt im Rahmen der budgetä -

ren Möglichkeiten durch Organisation und Durchführung von Symposien, Workshops

bzw. durch Beteiligung an solchen Maßnahmen zu unterstützen.

In diesem Sinn hat sich Österreich im Jahre 1996 mit etwa S 210.000,- an einem

Symposium in München über NON - THERMAL EFFECTS OF RF ELECTRO -

MAGNETIC FIELDS beteiligt. Im Jahre 1997 hat Österreich in Wien, gemeinsam mit

der WHO, der ICNIRP und dem BMU in Bonn das Symposium RISK PERCEPTION,

RISK COMMUNICATION AND ITS APPLICATION TO EMF EXPOSURE veran -

staltet. Die kosten für Österreich betrugen etwa S 500.000,-.

Zu Frage 8:

Das WHO - EMF - Projekt wurde im Jahre 1996 begonnen und soll, wie schon erwähnt,

eine Laufzeit von fünf Jahren haben, sodaß Ende des Jahres 2000 oder im Jahre

2001 mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und konkreten Empfehlungen zu

rechnen sein wird.